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Brief vom 14. September 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1157.


[274]
St Clou den 14 September 1720 (N. 27).
Hertzallerliebe Louise, wo mir recht ist, habe ich Eüch [275] vorgestern, alß vergangen donn[e]rstag, meine gantze reiße von Paris verzehlt. Seyderdem habe ich nichts neües erfahren, werde also heütte nur andtwortten von waß mir noch von Ewerm lieben schreiben vom 31 August, no 68, überig ist. Ewere neveux solten gewiß woll mitt monsieur Le Fevre zufrieden sein; den ich bin zeüge, daß er all sein bestes gethan hatt. Daß es aber nicht so woll abgangen, alß er es gewünscht, ist woll seine schuldt nicht, undt er ist nicht der e[i]ntzige, so zu beklagen ist, hatt viel hundert cammerrahten; aber er hatt in allem sein bestes gethan. Auff daß unglück von Chalong[1] habe ich letztmahl geantwortet. Ich sehe, liebe Louise, daß Ihr den donner ebensowenig alß ich fürchte[t]. Man lernt zu Heydelberg, sich ahn den donner zu gewohnen; den da donnersts[2] offt genung. Ich weiß nicht mehr, wer es war, aber es fragt mich letztmahl einer, ob es zu meiner zeit so offt zu Heydelberg gedonnert hette, alß nun, daß ich den donner so wenig förchte. Ich lachte undt sagte: Ich bin zu sehr ahn starcke wetter gewohnt, umb die hießige zu förchten, so gar nicht starck sein. Dabey ist woll nichts anderst zu thun, alß sich gott ergeben undt im überigen ruhig sein undt sich selber nicht durch ohnnohtige ängsten zu plagen. Ich finde auch, daß es diß jahr viel offter gedonnert hatt, alß man in langen jahren gehört; vergangen [jahr], da so eine abscheüliche hitz war, hatt es gar selten gedonnert, nur den tag, wie die duchesse de Berry [starb], war ein zimblich starck wetter[3]. Weiß nicht, ob man in jener welt auch stück[4] löst, wen große herrn ahnkommen; glaube es nicht. Es ist ohnmöglich, daß der wein diß jahr geraht; der kochmonat, nehmblich der August, ist zu feücht undt kalt geweßen. Hir ist alles 3fach thewerer geworden, alß vorm jahr. Es ist [un]glaublich, wie alles so thewer gestiegen ist; waß 30 francken gekost, kost nun hundert; alles ist außer preiß[5]. Ich glaube, daß alle kauffleütte sich verdammen [276] mitt ihren schelmereyen. Ich habe mein tag so keine verdrießliche zeit gesehen, alß nun ist; daß macht alles langweillig, den man hört nichts, [als] lamantiren, klagen undt betteleyen, daß macht einem daß leben zu schwer; segt[6] also, liebe Louise, ob ich nicht ursach zu glauben habe, daß Ihr Eüch mitt den schönnen medaillen ruinirt! Ich begehre [weder etwas] vom könig, noch von meinem sohn, viel weniger noch von monsieur Laws; aber ich habe gern, daß man mich richtig bezahlt, damitt meine domestiquen nicht noht leyden. Bißher, gott lob, bin ich weder den kauffleütten, noch sonst niemandts nicht schuldig; solte mir gar leydt sein undt recht betrüben, wen ich in schulden fallen müste. Daß erinert mich ahn etwaß, so mich woll von hertzen hatt lachen machen. Wie der könig s. noch lebte undt die duchesse du Maine so erschrecklich despence machte mitt festen, commedien, balletten, feüerwerck undt dergleichen, ließen sie meinen intendenten[7] hollen, wahren jalous,[8] daß ich meinen rang hilte, fragten den intendenten: Ditte nous[9]! comment fait Madame, de ne pas faire des dettes? Car elle n’est pas riche. Mein intendent andtworttete froidement: Madame ne fait jamais de folle despence, elle ce regle selon son revenus, ainsi elle ne doit rien et fait point de dettes[10]. Sie schwigen maußstill undt ließen ihn wider fortgehen. Aber da segt Ihr, welche einen abscheülichen hoffarth dieße leütte haben. Sie wahren die letzten von den printzen du sang undt es verdroß ihnen, daß ich, so fille de France bin, einen größern statt hi[e]lte, alß sie, da doch les petits enfants de France noch zwischen mir undt ihnen sein. Aber hiemitt genung von dießer historie, wo sie so braff bezahlt sein worden. Die laquayen undt der pöpel haben daß arme medgen von Laws in aversion genohmen. Er kan nicht mehr außfahren, ohne daß man ihnen ein affront thut; sie werffen mitt steinen nach ihr undt ruffen ihr alle wüsterey von der weldt nach. Daß kindt jammert mich; den waß kan daß kint davor, waß[11] sein vatter waß thut, daß niemandts gefelt? Daß arme kindt kan nichts davor, finde es also recht ungerecht, daß man diß kindt so plagt[12]. Da bekomme ich eine böße zeittung, einen brieff von hertzog von Modene, so [277] mir bericht, daß seine schwiger fraw dochter[13] die kinderblattern hatt. Daß nimbt mich nicht groß wundter; seyder sie von hir weg ist biß auff die stundt von ihrer kranckheit, ist sie nie vor 5 uhr zu bett gangen, gantze nächte in der nachtlufft geblieben, so gar ungesundt in Ittallien sein solle, undt hatt auff die jetzige frantzosche mode tag undt nach[t] undt in allen stunden gefreßen; daß kan ja auff die länge kein gutt [thun]. Die kinderblattern seindt drauff nach Modene kommen undt sie hatt sie auffgefischt, daß ist gar nicht zu verwundern. Der hertzog schreibt, daß sie gar kranck geweßen, ehe die kinderblatter herraußkommen; aber nun ist sie so woll, alß man in so einen betrübten standt sein kan[14]. Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben. Monsieur Laws dochtergen kan nicht fehlen, woll geheüraht zu werden; den er wirdt ihr 3 millionen zum heürahtsgutt geben ohne die haußstewer. Ich glaube, daß, wen ein duc oder prince hir ihn pressiren solte, würde er woll noch, glaube, noch ein milliongen fahren laßen; den der man ist abscheüllich reich. Niemandts kent monsieur André beßer, alß ich; er ist deß Clair[15], der die Suzon geheüraht hatt, die Ihr kendt undt meiner geweßen amen dochter ist, dochterman. Der sein dochtergen heürahten soll, daß ist meiner dame d’honneur jüngster sohn, der marquis Doise[16]. Daß finde ich possirlich, daß die [278] duchesse de Brancas in mein[e]r cammer, wo ich noch 9 jahr leben kan, sagen wirdt ahn meinem hussié Le Clair[17] sagen: Laisses entrer vostre petitte fille, ma belle fille! Dießes André fraw ist eine von meine cammerweiber. Aber ich habe Eüch dieß alles schon einmahl geschrieben; es muß in dem brieff gestanden gewest sein vom 7, no 7, so verlohren gangen; den ich hatte Eüch, liebe Louise, ein langes undt breyttes davon geschrieben; kan nicht begreiffen, wo dießer brieff muß hinkommen sein. Wen monsieur André gleich wolte, were es ihm nicht erlaubt, gelt ahn Reformirten in Englandt zu schicken. Der fürstin von Ussingen brieff hab ich vergangen donnerstag gleich ahn die arme madame Dangeau geschickt. Ich bitte Eüch, liebe Louise, macht doch mein compliment ahn die fürstin von Ussingen auff ihres schwagers todt! Er hatte aber doch nicht mehr lang leben können; den er war schon 83 jahr alt. Ich glaube, unßer herrgott hatt die sto[l]tzen Schweden gestrafft, meinen vettern, printz Wilhelm, nicht zum generalistemuß[18] haben leyden [zu] wollen[19]; den sie haben eine große seeschlacht gegen dem czaar auff der see verlohren. Wen ich hören werde, daß [die] churprintzes ins kindtbett wirdt kommen sein, so werde ich glauben, daß sie schwanger geweßen; eher werde ich es nicht glauben. Wer kan woll versichern, daß mein vetter, printz Wilhelm, nicht mitt der zeit könig wirdt werden? Den wer weiß, waß gott über ihn vorsehen hatt? Daß stehet niemandts ahn der stirn geschrieben. Mein vetter, der landtgraff von Cassel, hatt mir wegen seines neveux geschrieben; ich habe aber nur gar zu viel gutte ursachen, umb ihn zu widerrahten, sein neuveux in hieß[ig]en dinsten zu thun; es würde ihn gar gewiß gereüen[20]. Wen man nicht reicher ist, alß mein neuveu von Philipsthahl ist, muß man nicht so gar délicat sein, undt wan man woll ahn einem ort ist, wie er in Denema[r]ck geweßen, muß man suchen, dort zu bleiben; hir, mein[e ich], [279] würde er woll andere desgoust[21] bekommen haben. Unßere s. churfürstin hatt mir einmahl geschrieben, daß landtgraff Philip undt seine gemahlin gar ellendt in Hollandt leben undt wie rechte burgersleütte geworden sein, daß einer sich davor schämmen muste. Printz Max[i]millian von Heßen hatt einen von meinen gutten freünden zu Venedig gefunden, so 30 jahr hir envoyés von Parme geweßen undt schir alle tag zu mir kommen; den hatt er viel complimenten vor mich geladen. Man meint, daß sein heüraht nicht vorgehen wirdt, daß man meinem vettern, den landtgraffen, undt seinen herrn sohn einen großen affront gethan, undt nachdem der heüraht festgestelt, wie der landtgraff nach Darmstatt kompt mitt seinem herrn sohn, hatte man die brautt weggeschickt zu einer seinen … undt wollen sie einen printzen von Eyßennach geben; daß finde ich gar unbillig. Ich glaube nicht, daß die zwey heüßer ihr leben große einigkeit haben werden. Ich hette groß unrecht, wen ich mich großen freüden berümen solte; die entpfindt ich gar gewiß nicht. Mich deücht, es geht ein wenig wie ein narr ahn Louis XIII hoff, der kam einsmahls vor dem könig undt hatte ein groß wehrgehenck ahn, worauff lautter atzellen[22] gestickt war[en]. Der könig sagte: Que veux tu dire avec ce baudrier[23]? Der narr andtwortete: C’est pour aller comme vostre cour de pie en pie, sire[24]! So, deücht mir, geht es hir auch. Da schlegt es 10, ich muß nach bett. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertz[en], gebe Eüch eine gutte nacht undt behalte Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. September 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 274–279
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1157.html
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