Seitenbanner

Brief vom 21. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1150.


[246]
St Clou, mitwog, den 21 Augusti 1720 (N. 20).
Hertzallerliebe Louisse, ich muß Eüch heütte schreiben, den morgen gehe ich umb 9 in kutsch, muß noch vorher in die meß undt hernach fahre ich nach Paris zur großhertzogin, deren ich eine vissitte geben will, undt von dar nach Bagnolet, umb mitt madame d’Orleans zu mittag zu eßen undt, wofern es daß wetter erlaubt, in ihren schönnen gartten zu spatziren; werde gar zu spat wider kommen, umb zu schreiben können. Drumb thue ich es heütte, liebe Louise, undt will auff Ewer liebes schreiben vom 6 Augusti, no 61, andtwortten, so ich vergangenen sontag entpfangen habe. Ich habe alß gehofft, in Ewern lieben schreiben zu vernehmen, daß Ihr endtlich meinen brieff no 7 entpfangen habt; aber ich sehe, daß es der vom 13 Julli geweßen. Daß parlement fengt wider ahn, zu rassen[1], will den arest[2] nicht durchgehen, so den frieden in der kirchen stifften kan. Ich weiß nicht, ob man daß vor gar christlich passiren lest, daß man nicht zum kirchenfrieden helffen will. Dieße sach gefehlt mir gar nicht; den daß wirdt noch hundert handel machen undt meinem sohn abscheülich viel mühe geben. Die leütte [sind] gar zu boßhafftig hir, umb zu hoffen [247] können, daß alles gestilt wirdt werden oder kan werden. Die zeytungen sage[n] nicht allezeit die sachen, wie sie sein, thun allezeit etwaß dazu oder davon, alß zum exempel sie sagen, ich were ihm Palais-Royal geweßen, wie sie die todten cörper gebracht; ich bin mehr, alß 6 stundt, hernach kommen[3]. Alleweill kompt mein lieber abt herrein, l’abbé de St Albin[4], welcher gar ein gutter bub ist. Er sagt, die sach mitt dem parlement were nicht so schlim, alß man mirs verzehlt hatt; es were nun[5], daß der copist einen falschen datum gesetzt hette undt daß sie nur deßwegen den arest zurückgeschickt hetten, aber nicht refussirt, es zu passiren. Man hatte noch ein andere lügen gesagt, so sich, gott lob, auch falsch gefunden, nehmlich sagen[6], so die billiet de banque ahngeht. Man macht nur solche geschrey gehen, umb mein sohn bey dem volck verhast zu machen, woran man tag undt nacht starck arbeydt. Ich halte, so mir möglich ist, alles, waß ich verspreche. Ich habe Eüch, liebe Louise, versprochen, keine post nie zu vervehlen undt [daß ich] entweder viel oder wenig schreiben werde, undt habe, seyderdem ichs Eüch versprochen, nicht ein augenhlick gefehlt, ich will sagen, keine post verfehlt; gehen aber meine brieff verlohren, ist es meine schuldt nicht. Daß ist gar kein danckens wehrt, liebe Louise, aber Ewer guttes gemühte undt schwesterliche freündtschafft macht, daß Ihr mir allezeit danck wolt wißen vor daß geringste, so ich vor Eüch thue. Es ist gar kein aberglauben, so ich Eüch gesagt, so man vor böße finger braucht[7]; den hinter den ohren ist alles, waß so fetter[8] ist, alß die andere haut, undt daß ist heyllsam. Es thut abscheülich wehe, wen einen ein nagel abschwert[9]. Wie ich in Iburg war, stach ich einmahl eine spel[10] ungefehr unter den nagel; daß schwur mir der nagel ab, ware etliche tag, daß ich weder tag noch nacht ruhe hatte. Damahlen wust ich daß remedium noch nicht, habe es erst hir gelehrnt; es ist sicher undt hatt mir nie gefehlt. Ich habe ander leütte[11] auch woll bekommen sehen. Ich thue viel lincke sachen, ich schneyde mir die nägel mitt der lincken handt ab wie mitt der rechten; ich schreibe [248] zwar langsam undt übeller, alß mitt der rechten handt, aber man kans doch woll leßen[12]. Daß reitten gewohnt einem, die lincke handt zu brauchen. Er were freylich beßer, wen man die kinder lincks undt recht erzöge; vor ein cammermagten ist es gar gemechlich, von einen camm[e]rkatzgen kan man daß sprichwordt sagen, daß es lincks undt rechts ist, wie eine closterkatz. Alle tags donnerts hir, stelt aber nur poßen ahn, hatt einem weibsmensch den gantzen ermel von leib abgebrendt, ohn ihr den geringsten schaden zu thun. Derselbe schlag hatt einem man den degenknopff verschmoltzen, die spitz vom degen undt sonst gar keinen schaden gethan. Einen officirer von den invaliden, so einen blauen rock tragen mitt ein[e]r silbernen schnur undt silberne knopff, der donner hatt alle daß silber abgezogen undt die seyden allein gelaßen sowoll von der silbern schnur alß knopffen, sie sey[n]dt gar nicht verbrendt. Die bawern hir glauben, wen so waß geschicht, daßen[13] hexenmeister im donner stecken, welches ich gar nicht glaube, den ich glaube ahn keine hexerey[14]. Alle tag donnerts schir, aber nicht gar starck. Alle tag, oder vielmehr alle nacht regnets hir. Ich glaube, daß es diß jahr gar schlechten wein geben wirdt; den der kochmont ist gar nicht warm. Ich dancke Eüch gar sehr vor die schönne medaille von der keyßerin Eleonore. Es seindt viel leütte, die den kopff so widerlich strack halten, wie dieß contrefait, unter andern mein enckel, mademoiselle de Mon[t]pensier; daß macht daß kindt so widerlich, daß man es nicht außstehen kan[15]. Ich fürchte, Ihr werdet Eüch mitt Ewerer continuirlichen liberalitet gantz meinetwegen ruiniren; daß solte mir hertzlich leydt sein. Wahrt[16], biß daß die banquen wider eingericht sein! alßden will ich es lieber ahnnehmen. Mich deücht, es ist wider gantz still von der churprintzeßin von Saxsen schwanger[schaft]. Daß geschrey, daß [249] vetter Wilhelm von dem könig in Schweden, seinen herrn bruder, zum generalissimus gemacht worden, hatt man hir auch gesagt; aber nun sagt man, die Schweden hetten es nicht zugeben wollen[17]. Die Schweden seindt wunderliche köpffe. Mein vetter, der regierende landtgraff, hatt mich rahts gefragt, umb einen von seines h[errn] bruders söhnen hir in krigsdinsten zu thun; ich habe es I. L. aber durchauß widerrahten, habe gutte uhrsachen dazu. Ich weiß aber nicht, ob I. L. meinen trewen raht folgen werden. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Biß sontag, wo mir gott leben verleyet, will ich Eüch verzehlen, wie meine zwey reißen werden abgangen sein. Adieu! ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 246–249
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1150.html
Änderungsstand:
Tintenfass