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Brief vom 24. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1151.


[249]
St Clou den 24 Augusti 1720 (N. 21).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen donnerstag hatt man mir ahm relais Ewer liebes schreiben vom 10, no 62, geben undt dabey noch einen von der armen mademoiselle de Malausse[1], welche mich einen so betrübten brieff geschriben, daß ich recht von hertzen drüber betrübt worden undt geweint habe. Ich schicke Eüch hirbey die copie von dießem betrübten brieff[2], liebe Louise! Ich zweyffle, daß Ihr es, ohne attandrirt zu werden, leßen könt. Waß man zu Paris außgebreydt, ist noch woll daußendtmahl ärger, alß waß in den zeittung[en] stehet. Heütte morgen habe ich noch einen ohne unterschriebenen[3] brieff entpfangen, worin stehet, daß man mich hir in St Clou zukünfftigen mont mitt gantz St Clou verbrenen wirdt undt meinen sohn zu Paris, damitt nichts in der weldt von ihm überig bleiben möge[4]. Daß seindt lustige undt artliche pouletten[5], wie Ihr, liebe Louise, segt[6]. Vor mir ist mir gar nicht angst, aber woll vor meinem sohn; den die leütte seindt hir gar zu boßhafft undt verflucht. Es ist doch gar kein artiges, noch lustiges leben, so man hir führt, wie Ihr, liebe Louise, leicht gedencken [250] könt; es verley[d]et einem daß leben recht. Daß war woll ohnnöhtig, liebe Louise, daß Ihr den zeittungsschreiber fragen last, wo er seine böße zeittungen her hatt; wen er daß nachsagen solte, würde er seine pratiquen[7] verliehren. Aber daß alles kompt auß einem faß undt wir kenen hir alle meines sohns feinde, also nicht schwer zu rahten, wo die pasquillen herkommen. Es macht einem daß leben so satt, alß wen mans mitt löfflen gefreßen hette, wie die fraw von Harling alß pflegte zu sagen[8], wie sie meine hoffmeisterin war. Ich gestehe, liebe Louise, daß ich nicht gerne habe, daß man mir waß verhehlt. Es ist beßer, alles zu wißen; man kan seine parthie in alles beßer nehmen, wen man weiß, waß vorgeht undt waß man sagt[9]. Mein brieff von 7 wirdt woll verlohren bleiben, daß vom 1 ist noch zimblich recht ahnkommen undt nichts zu klagen, wen die brieffe nur 10 tage unterwegen sein. Gleich nach dem eßen habe ich Ewer liebes schreiben von 12 dießes monts, no 63, zu recht [empfangen], werde es aber vor die andere post sparen undt komme nun nur auff daß, so ich heütte morgen ahngefangen habe. So gritlich ich auch bin, so habe ich doch lachen müßen, daß die courier so estourdie[10] geweßen undt die feleyßen verweckselt; daß were artig geweßen, wen man einem jeden seinen brieff wider geschickt hette. Es ist doch gutt, daß der landtgraff von Rheinfels woll mitt sein[e]r gemahlin lebt. Wen [es] nur dawert! Aber daß teütsche sprichwordt sagt: Kraußen kopff kraußen sin, also zu fürchten, daß es nicht allezeit dawern wirdt; sein genie ist nicht trenchent[11], so viel ich hir ahn ihm verspürt habe. Der printz von Sultzbach, so wir hir gehabt, bildt sich gar nicht ein, daß er verstandt hatt, undt ist nicht, waß man hir entendus[12] heist, contrarie es ist daß beste kindt von der weldt, ein rechter gutter bub; er hatt ein hübsch gesicht, wo er nicht geendert ist, undt gleicht ahn mademoiselle de Clermont sehr. Von deß groß herr vatters verstandt [habe ich] gehört; aber wie hatt so ein verstandiger herr so einen albern sohn haben können? Jedoch so sicht man offt dergleichen in dießer welt, daß sotte[13] leütte verständige kinder haben undt verständige eltern albere kinder haben. Der fürst von [251] Sultzbach würde übel thun, sich wider zu heürahten; den daß wirdt ein hauffen arme pfaltzgräffen wider daher setzen; das ist mir unleydtlich. Aber daß werde ich doch, gott lob, nicht erleben, insonderheit wo man mich den zukünfftigen mont verbrendt, wie man mir gedreuet hatt. Der duc de Richelieu ist nicht mitt mademoiselle Charoloy[14] geheüraht undt kan es nicht sein; den es ist eine ordonance gemacht von Louis 13, worinen stehet, daß, waß von königlichem geblüdt, weder weibs- noch manspersonnen heüraht gültig sein kan ohne deß regirenden königs erlaubnuß, undt ordre, einen heüraht gleich zu brechen, so baldt man es erfahren würde. Also segt Ihr woll, daß sie ohnmöglich geheüraht sein, waß sie auch gethan mag haben. Der duc de Modene hatt dem duc de Charolois[15] seine dochter abgeschlagen[16], auß keiner andern ursach, alß weillen er die jüngste schwester, so man begehrt, nicht vor der elsten heürahten solle, welches in meinem sin eine große thorheit ist; bin gewiß, daß es ihm gereüen wirdt. Ich glaube, man hatt die ursach von den blüttigen ähren recht errahten; den zu unßern zeitten verendern sich die menschen nicht mehr in pflantzen, alß wie zu Æneas zeitten, da er deß Polidore