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Brief vom 28. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1152.


[256]
St Clou den mitwo[ch], 28 Augusti 1720 (N. 22).
Hertzallerliebe Louisse, der postmeister hatt mir sagen laßen, daß die posten gantz geendert sein undt daß ich ahnstatt donnerstag abendts undt sontag abendts meine paquetten mitwog abendts undt sambstag abendts schicken müste, welches leicht zu thun ist, fange also heütte dieße neüe ordre ahn. Letzte post habe ich auff Ewere 2 letzte schreiben geantwortet, nun komme ich auff waß mir noch über ist von Ewern alten lieben schreiben, so ich bißher nicht habe beantwortten können, vom 9ten Julli, no 53. Ich war geblieben, wo Ihr mir sagt, daß Ihr hinter Ewerm hauß die mussiq von den jagthörnern gehört habt, die melancolisch war, aber waß man lustige melodien heist, alß menuets undt rigaudons[1], die kan ich vor meinen todt nicht leyden. Dieße melodeyen haben mir die operaen verlaydt undt es geht mir wie monsieur Grichard le grondeur[2], ich liebe la dance grave et tres grave. Der hertzog von Mecklenburg, wen er in gedancken saß undt man ihn fragte, [257] woran er dächte, sagte er: Paix! je donne audiance a mes pensées. Seine zweyte gemahlin konte es beßer thun; den sie hatte mehr verstandt, alß er. Es war doch eine wunderliche sach mitt dießem herrn, er war woll erzogen, konte über die maßen woll sprechen; man konte ihm kein unrecht geben, wen man ihn hörte, aber in alles, was er tat, war [er] arger, alß kein kindt von 6 jahren thun könte. Er klagte mir einmahl sein leydt, ich andtwortete nichts drauff. Er fragte mich, warumb ich nichts andtwortete; ich sagte blat herauß: Waß solle ich E. L. sagen? Sie sprechen über die maßen woll, aber Sie thun nicht, wie Sie reden, undt Ihre gantze conduitte ist erbärmlich undt machen [Sich] in gantz Franckreich außlachen. Er wurde böß undt ging weg. Aber ich sagte ihm dießes, weillen er wenig tag vorher dem könig eine audientz gefordert hette[3]. Der könig meinte, er hette von affairen mitt ihm zu tractiren, ließ ihn in sein cabinet allein kommen; so sicht er den könig ahn undt sagt: Sire, je vous trouve cru despuis que je n’ay eüe l’honneur de vous voir. Der könig andtwortete: Je ne croyes pas estre en age de croistre; den der könig war damahlen 35 jahr alt. Darnach sagte er: Sire, vous aves bien bonne mine; tout le monde trouve que je vous ressemble, mais que j’ay encore mellieure mine que vous. Der könig lachte undt sagt: Cela peust bien estre. Damitt ging er wider weg. War daß nicht eine schönne audientz? Der könig konte so hertzlich lachen, wen er es verzehlt. Aber hiemitt genung von diesen herrn gesprochen! Ich hoffe, daß dieß trait d’histoire Eüch ein wenig wirdt lachen machen; komme jetzt wider auff Ewer liebes schreiben. Ich bin gern in Ewern gedancken undt habe glauben ahn Ewerm gebett undt bin persuadirt, daß der allmächtige eher die puren undt fromme seelen, wie Ihr, liebe Louise, seydt, erhöret, alß andere[4]. Ewere[r] niepce wünsche ich eine glückliche niederkunfft. Wen sie nur bey dem gar-mager-sein ihr stärcke behält! den es gehört stärcke, woll ins kindtbett zu kommen. Waß mich förchten macht, daß ihre gesundtheit nicht zum besten ist, ist, daß sie bitter übel außsehen solle; doch habe ich gehört, daß, wen schwangere weiber übel außsehen, daß es ist, daß die kinder alle kräfften ahn sich ziehen undt gar [258] gesundt sein, also