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St Clou den 18 Augusti 1720 (N. 19).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich, ob gott will, auff Ewer
liebes schreiben vom 3 Augusti, no 60, exact zu antwortten; den
es schlegt eben 7 uhr. Ich kan nicht begreiffen, warumb man Eüch
alß zwey von meinen schreiben auff einmahl gibt; aber alle posten
gehen überall bitter übel. Weillen ich aber hirin nichts endern,
noch verbeßern kan, will ich nur noch auff dießen text sagen, daß
ich hir nach meinem brieff vom 7 hab nachfragen laßen; sie haben
mir versichern laßen, daß er gar gewiß weggeschickt ist worden
undt daß er auff der teütschen post müße verlohren worden sein.
Ich kan leicht gedencken, daß, nachdem Eüch meine vorige brieff
erschreckt, daß Ihr dieße letzte gar geschwindt werdt auffgemacht
haben. Bißher ist es noch stille, so lang es wehren wirdt; aber
monsieur Laws darff nicht auß dem hauß
[1]. Die weiber de la Halle
haben kleine buben zu spionen umb sein hauß gestelt, zu erfahren,
wen er auß dem hauß gehen wirdt. Daß bedeüt nichts guts vor
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ihm undt fürchte sehr, daß wider baldt ein neüer auffstandt undt
allarm kommen wirdt. Gott bewahr meinen sohn! Man kan
ohnmöglich hir ruhig leben, welches mir doch jetzt in meinem hohen
alter sehr nöhtig were. Aber waß will man thun? Gott, der
allmächtige, ist herr undt meister; alles muß nach seinem h. schluß
gehen, undt wen er will, daß man leyden solle, muß man leyden
undt sich, so viel möglich ist, in seinen h. willen mitt gedult
ergeben. Daß es nicht war ist, daß man den könig gedenckt nach
Versaille zu führen, habe ich Eüch schon bericht. Daß parlement
hatt zu Paris mitt insolentz abgeschlagen, deß königs esdicts, so sie
doch zu Pontoisse enregistrirt haben, ahnzunehmen. Ob der printz
de Conti auß haß vor Laws, [welchen er], weillen er ihn nicht so
viel alß seinen schwager undt vettern, den monsieur le duc, hatt
gewinen machen, sehr hast undt sehr deßwegen tripottirt
[2], auch
madame du Maine, seine tante, wider in seine intriguen stecken
wollen, so ist es doch nicht so grob hergangen, daß man ihn in
arest genohmen, er ist auff freyen fuß geblieben. Unter unß
gerett, der printz de Conti ist ein närgen
[3] mitt viel verstandt, eben
wie seine fraw mutter. Seine gemahlin, die gar ein lustige,
possirliche printzes ist, ließ mir vergangen … sagen, sie bätte mich,
doch zu glauben, daß sie in keine intrigue stecke. Ich andtworttete,
daß ich sie vor zu verständig hilte, sich in alle naredeyung von
den narren, so sie umbringt, zu folgen. Ich weiß nicht, wie sie es
außstehen kan; ich müste mich zu todt bekümern, wen ich mein
leben mitt so einem närischen man undt schwigermutter mein leben
zubringen müste, undt sie macht sich ein divertissement davon, alß
wens ihr gar nicht ahnginge, lacht über alles. Ich halte es vor
eine gnade gottes; den ein anders ahn ihrem platz müste
verzweyfflen. Der printz de Conti hatt nie gedacht, den könig majeur zu
machen. Ich habe mein leben keinen Englander oder Schottlander
so poltron
[4] undt forchtsam gesehen, alß Laws ist. Der reichtum
macht furchtsam; man quittirt nicht gern sein haab undt gutt. Ich
glaube, daß er etlich stundten hatt, wo er sich selber in die
Souciane
[5] oder Missisipi wünscht. Vor Ewere gutte wünsche vor
meinen sohn undt mich dancke ich Eüch sehr. Mein sohn hatt auch
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bey deß königs zeitten schon viel feinde hir gehabt; alle, die von
deß königs in Spanien parthie sein undt ihn gern hir hetten, seindt
meines sohns ertzfeindt, undt daß seindt alle, die von dem alten
hoff undt der Maintenon ihre creaturen geweßen seindt
[6], undt wie
in alten liedt gestanden, so in den hollandischen gazetten war,