bludt noch in einem abgerißen[en] ast fandt von einen baum[17]. Vor die letzte schönne medaille dancke [252] ich nochmahlen gar sehr. Ach, liebe Louise, sagt nicht, daß Ihr [253] mir zu nichts nutz seydt! Den erstlich so seydt Ihr mir noch ein [254] trost, daß noch etwaß von meinem herr vatter s. bey leben ist undt mich lieb hatt, zum andern so divertirt Ihr mich ja alle post, zu verzehlen, waß in Teütschlandt vorgeht, welches ich sonsten nicht wißen konte, insonderheit im vatterlandt, undt zum 3ten so hab ich ja auch[18] so lieb, alß Ihr es wünschen könt, also ist ja gar unnöhtig, zu sagen, daß Ihr mir zu nichts nutz seydt. Es wundert mich, weillen monsieur Suthon[19] curieux ist undt die medaillen gern sicht undt verstehet, daß er die meinen nicht zu sehen begehrt. Er denckt vielleicht, weillen er lang hir wirdt sein, daß er zeit genung dazu finden wirdt. Es ist ein reverie[20], die Eüch ahnkompt, liebe Louise, Eüch einzubilden, daß Ihr klecken in Ewern brieff gemacht; er[21] war kein eintziger drin. Ewer liebes schreiben von no 62 vom 10 ist vollig beantwortet; weillen ich aber noch ein altes habe vor donnerstag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, so will ich dießen abendt noch auff Ewer kleines frisches briffgen von 12, no 63, andtwortten. Es ist doch wunderlich, daß Ihr nun meine schreiben nach einander entpfanget undt daß das von 7, no 7, doch noch alß außbleibt. Ewere reiße nach Geyßenheim wirdt dießmahl kurtz sein. Meine ruhe hir ist nicht viel länger; wie Ihr auß dießem schreiben ersehen werdet. Ich bin gewiß, daß Ihr mademoiselle de Malause brieff nicht werdet ohne threnen [lesen] können wegen ihres standthafftigen glauben; sie ist glücklich, in den todtsangsten keine forcht zu haben. Ich habe heütte einen frischen brieff von der lieben printzes von Wallis bekommen; die schreibt mir, daß man mademoiselle de Malausse außer gefahr helt, welches mich hertzlich erfrewet. Ihr werdet mir einen gefahlen thun, Eüch zu informiren, wo der gutte, ehrliche undt gar geschickte Rousseau hingekommen ist[22]. Wo mir recht ist, so hatt mir jemandts gesagt, er were in der Schweitz. Er mahlt über die maßen woll en fresque undt designirt gar schön. Alle die, [255] so die orangerie hir sehen, admiriren es. Hiemitt ist Ewer zweytes schreiben auch völlig beantwordet undt wir haben nichts neües, alß daß ein gar ehrlicher man, so monsieur du Vergay hieße undt commissaire ordonateur de la marine [war], vorgestern nachts dans la rüe du [bout] du monde assasinirt worden. Man hatt ihn vor einen andern ahngesehen, welches man daher weiß, daß man gehört, daß man ihm zugeruffen: Adieu, monsieur Simon! knal undt fall eins. Die assasinats werden gar gemein zu Paris; man hört gar offt dergleichen seyder ein jahr her. Adieu, hertzallerliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte ich[23] allezeit recht lieb.
Copie de la lettre de mademoiselle de Malausse[24].
Madame,
Les bontés don[t] votre Altesse Royalle m’a toujours honorée, me font prandre la liberté à l’agonie, d’avoir l’honneur de l’assure[r], que je meur[s] remplie de reconnoissance et de confiance, que pour l’amour de moy el[l]e honorera mes trois neveux, ma nièce et sa fille de sa puissante protection et qu’elle leurs en donnera des marques et faira que monseigneur le Régent les comblera de ses bontés. Je finy ma vie en faisant des vœux très ardans pour vos Altesses Royalles et pour que Dieu les comble et tout ce qui leur ap[p]artien[t] de ses plus sainte[s] bénédiction[s], surtout les spirituelles, car les temporelles ne sont rien. C’est ce que je san[25] bien vivement à présent, que Dieu me fait la grâce de mourir sans douleur et avec un espoir si libre, que je ne fais que le bénir de sa grande miséricorde de m’avoir fait naître dans sa sainte religion et de m’avoir ac[c]ordé la grâce d’y persévérer et celle d’y mourir, comme j’espaire[26], dans peu d’heure[s] en imploran[t] la très sainte Trinité de me pardonner tous mes péchés par le sang de mon divin Redamteur, en qui seul je mais[27] ma confiance. Dieu ve[u]ille, Madame, don[n]er à Votre A. R. les mesme[s] sentimens! Mon zelle[28] pour elle me fait prandre cette liberté et celle de la [256] sup[p]lier très humblement d’excuser toutes mes fautes et d’estre persuadé[e] que jamais personne n’a eüe pour V. A. R. un at[t]achement plus sinsère[29], que celle qui a l’honneur d’estre avec un profont[30] respect,
Madame,
De Votre Altesse Royalle
La très humble, très obéissante
Et très fidelle servante
Charlotte Bourbon.
ce mardy 13e août 1720.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 249–256
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1151.html
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