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Brief vom 18. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1149.


[241]
St Clou den 18 Augusti 1720 (N. 19).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich, ob gott will, auff Ewer liebes schreiben vom 3 Augusti, no 60, exact zu antwortten; den es schlegt eben 7 uhr. Ich kan nicht begreiffen, warumb man Eüch alß zwey von meinen schreiben auff einmahl gibt; aber alle posten gehen überall bitter übel. Weillen ich aber hirin nichts endern, noch verbeßern kan, will ich nur noch auff dießen text sagen, daß ich hir nach meinem brieff vom 7 hab nachfragen laßen; sie haben mir versichern laßen, daß er gar gewiß weggeschickt ist worden undt daß er auff der teütschen post müße verlohren worden sein. Ich kan leicht gedencken, daß, nachdem Eüch meine vorige brieff erschreckt, daß Ihr dieße letzte gar geschwindt werdt auffgemacht haben. Bißher ist es noch stille, so lang es wehren wirdt; aber monsieur Laws darff nicht auß dem hauß[1]. Die weiber de la Halle haben kleine buben zu spionen umb sein hauß gestelt, zu erfahren, wen er auß dem hauß gehen wirdt. Daß bedeüt nichts guts vor [242] ihm undt fürchte sehr, daß wider baldt ein neüer auffstandt undt allarm kommen wirdt. Gott bewahr meinen sohn! Man kan ohnmöglich hir ruhig leben, welches mir doch jetzt in meinem hohen alter sehr nöhtig were. Aber waß will man thun? Gott, der allmächtige, ist herr undt meister; alles muß nach seinem h. schluß gehen, undt wen er will, daß man leyden solle, muß man leyden undt sich, so viel möglich ist, in seinen h. willen mitt gedult ergeben. Daß es nicht war ist, daß man den könig gedenckt nach Versaille zu führen, habe ich Eüch schon bericht. Daß parlement hatt zu Paris mitt insolentz abgeschlagen, deß königs esdicts, so sie doch zu Pontoisse enregistrirt haben, ahnzunehmen. Ob der printz de Conti auß haß vor Laws, [welchen er], weillen er ihn nicht so viel alß seinen schwager undt vettern, den monsieur le duc, hatt gewinen machen, sehr hast undt sehr deßwegen tripottirt[2], auch madame du Maine, seine tante, wider in seine intriguen stecken wollen, so ist es doch nicht so grob hergangen, daß man ihn in arest genohmen, er ist auff freyen fuß geblieben. Unter unß gerett, der printz de Conti ist ein närgen[3] mitt viel verstandt, eben wie seine fraw mutter. Seine gemahlin, die gar ein lustige, possirliche printzes ist, ließ mir vergangen … sagen, sie bätte mich, doch zu glauben, daß sie in keine intrigue stecke. Ich andtworttete, daß ich sie vor zu verständig hilte, sich in alle naredeyung von den narren, so sie umbringt, zu folgen. Ich weiß nicht, wie sie es außstehen kan; ich müste mich zu todt bekümern, wen ich mein leben mitt so einem närischen man undt schwigermutter mein leben zubringen müste, undt sie macht sich ein divertissement davon, alß wens ihr gar nicht ahnginge, lacht über alles. Ich halte es vor eine gnade gottes; den ein anders ahn ihrem platz müste verzweyfflen. Der printz de Conti hatt nie gedacht, den könig majeur zu machen. Ich habe mein leben keinen Englander oder Schottlander so poltron[4] undt forchtsam gesehen, alß Laws ist. Der reichtum macht furchtsam; man quittirt nicht gern sein haab