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Brief vom 21. September 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1159.


[283]
St Clou den 21 September 1720 (N. 29).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch schon vorgestern gesagt, daß ich Ewer schreiben vom 7, no 70, entpfangen hatte, aber [284] daß ich es heütte beantwortten werde, welches ich auch zu thun hoffe. Alle posten gehen gar unordentlich; der printzes von Wallis fehlen 2 von meinen schreiben; alles geht deß unterst zum öberst. Es ist lang, daß ich in der welt bin; aber ich habe nie die welt so wunderlich erlebt, alß ich sie nun sehe; daß verlaydt einen alles undt macht einem gantz trawerig. Ich thue, waß ich kan, umb mich zu erhollen; aber ich habe mühe, zurecht zu kommen, den es ist mir allezeit waß ängstlich auff dem hertzen. Ich höre nicht daß geringste geraß, so erschrick ich gleich undt meine, man bringt mir eine böße zeittung; den Ihr werdet, liebe Louise, schon auß meinem letztem schreiben ersehen haben, wie ich noch gar offt von den bößen brieffen entpfangen, so mich so sehr ängstigen.
Sambstag, den 21 September, umb ein viertel auff 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich von Madrit, wo ich viel spatzirt habe, ob zwar daß wetter heütte bey weittem nicht so schön, alß gestern, war ein gar starcker windt, undt wie ich wider in der kutschen saß, ist ein kleiner regen kommen undt nicht gar warm wetter. Aber ich habe es heütte morgen vorgesehen, habe derowegen ein gutt damastkleydt ahngethan, also gar nicht kalt gehabt. Ich komme aber, wo ich heütte morgen geblieben war, will aber nichts mehr von so trawerigen sachen sagen, den es macht mich nur trawerig undt Eüch auch; komme also lieber wider auff Ew[e]r liebes schreiben. Der verlust von meinem brieff vom 7 Augusti, no 7, ist woll der geringste undt schlegte[1], so Ihr, liebe Louise, Ewer leben thun könt. Gott bewahre Eüch vor größer unglück, liebe Louise! Daß die post ist auffgehalten worden, davon haben wir hir nichts gehört; daß will aber doch nicht [viel] sagen, den ich bin allezeit, die [am wenigsten] weiß, waß vorgeht. Wir seindt hir, alß wen wir in Indien wehren, wißen schir nichts von waß vorgeht. Daß fewer, so im Louvre außgangen[2], es solle vor ein million holtz, bretter undt sonst sachen verbrendt sein; den neben deß königs schreiners hauß war ein ebenist[3] logirt, dem ist gar viel schönne sachen verbrundt[4], undter andern (undt welches ich ahm meisten bejammmere) ein schranck von außerleßene küpfferstück[5], so vor eine gar große suma gelts verbrandt sein. Ich wolte, daß ich [285] sie gehabt; den ich liebe die küpfferstück mehr, alß nie, habe auch eine große menge; zu Paris habe ich einen gantzen schranck voll von gar schönne stücker[6]. Dancke Eüch sehr, liebe Louise, vor alle Ewere gutte wünsche. Wen ich die leütte tugen[d]sam weiß, wie Ihr seydt, liebe Louise, habe ich gutte opinion von ihren gebetten[7]. Ich habe dem kleinen secretarius Gravenbrock comission geben, wieder auffs neü vor Eüch zu solicittiren, liebe Louise! Ich bin, gott lob, gar nicht interessirt, undt wen ich nur habe, waß nur[8] just nohtig ist vor mein hauß undt meine taffeln, bin ich schon zufrieden. Ich kan Eüch woll mitt warheit versichern, daß, wen mein sohn mir geben wolte, waß mir nicht zukompt, würde ich es blat abschlagen; den ob der junge könig zwar ein großer könig ist, so ist er doch ein kindt undt mein sohn sein vormündt, wolte also nicht, daß man ihm sein leben vorwerffen könte, daß er von deß königs gelter entwe[n]det hette, umb seiner mutter zu geben[9]. Nein, daß were mein stiehl gantz undt gar nicht; ich liebe nicht, waß nicht billig ist. Ich kan offt nicht laßen, zu wünschen, daß monsieur Laws nie in Franckreich kommen were. Gott verzey mirs! Ich weiß nicht, waß ich davon dencken solle. Zu Paris seindt viel leütte, so meinen, daß es ein ahngestelte sach ist undt daß feinde den Laws ahngestelt haben, gantz Franckreich zu ruiniren. Aber last unß von waß anderst reden! dieß ist zu betrübt. Ich habe leütte gesehen, so wetten wollen, daß es in Englandt mitt der soudsée[10] ebenso gehen [werde]; daß werden ein par jahr lehren. Churpfaltz wirdt es nicht vor gott verantworten können, wie er mitt seinen armen untherthanen umbgehet. Kranckheitten seindt jetzt in der gantzen welt. Ich fürchte endtlich, daß die pest in allen ortten kommen wirdt. Von dem hießigen wetter habe ich schon geschprochen. Ich hatte mein leben nicht von Bibereich[11] ahn Rhein gehört. Itzstein[12] kene ich auch nicht gar woll. Ich bilde mir festiglich ein, daß die pest kommen wirdt, ist schon zu Marseillen[13], undt die Frantzoßen haben daß, sie nehmen keine precautionen in nichts in der weldt. Freylich bin ich recht müde, von allen [286] unglük zu hören. Aber es wirdt spät, ich muß schließen; den monsieur Teray wirdt mich sonst zörnen. Heütte morgen habe ich meine capittel leßen müßen, bin in gar lange gefahlen; den ich habe den 116, hundert undt 17, 118 undt hundert undt 19 psalm geleßen, die 3 letzten capittel in sant Lucas, daß erste von evangellion sanct Johanes, daß hatt mich von 8 biß nach 10 auffgehalten; es wahren auch 4 capittel in 4ten buch Moses. Hernach habe ich einen großen brieff in andtwordt ahn unßere abtißin[14] geschrieben undt einen courier nach Chelle[s] geschickt, wo ich biß donnerstag zu mittag eßen werde. Also habe ich Eüch heütte nicht viel schreiben können. Biß zukünfftigen mitwogen werde ich auff daß überige von Ewern lieben schreiben andtwortten, nun aber nach bett gehen. Adieu, hertzallerliebe Louise! Ich wünsche Eüch eine gutte nacht undt versichere Eüch, daß ich Eüch all mein leben von hertze[n] lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. September 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 283–286
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1159.html
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