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Brief vom 31. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1153.


[259]
St Clou den 31 Augusti 1720 (N. 23).
Hertzallerliebe Louise, man hatt mir abermahl von der post sagen [laßen], daß die donnerstagspost, so den freytag morgendts gar früh weggeht, wieder eingericht ist; also werde ich Eüch wie ordinarie alle donnerstag schreiben. Die sontagspost ist geendert, wirdt nicht mehr, wie sie sagen, montag morgendts weggehen, sondern den sontag; also werde ich Eüch liebe Louisse, hinfüro alle sambstag schreiben. Vergangen donnerstag habe ich Ewer liebes schreiben vom 17 Augusti, no 64, gar woll entpfangen, war doch, wie Ihr segt[1], 12 gutter tag alt. Mich deücht, vor dießem wahren [260] sie nur 9 tag unterwegen, aber alles geht nun drunter undt drüber; daß macht einem daß leben müht. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben andtworte. Bißher ist nichts neües vorgangen, ob sich zwar daß parlement zu Pontoisse noch maußig macht. Mein sohn ist, wie Moses, eine geplagte seel, hatt also nicht allein gutte wünsche, wovor ich Eüch, liebe Louise, sehr dancke, von nohten, sondern auch frommer seelen gebett[2]. So lang die regence dawern wirdt, muß er ahn keine ruhe gedencken, hatt noch 3thalb jahr vor sich, umb zu leyden. Man thut woll alles, waß man kan, meinem sohn zu widerstehen. Ich mögte also woll eher selbsten drauff gehen, alß recht auß angsten [kommen]. Gestern morgen umb halb 7, alß ich mich hieher setzte, umb ahn die printzessin von Wallis zu schreiben undt meine fenster auffmachen ließe, wie ich alle tag thue, umb frische morgenlufft zu schöpffen, undt die schönne außsicht betrachtete, sahe ich einen abscheülichen schwartzen dicken rauch sich erheben geraht, wo ich weiß, daß das Palais-Royal ist, undt [ich erinnerte mich], wie ich vor 6 tagen eben wider einen brieff ohne unterschriefft entpfangen, worinnen stundt, daß man meinen sohn mitt sein[e]r gantzen famille im Palais-Royal verbrenen wolle[3]. Wie ich also den abscheülichen rauch dort sahe, glaubte ich, daß man daß Palais-Royal ahngezündt hette, erwartete also mitt verlangen undt ängsten, daß jemandts von Paris kommen mögte. Ich wartte aber nicht lang, da kammen von meinen leütten von Paris undt sagten mir, daß das fewer zwar abscheülich were, aber, gott seye danck, nicht im Palais-Royal, sondern im vieux Louvre undt in der rüe de Fromanteau[4], so geratt gegen dem Palais-Royal undt opera über ist; hatte also nicht unrecht gesehen. Daß feüer ist bey deß königs hoffschreiners provission[5] ahngangen. Ein kerl, so tapack geschmaucht, hatt daß endt von seiner tapackspfeiff auff die bretter geworffen, die gar drucken[6] wahren; daß hatt ahnfangen, nachts zu brenen, ohne daß mans war genohmen, gegen 5 aber ist die flame lichterlau[7] außgeschlagen. Es solle vor ein million vorraht verbrandt sein[8]. Es war, gott lob, kein windt, sonsten hette daß Louver undt [261] Palais-Royal verbrenen können. Alleweill kompt man mir sagen, daß das feüer noch in den kellern brendt; den es war ein[e] provission von kohlen drin, die seindt ahngangen. Man hofft doch, daß es nicht weitter gehen wirdt. Ich wünsche woll von hertzen, daß gott der allmächtige den armen Heydelberger[n] beystehen möge undt des churfürsten augen öffnen, damitt er erkenen mag, wie die verfluchte pfaffen ihn gegen sein eygen interesse rahten, seine unterthanen zu quellen, welches gegen gott undt der welt ist. Wir haben in Franckreich eine abscheüliche pest nun zu Marseille[9], Arle[s] undt Aix[10]. Gott bewahre, daß es nicht herkommen mag! Könte mir also woll gehen, wie dem könig von Böhmen, unßer groß herr vatter, zu Maintz, wo er, wie Ihr woll wist, ahn der pest gestorben ist[11]. Ich muß aber nun auch meine pausse machen. Waß mir zeit benohmen, ist, daß ich heütte meine 12 capittel geleßen undt wie ich eben daß evangellium von sanct Lucas ahngefangen, wo die zwey ersten capittel sehr lang sein; daß hatt mir zeit benohmen. Dießen abendt aber wen ich wider von Madrit werde kommen sein, hoffe ich auff alles von Ewern lieben schreiben beantwortten[12]; nur noch sagen, daß ich wünsche, daß man Eüch eine ahngenehme surprisse machen wirdt undt die versprochene zettel bezahlen. [262]
Sambstag umb halb 3 nachmittags.
