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Brief vom 7. September 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1155.


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St Clou den 7 September 1720 (N. 25).
Hertzallerliebe Louise, da komme ich nun, wie ich Eüch vorgestern versprochen habe, umb auff Ewer liebes schreiben vom 24 Augusti, no 66, zu antwortten. Ich bin heütte gar spät auffgestanden. Es ist auch mein leßtag, also fang ich gar spät ahn, zu schreiben; den es ist schon nahe bey 3/4 auff 11. Man sagt im frantzöschen sprichwort: A quelque chose malheur est bon. So geht es jetzt auch; den hette ich einen großen brieff von Eüch, liebe Louise, entpfangen, hette ich ihn ohnmöglich heütte beantwortten können. Heütte habe ich gar viel zu thun, ich muß mich ahnziehen, in kirch gehen, eßen, nach dem eßen umb 3 uhr habe[1] ich eine audientz vom schwedischen ambassadeur, dem graffen Bielcke[2], haben, hernach werde ich nach Madrit zu Chausseray[e], dort braff spatziren undt spät widerkommen; will heütte frühe nach bett gehen, umb die donnerstag- undt freytags-nächte wider zu ersetzen, da ich erst umb 12 uhr nach bett bin. Gestern habe ich 20 bogen auff teütsch ahn die printzes von Wallis geschrieben undt nur auff die helffte von ihrem schreiben andtwortten können; den es kam ein courier von Lotteringen, mitt dem muste ich einen großen brieff ahn meine dochter schreiben. Ich hatte morgendts schon 2 brieffe geschrieben, einen ahn die gutte mademoiselle de Malause, umb mich mitt ihr über ihre geneßung zu erfreüen. Ich bin in der that recht fro, daß sie nicht gestorben ist; waß mich aber hatt doch lachen machen, ist, daß sie die duchesse de Choresboury[3] hatt hollen laßen undt ihr so gepredigt, daß dieße sich so zerweint, daß sie die vapeurs davon bekommen undt so kranck geworden, daß sie daß bett hatt hütten müßen. Daß ist mir recht possirlich vorkommen; den ich weiß, welche eine dolle humel dieße duchesse de Chossboury ist. Es [269] seindt leütte hir, so sie in Ittallien gekandt haben, die schönne historien von ihr verzehlen. Ich bin auch in meinem schreiben unerhört gestern interompirt worden. Ich war bey dem schönsten wetter von der welt expresse nicht außgangen in hoffnung, f[r]üher schlaffen zu gehen, allein ich wurde accablirt von vissitten. Die duchesse de Melfort[4] kame mitt Skelton[5][6] undt seine schwester, der envoyes vom czaar kam mitt seiner fraw undt dochter, der herr von Schleunitz. Sie haben hir in der nachbarschafft gantz ahn dießem parq hir ein heüsgen geheürt[7], daß sie den sommer zubringen, kommen offt her, seindt gutte leütte. Deß schwedischen secretarius fraw die kam auch mitt madame la Bare. Dieße letzte kan nicht genung rühmen, wie gnädig Ihr, liebe Louise, sie tractirt habt. Sie sagt, Ihr hettet 4 von meinen contrefaitten undt gefragt, welches ahm besten gleiche. Hir ein wordt, da ein par wordt, damitt geht die zeit geschwindt vorbey. Ich hatte auch nachmittags ein wenig undt stündtgen nachmittags geschlaffen[8], war auch im abendtgebett gewest. Daß hatt mich alles zusamen so spätt nach bett geführt. Monsieur Teray, so heütte kommen wirdt, wirdt mich braff filtzen; aber waß sein muß, muß sein. Alles geht wunderlich zu Paris zu; man hört nur klagen undt lamantiren, daß ist eine langweillige sache auff die länge. Gutte gebetter haben wir hoch von nöhten, liebe Louise! Zu Lion[9] ist gar keine böße krankheit, aber woll zu Marseille undt umb die gegen[d][10]. Ein dorff, so Vittrol[11] heist, ist so außgestorben, daß keine seele drin geblieben ist. Zu Marseille nimbt die pest sehr ab. Sie couriren die pestiferirten mitt l’emetique[12]. Es ist nicht die pest, so geschwer macht, sondern