undt gutt. Ich glaube, daß er etlich stundten hatt, wo er sich selber in die Souciane[5] oder Missisipi wünscht. Vor Ewere gutte wünsche vor meinen sohn undt mich dancke ich Eüch sehr. Mein sohn hatt auch [243] bey deß königs zeitten schon viel feinde hir gehabt; alle, die von deß königs in Spanien parthie sein undt ihn gern hir hetten, seindt meines sohns ertzfeindt, undt daß seindt alle, die von dem alten hoff undt der Maintenon ihre creaturen geweßen seindt[6], undt wie in alten liedt gestanden, so in den hollandischen gazetten war, alle die heros de Maintenon seindt meines sohns feindt. Also thut Laws nichts zu meines sohns feindt vom hoff, aber woll im parlement undt bey dem pöpell. Weit davon, übel zu nehmen, daß Ihr von dießer [sache] sprecht, liebe Louise! Ich bin Eüch sehr verobligirt, so viel part drinen zu nehmen. Man muß nicht gedencken, daß in dem standt, wo mein sohn nun ist, daß er ruhig undt in zufridenheit leben kan, noch ich. Die großhertzogin wirdt nur gar zu wahr sagen. Unter unß gerett, mein enckel[7] ist bludtsübel erzogen, vatter undt mutter haben sie verdorben undt ihr ohne daß gar dollen kopff allen freyen willen gelaßen. Ich habe ihnen gar offt gesagt, daß diß zu nichts dinnen könne, alß ihr dochter, wo sie auch hinkommen mag, sehr unglücklich zu machen; fürchte, daß ich nur gar zu woll werde geprophezeyet haben, den ich habe gestern ein brieff von unßer königin in Sicillien bekommen, die schreibt mir, daß sie ihr kopffgen schon ahnfengt braff zu weißen undt nicht nach landtsbrauch, sondern nach ihrem eygene[n] sin leben will, undt daß geht in Ittallien nicht ahn, sie wirdt sich schlime händel ahnmachen, mögte woll nicht lang leben. Aber es ist meine schuldt nicht, ich habe gewahrnt; man will mir aber nicht glauben, wen ich einen trewen raht gebe. Wen ich den daß sehe, schweig ich maußstill; den wen ich daß meine gethan, bekümere ich mich weitter umb nichts undt laße sie machen, wie sie wollen. Sie haben zu Paris gar artige stücker zu possenspiel undt spiel[en] allezeit die albersten; ich werff [es] ihnen offt vor. Ich muß mich verschrieben haben, den der cavalier, so bey monsieur de Biron gestorben, hieße Souternon undt nicht Brion[8]. Christlich leben ist hir bey hoff gar eine rare sach; man sorgt mehr, wie man in die banque gehen kan, alß im himmel. Ich glaube nicht, daß mein sohn sein leben ein wordt mitt Souternon gesprochen. Er war [244] capitaine des gardes von conte de Toulouse, konte also nichts mitt meinen sohn zu thun [haben]. Aber wen mein sohn gar lieb hatt, ist monsieur de Biron, sein premier escuyer, so gar ein ehrlicher man ist undt von den besten heüßern hir; seine fraw ist niepce vom duc de Lauzun, also vatter undt mutter gutt. Aber da kompt monsieur Le Fevre mitt meinem advocatten[9] herein, die muß ich ein wenig entreteniren. Monsieur Le Fevre wirdt zu endt dießer wochen wieder nach Englandt gehen; sie wollen mir verzehlen, woran die sachen[10] nun sein. Ich werde es Eüch nicht verzehlen können, liebe Louisse! Den solche sachen seindt mir lautter spanische dörffer, kan es mitt gar großer mühe begreiffen, undt es nachzusagen, were mir noch viel schwehrer.
Sontag, den 18 Aug., umb 3/4 auff 8ten abendts.