alle die heros de Maintenon seindt meines sohns feindt. Also thut
Laws nichts zu meines sohns feindt vom hoff, aber woll im
parlement undt bey dem pöpell. Weit davon, übel zu nehmen, daß Ihr
von dießer [sache] sprecht, liebe Louise! Ich bin Eüch sehr
verobligirt, so viel part drinen zu nehmen. Man muß nicht gedencken,
daß in dem standt, wo mein sohn nun ist, daß er ruhig undt in
zufridenheit leben kan, noch ich. Die großhertzogin wirdt nur gar
zu wahr sagen. Unter unß gerett, mein enckel
[7] ist bludtsübel
erzogen, vatter undt mutter haben sie verdorben undt ihr ohne daß
gar dollen kopff allen freyen willen gelaßen. Ich habe ihnen gar offt
gesagt, daß diß zu nichts dinnen könne, alß ihr dochter, wo sie
auch hinkommen mag, sehr unglücklich zu machen; fürchte, daß
ich nur gar zu woll werde geprophezeyet haben, den ich habe
gestern ein brieff von unßer königin in Sicillien bekommen, die
schreibt mir, daß sie ihr kopffgen schon ahnfengt braff zu weißen
undt nicht nach landtsbrauch, sondern nach ihrem eygene[n] sin leben
will, undt daß geht in Ittallien nicht ahn, sie wirdt sich schlime
händel ahnmachen, mögte woll nicht lang leben. Aber es ist meine
schuldt nicht, ich habe gewahrnt; man will mir aber nicht
glauben, wen ich einen trewen raht gebe. Wen ich den daß sehe,
schweig ich maußstill; den wen ich daß meine gethan, bekümere
ich mich weitter umb nichts undt laße sie machen, wie sie wollen.
Sie haben zu Paris gar artige stücker zu possenspiel undt spiel[en]
allezeit die albersten; ich werff [es] ihnen offt vor. Ich muß mich
verschrieben haben, den der cavalier, so bey monsieur de Biron
gestorben, hieße Souternon undt nicht Brion
[8]. Christlich leben ist
hir bey hoff gar eine rare sach; man sorgt mehr, wie man in die
banque gehen kan, alß im himmel. Ich glaube nicht, daß mein
sohn sein leben ein wordt mitt Souternon gesprochen. Er war
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capitaine des gardes von conte de Toulouse, konte also nichts mitt
meinen sohn zu thun [haben]. Aber wen mein sohn gar lieb hatt,
ist monsieur de Biron, sein premier escuyer, so gar ein ehrlicher
man ist undt von den besten heüßern hir; seine fraw ist niepce
vom duc de Lauzun, also vatter undt mutter gutt. Aber da kompt
monsieur Le Fevre mitt meinem advocatten
[9] herein, die muß ich ein
wenig entreteniren. Monsieur Le Fevre wirdt zu endt dießer
wochen wieder nach Englandt gehen; sie wollen mir verzehlen, woran
die sachen
[10] nun sein. Ich werde es Eüch nicht verzehlen können,
liebe Louisse! Den solche sachen seindt mir lautter spanische dörffer,
kan es mitt gar großer mühe begreiffen, undt es nachzusagen, were
mir noch viel schwehrer.
Sontag, den 18 Aug., umb 3/4 auff 8ten abendts.
Heütte ist es mir ohnmöglich geweßen, Eüch dießen
nachmittag zu schreiben; den ich bin gar spät ahn taffel, weillen meine[s]
sohns 3 döcht[e]r gar spätt ahnkommen sein, undt nach dem eßen
haben wir in kirch gemüst, bin hernach spatziren gefahr[e]n undt
zu einen bal im mail, umb meine enckeln zu divertiren, umb alle
burger undt bawern von St Clou undt Seve
[11] dantzen zu machen.
Ich bin biß umb 7 dageblieben; daß kan man mir woll vor eine
große complaissance zurechenen, den ich liebe daß dantzen gantz
undt gar nicht; aber die kinder haben sich gar woll divertirt.
Unterdeßen daß waß
[12] in mein calesch war [und] den bal
zugesehen, hab ich Ewer liebes schreiben vom 6ten, no 61, geleßen,
so man mir gebracht, eben wie ich in calesch gestiegen; dancke gar
sehr vor die schönne undt woll gepregte medaille von der letzt
verstorbenen keyßerin begrebnuß. Aber, liebe Louisse, Ihr ruinirt
Eüch gantz mitt den medaillen; daß setzt mich in sorgen, undt biß
die wexel wider eingericht sein, kan ich Eüch unmöglich gelt schicken.