Da komme ich eben von taffel undt werde Eüch noch entreteniren, biß meine kutschen kommen. Die pest mögte noch woll wider nach Manheim kommen, wie sie zu meiner zeit war, welches ich mein leben nicht vergeßen kan; daß hatte auch mitt fleckenfieber ahngefangen. Daß gelt wirdt baldt eben so rar in Englandt werden, alß hir; den man versichert, daß [durch] die santsée[13] eben so viel unruhe undt raritet im gelt zuwegen gebracht wirdt, alß hir immer. Aber da kommen meine kutschen herein, ich werde nach Madrit, undt wen ich wieder werde kommen sein, hoffe ich dießen brieff außzuschr[e]iben.
Sambstag umb halb 7 abendts.
Da komme ich eben von Madrit undt werde nun fleißig schreiben. Ich habe mich überall erkundiget, ob nichts neües vorhanden; aber es ist gar nichts vorhanden. Der duc de Villeroy, der duc de Guiche, der duc de Bouffler[s] seindt nach Madrit kommen, umb [mit] mir deß zweytten sohns vom duc de Villeroy, deß marquis d’Allincour[t],[14] heürahtscontract zu unterschreiben, welcher deß jungen ducs de Bouffier[s] schwester heüraht[15]. Der duc de Guiche ist der marechalle de Bouffier[s] ihr bruder, seindt bey[d]e deß ducs de Gramont seine kinder. Daß ist alles, waß ich neües weiß. Ich komme jetzt wieder auff Ewer liebes schreiben, wo ich geblieben war. Ich wolte auch, daß man Eüch viel in Englandt schuldig were. In dießem augenblick bringt mir mein schatzmeister eine gutte zeittung sagen, [263] nehmblich daß mein sohn ein ordre ertheilt, daß man mir alle woch gelt geben solle; hatt mir daß ordre gewießen. Daß war hoch nöhtig; den meine leütte hatten mir ahngekündtet, daß sie mir nicht mehr ohne gelt zu eßen geben könten; also ist dieße zeittung gar gutt. Ich haße die interessirte pößger[16]; daß schmiren stehet mir nicht. Apropo von schmiren, man hatt hir dem monsieur Le Fevre die hände praff schmir[e]n wollen, allein er hatt alß ein ehrlicher man gehalten undt nichts wollen nehmen; man hatt ihm biß auff 20/m thaller ahngebotten undt einen demandt von 10/m thaller, hatt nichts genohmen, hatt sich dadurch ein grob[17] lob hir erworben[18]. Morgen früh wirdt er wider nach Englandt. Ich zweyffle nicht, daß er Eüch heütte noch schreiben wirdt undt von seinen geschäfften rechenschafft geben. Mein tag habe ich nie so viel von interessen gehört, alß nun; daß finde ich recht eckelhafft. Ich sehe meinen sohn so müde von regieren, daß ich glaube, daß er noch ein größer königreich, alß daß von Arelat, abschlagen würde[19]. Ich bin sehr ingnorent; den ich habe gar kein gedächtnuß undt seyder meinen kinderblatter[n] hatt es noch gar sehr abgenohmen; daß macht mich alß fürchten, daß ich baldt kindisch werde werden, den daß fängt ordinarie bey dem bößen gedächtnuß ahn. Ihr habt noch zeit vor Eüch, liebe Louise, aber meine tage seindt schrecklich verschließen. Aber ich wolte keine zehn jahr jünger sein, alß ich bin; man wirdt deß lebens greülich müht undt satt. Daß alter lest sich fühlen, wen man über die 50 ist; es ist gewiß, daß, so [ge]sundt man auch sein mag, so entpfindt man doch, daß die kräfften abnehmen. Daß ist eine reglirte sache, daß, wer in dieße welt kompt, muß sterben, cela est bien desobligent[20]. Seyder 3 tagen fengt daß wetter wider ahn, gutt zu werden. Wir haben hir gar viel regen gehabt. Der regen von Geissenheim hatt Eüch erwießen, wie leydt es Geissenheim war, daß Ihr weg zogt, undt der sonnenschein zu Franckfort hatt Eüch in nahmen der Franckforter erwießen, wie froh sie wahren, Eüch liebe Louise, wider zu haben. Es ist gewiß, daß es betrübt ist, kinder zu verliehren; aber mich deücht, man kan sichs doch baldt [264] wieder getrosten, wen es figuren sein, wie der hinckende graff Perlips war. Die alte graffin Berlips solle gar viel verstandt haben, hatt sich aber schrecklich in Spanien verhast gemacht. Sie ist doch nicht so schlim, alß der verfluchte Alberoni. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr über, zu sagen, alß wie ich bin undt gar gewiß verbleibe, so lang ich lebe, die person von der welt, so Eüch, hertzallerliebe Louise, ahm liebsten hatt undt allezeit haben wirdt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 259–264
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1153.html
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