Heütte ist es mir ohnmöglich geweßen, Eüch dießen nachmittag zu schreiben; den ich bin gar spät ahn taffel, weillen meine[s] sohns 3 döcht[e]r gar spätt ahnkommen sein, undt nach dem eßen haben wir in kirch gemüst, bin hernach spatziren gefahr[e]n undt zu einen bal im mail, umb meine enckeln zu divertiren, umb alle burger undt bawern von St Clou undt Seve[11] dantzen zu machen. Ich bin biß umb 7 dageblieben; daß kan man mir woll vor eine große complaissance zurechenen, den ich liebe daß dantzen gantz undt gar nicht; aber die kinder haben sich gar woll divertirt. Unterdeßen daß waß[12] in mein calesch war [und] den bal zugesehen, hab ich Ewer liebes schreiben vom 6ten, no 61, geleßen, so man mir gebracht, eben wie ich in calesch gestiegen; dancke gar sehr vor die schönne undt woll gepregte medaille von der letzt verstorbenen keyßerin begrebnuß. Aber, liebe Louisse, Ihr ruinirt Eüch gantz mitt den medaillen; daß setzt mich in sorgen, undt biß die wexel wider eingericht sein, kan ich Eüch unmöglich gelt schicken. Man macht doch hoffen, daß dieße zeit widerkommen wirdt; gott gebe es! Heütte werde ich nach unßer alten gewohnheit nicht auff dießes letzte liebe schreiben antwortten, sonder nur daß von no 60, den 3 dießes monts, forthführen, wo ich heütte morgen geblieben war. Ich bin fro, daß eines von meinen schreiben Eüch ein wenig [245] hat lachen machen. Aber madame de Chasteautier[13] sagt allezeit, daß, wen sich jemandts heürahten will, müße man mich nicht consultiren; den niemandts mehr den[14] einem verlayden könte, alß ich[15]. Waß ich gesagt, ist nur gar zu war. Wen eine dame hir begehrte, daß ein pfaff oder mönch bey ihr bleiben [solle], würde es sehr verdachtig scheinen undt man würde die historie baldt singen; den alles muß in Franckreich gesungen werden. Ich habe nicht allein diß dam-spill von Charle-quint gesehen[16], sondern auch ein schachspil von cristal, so gar schön war; also muß Charle V woll allerhandt spiel gespilt haben. Alle dieße sachen komen auß Spanien. Die romische keyßer in geschme[l]tzt muß schön zu sehen sein. Gott verzey mirs! aber weder in gemähls, noch erhaben sehe ich die sachen von der passion von unßern herrn Ch[r]istus nicht gern. Dieße stück müßen alt sein. Vor dießem machte man kastger so, worinen man die religuen that auff den altaren. Wie ich sehe, so ist man mitt Eüch armen raugräfflichen kindern bitter übel ahnkommen; es jammert mich recht. Ich weiß nicht, ob mein sohn waß ahngefangen mitt sein[e]r pretention auff der Pfaltz; mir hatt er kein wordt davon gesagt, glaube es also nicht. Aber wir haben, wie der papst unßern proces hatt verliehren machen, die verortende gelter nicht ahngenohmen, umb den proces, wen es zeit sein würde, wider ahnzufangen können. Ich werde mich aber gewiß nicht mitt plagen, aber meinen sohn die sach gantz übergeben; er mags mitt machen, wie er will. Vor 20 jahren hette ich woll gewünscht, ein manßmensch zu sein können, meinem vatterlandt zu [dienen][17]; aber nun wer der wunsch zu ohnnöhtig, den ich muß ja nun baldt davon. Ewer bucklichter nachbar muß doch ein schelm geweßen sein, weillen es[18] so durchgangen. Ich seydt glücklich, daß Ihr sein[e]r so geschwindt loß geworden sey[d]. Ich habe Eüch letztmahl eine schlimme historie von graffen von Hanau [berichtet][19]; sie ist noch schlimmer, alß mans erdencken kan; den er hatt lautter ungültige billiets geschickt; daß ist doch undanckhar. Ihr habt mir, liebe Louisse, keine historie von ihm geschrieben, nur bloß gesagt, daß [246] man ihn vor todt außgeben hatt zu Franckfort. Man wirdt nun nicht mehr zu Darmstat fürchten, daß dieß hauß abgehen mag, weillen die landtgraffin so offt schwanger wirdt. Ich weiß nicht, waß vor ein jubelfest in Niederlandt gehalten worden. Man muß aber wenig zu hauß zu thun [haben], wen man deßwegen eine reiße thut; da muß etwaß anderst hinder stecken. Dießmahl ist Ewer paquet ohnverschlißen ahnkommen. Wie Ihr mir, liebe Louise, von Ewerm wetter sprecht, haben wir es ebenso. Hir donnerst[20] mehr dieß jahr, alß ichs mein leben in dießem landt gehört, aber es schlegt, gott lob, nicht ein, oder wen es einschlegt, seindt es nur kalte streich. Heütte weiß ich gantz undt gar nichts neües, muß also vor dießmahl schließen undt nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 241–246
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1149.html
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Tintenfass