Man macht doch hoffen, daß dieße zeit widerkommen wirdt; gott
gebe es! Heütte werde ich nach unßer alten gewohnheit nicht auff
dießes letzte liebe schreiben antwortten, sonder nur daß von no 60,
den 3 dießes monts, forthführen, wo ich heütte morgen geblieben
war. Ich bin fro, daß eines von meinen schreiben Eüch ein wenig
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hat lachen machen. Aber madame de Chasteautier
[13] sagt allezeit,
daß, wen sich jemandts heürahten will, müße man mich nicht
consultiren; den niemandts mehr den
[14] einem verlayden könte, alß ich
[15].
Waß ich gesagt, ist nur gar zu war. Wen eine dame hir begehrte,
daß ein pfaff oder mönch bey ihr bleiben [solle], würde es sehr
verdachtig scheinen undt man würde die historie baldt singen; den
alles muß in Franckreich gesungen werden. Ich habe nicht allein
diß dam-spill von Charle-quint gesehen
[16], sondern auch ein
schachspil von cristal, so gar schön war; also muß Charle V woll
allerhandt spiel gespilt haben. Alle dieße sachen komen auß Spanien.
Die romische keyßer in geschme[l]tzt muß schön zu sehen sein. Gott
verzey mirs! aber weder in gemähls, noch erhaben sehe ich die
sachen von der passion von unßern herrn Ch[r]istus nicht gern. Dieße
stück müßen alt sein. Vor dießem machte man kastger so, worinen
man die religuen that auff den altaren. Wie ich sehe, so ist man
mitt Eüch armen raugräfflichen kindern bitter übel ahnkommen; es
jammert mich recht. Ich weiß nicht, ob mein sohn waß
ahngefangen mitt sein[e]r pretention auff der Pfaltz; mir hatt er kein wordt
davon gesagt, glaube es also nicht. Aber wir haben, wie der papst
unßern proces hatt verliehren machen, die verortende gelter nicht
ahngenohmen, umb den proces, wen es zeit sein würde, wider
ahnzufangen können. Ich werde mich aber gewiß nicht mitt plagen,
aber meinen sohn die sach gantz übergeben; er mags mitt machen,
wie er will. Vor 20 jahren hette ich woll gewünscht, ein
manßmensch zu sein können, meinem vatterlandt zu [dienen]
[17]; aber nun
wer der wunsch zu ohnnöhtig, den ich muß ja nun baldt davon.
Ewer bucklichter nachbar muß doch ein schelm geweßen sein,
weillen es
[18] so durchgangen. Ich seydt glücklich, daß Ihr sein[e]r so
geschwindt loß geworden sey[d]. Ich habe Eüch letztmahl eine
schlimme historie von graffen von Hanau [berichtet]
[19]; sie ist noch
schlimmer, alß mans erdencken kan; den er hatt lautter ungültige
billiets geschickt; daß ist doch undanckhar. Ihr habt mir, liebe
Louisse, keine historie von ihm geschrieben, nur bloß gesagt, daß
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man ihn vor todt außgeben hatt zu Franckfort. Man wirdt nun
nicht mehr zu Darmstat fürchten, daß dieß hauß abgehen mag,
weillen die landtgraffin so offt schwanger wirdt. Ich weiß nicht, waß
vor ein jubelfest in Niederlandt gehalten worden. Man muß aber
wenig zu hauß zu thun [haben], wen man deßwegen eine reiße
thut; da muß etwaß anderst hinder stecken. Dießmahl ist Ewer
paquet ohnverschlißen ahnkommen. Wie Ihr mir, liebe Louise,
von Ewerm wetter sprecht, haben wir es ebenso. Hir donnerst
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mehr dieß jahr, alß ichs mein leben in dießem landt gehört, aber
es schlegt, gott lob, nicht ein, oder wen es einschlegt, seindt es
nur kalte streich. Heütte weiß ich gantz undt gar nichts neües,
muß also vor dießmahl schließen undt nichts mehr sagen, alß daß
ich Eüch von hertzen lieb behalte.