die, so man die pest von Siam heist, welche ebensosehr ahnsteckt, alß die ander; die leütte bekommen hitzige fieber, darnach sprützt ihnen daß bludt auß den augen, naßen undt [270] adern im gesicht, sterben so; andere, denen wirdt die naß, die augen undt mundt kohlschwartz undt fallen maußtodt dahin. Daß beste von dießen allen deücht nicht viel. Hir gibt es viel fieber. Mein Harling hatt gar ein starck 3tagig fieber, nimbt quinquina[13], nachdem man ihn starck purgirt hatt. Ich glaube, er hatt sich zu sehr mitt der jagt erhitzt, felthüner zu schießen gehen undt caninger. Gar offt habe ich schmertzen in den knien; daß liebe alter weist sich in allen stücken. Waß will man thun? es ist der welt lauff. Der Rotzenheusserin ihr dochterman hatt schir alles wider verdorben bey seiner schwigermutter, waß ich gutt gemacht hatte[14]. Man ist schuldig, sein bestes zu thun in dießer welt, weillen wir ja Christen sein wollen. Der graff von Hannau hatt es gar zu heßlich gemacht, hatt der armen Rotzenheusserin alte billiet geschickt, woran sie verliehren muß[15]; daß ist gar nicht loblich, ich hatte beßer opinion von ihm. Aber da schlegt die uhr, ich muß mich ahnziehen. Dießen abendt werde ich dießen brieff gantz außschreiben, wen ich von Madrit werde kommen sein.
Sambstag umb 4/3 auff 3 nachmittags.
Da kommen wir von taffel undt ich hoffe, noch meinen brieff außzuschreiben können.
Den sambstag umb halb 8 abendts.
Ich habe dießen nachmittag unmöglich zum schreiben wider gelangen können; es haben mich gar zu viel leütte interompirt. Ich habe auch in kirch gemüst, nach der kirch habe ich die audientz von graff Bielcke gehabt. Nach der audientz bin ich nach Madrit, wo Chausseray[e] [wohnt]; die hatt mich recht erdapt; sie sagte mir gantz drucken: Dans l’allée de la conversation des passant dans le bois il fera bon escoutter aujourdhuy, car il y a des gens qui mangent et boivent dans le bois, et on dit mesme de la mussique. Ich ging eyllendts, meinte in der that, daß es leütte wehren, wie gar offt geschicht, so in dem holtz colationnirten. Wie ich hinkam, sahe ich in der that eine taffel gedeckt undt 7 oder 8 kerl, so saßen undt druncken, aßen undt sungen. Sie stunden auff; wie [271] sie sich herumbthrehten, sahe ich, daß es die violons von des königs mussiq war[en]. Da merckte ich woll, daß es ein ahngestelter handel war. Sie spilten über die maßen woll. Aber daß erinerte mich so sehr ahn die vergangen zeitten gedencken[16], ahn alle festen, so wir zu deß königs undt der königin zeitten auff dem canal gehabt haben, daß mir die threnen drüber in den augen kommen sein. Ich muß gestehen, daß mich die musiq gar nicht mehr lustig macht, sondern es erin[e]rt mich ahn lautter trawerige sachen, daß ich gantz nachdenckisch undt trawerig davon werde. Aber last es[17] von waß anderst sprechen! Ich weiß gar nichts neües, komme also wieder auff Ewer liebes schreiben, wo wir geblieben wahren, nehmblich ahn den graff von Hannaw. Da wolt ich woll gutt vor sein, daß Ihr kein solche that Ewer leben thun würdet, wie daß stück, so der graff ahn Lenor gethan. Ich weiß nicht, wie er sich nicht abscheülich davor schämbt; den es ist recht schimpfflich vor einen solchen herrn. Daß ist [eine] mühsam affaire, [einen] brieff ahn den keyßer zu schreiben; aber ein jedeß weiß, wo ihn der schue drückt Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet; bleibt mir nur noch überig, zu versichern, wie daß ich Eüch allezeit recht von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. September 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 268–271
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1155.html
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