glückliche niederkunfft gibt, welches ich von hertzen wünsche. Ich weiß nicht, wo monsieur Le Fevre hinkommen; will morgen nach ihm fragen. Er hatt mir letztmahl gesagt, er würde baldt weg, hatt mir auch einen brieff gefordert ahn unßere liebe printzes von Wallis. Ich schriebe einen brieff von 24 seytten, meinte, er würde ihn abhollen; ich habe aber nichts von ihm gehört undt gesehen, fürchte, er seye kranck worden. Wo mir gott daß leben erhelt, werde ich Eüch biß sambstag berichten, wie es mitt [ihm] bestelt ist. Ihr habt woll groß recht, liebe Louise, daß man sich in dießer welt über nichts recht erfrewen kan undt alles gar unvolkommen ist. Von den affairen kan ich nicht sprechen, den ich verstehe es gantz undt gar nicht. Daß printz Wilhelm nach Englandt gangen, war ein mißverstandt; ich hatte es übel geleßen. Er hatt nun wider einen jungen printzen bekomen; gott wolle ihn erhalten zu deß gantzen hauß trost! Seine gemahlin ist den 14 dießes monts ins kindtbett kommen. Printz Wilhelm ist nun wider auff seiner rückreiß begriffen, soll baldt wider zu Cassel sein. Ich habe all mein leben gehört, daß nichts ungerahtners ist, alß pfarerkinder. Von monsieur Francheville werde ich nichts sagen, den ich kenne ihn nicht undt glaube nicht, daß ich ihn mein leben gesehen habe[5]. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 9 Julli vollig beantwordet. Ich habe noch eines vom 29 Juni, no 50, so unbeantwortet geblieben. Dießes ist zu alt, umb artickelweiß drauff zu [antworten]; will doch hir undt dar noch von waß sprechen, alß nehmblich daß sie der dock[t]or Bruner gar woll zu Hannover[6] undt den printz Friderich, gott lob, courirt hatt, wie mir monsieur Harling undt baron Goertz schreiben. Zu Ewere gutte wünsche vor dießem printzen, liebe Louise, sage ich von hertzen amen. Zu Modene soll es doll zugehen, sollen wie hundt undt katzen sein undt sich offt zancken, welches mir kein wunder gibt; den ich kene den dollen, übel gezogenen undt verwehnten kopff von mein enckel[7] nur gar zu woll. Ich forcht, es wirdt auff ein greülich lamie [259] außgehen[8]. Unßer hertzogin von Hannover ist den 20 von dar weg, umb zu ihrer keyßerin zu reißen im Tirol[9]. Ihr habt woll groß recht, gott lob zu sagen undt gott zu dancken, nicht geheüraht zu sein; den die besten[10] deügen den teüffel nicht[11]. Ich bin weder hübsch, jung noch reich, aber wen ich alle 3 be[i]samen [wäre] undt ein schönner, woll geschaffner keyßer mich wolte, würde ich es in gnaden abschlagen. Daß ist alles, waß ich auff dießen alten brieff sagen werde. Ich will Eüch nun meine reiße von donnerstag verzehlen; aber ich erinere mich jetzt, daß ich es schon vergangen sontag geschrieben. Ich weiß gar nichts neües, also muß ich vor dießmahl schließen. Morgen werde ich erst Ewer liebes schreiben bekommen, so ich, wo mir gott daß leben undt gesundtheit verleyet, biß sambstag beantworten [werde]. Adieu, liebe Louisse, Es ist auch zeit, daß ich mich ahnziehe, in kirch undt ahn taffel gehe. Nach dem eßen werde ich nach Madrit[12] spatziren fahren! undt wen ich wieder werde gekommen sein, werde ich ahn unßere hertzogin von Hannover schreiben. Adieu, liebe Louise! seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt all mein leben behalten werde!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 256–259
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1152.html
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