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Brief vom 5. Oktober 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1163.


[295]
St Clou den 5 October 1720 (N. 33).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich auff Ewer liebes schreiben von no 74 geantwortet, heütte werde ich auff daß von 17 September, no 73, antwortten. Ich habe Eüch letz[t]mahl die recht ursach geschrieben, warumb Ihr, liebe Louise, meine schreiben so unrichtig entpfangt. Hir leben wir wie in den clostern, hören von nichts, habe zwar, wie ordinarie undt in maison royale bräuchlich, den heürahtscontract vom marquis d’Allincourt[1] undt mademoiselle de Bouffler[s] unterschriben[2], aber weitter kein wordt davon gehört, weiß also kein wordt von ihren magnificencen, noch wie es abgangen. Der marquis d’Allincourt ist deß marechal de Villeroy enckel, aber mademoiselle de Bouffler[s] ist der marechalle de Bouffler[s] eygene dochter undt nicht ihr enckel. Die kleine [296] Lawß ist selber schuldig ahn die insulte, so ihr 2mahl wiederfahren[3], wie man mir gesagt hatt; solle ein gar verzogen kindt sein. Der vatter verdirbt sie gantz (die mutter darff ihr kein wordt nicht [sagen]), hatt der dochter ein eygen hauß gemacht, hatt suivanten, escuyers, ey[g]ene laquayen, kutsch undt pferdt. Daß macht daß kindt muhtwillig, lacht alle menschen auß undt ist so hoffartig, daß, wen die kleinen printzes de Guise vom hauß Lotteringen zu ihr kommen, umb mitt ihr spatziren zu fahren, setzt sie sich ahn den besten platz undt macht andere kinder rückwerts fahren. Auß puren wüsterey, interesse undt karchheit leyden ihr vatter undt mutter dieß alles. Daß hatt aber schir alle menschen gegen Laws undt seine dochter iritirt, deßwegen ist ihr der affront geschehen nun schon 2mahl. Die mutter hatt sich gar woll entschuldigt, sagt: Je n’ose dire mot a ma fille; on me la soustraitte[4], je ne puis plus respondre des sottisse[s] qu’elle fait. Darin hatt sie recht. Alle leütte von qualitet seindt hir gar zu bas[5], lache undt interessirt; es ist eine schande undt daß nimbt zu, wirdt je lenger je ärger; es ist recht eckelhafft. Einer kaufft unschlicht, lest lichter machen undt verkaufft sie erschrecklich thewer; ein ander, so auff der see befehl hatt, kaufft alle chocolat, thé undt caffé auff, umb es thewer zu verkauffen; der 3te handelt deßgleichen mitt stoffen undt tuch[6]; undt dieße schönne hertzogen wollen sich beßer düncken, alß alle teütsche fürsten. Daß macht mich so ungedultig, daß ich auß der hautt fahren mögte. Madame d’Orleans gibt ihnen groß recht, undt waß noch ärger ist undt mich ahm meisten verdriest, ist, daß sie meinen sohn gantz in ihrem irtum gezogen hatt. Welcher printz von Sultzbach ist zu Franckfort? Ist es der elste oder der jüngste, den wir hir gehabt haben? Ich wünsche, daß Ihr Eüch woll mögt divertirt haben in dießer assamblée. Ich hoffe, Ihr werdt mir berichten, liebe Louise, wie es abgangen. Hir hört man von viel, viellen kranckheitten, aber in Provence undt zu Marseillen ist es noch ärger; den da ist die pest erschrecklich starck. Es seindt schon in der statt von Marseillen 25/m. menschen gestorben undt es reist täglich weytter ein[7]. Gott bewahre unß, daß [297] es nicht hieher kompt! Monsieur Harling hatt mir bericht, daß viel krancken zu Hannover sein; aber printz Friderich ist, gott lob, wider gesundt. Ich erschrieck, wen ich Allexander Hamerstein einen alten obersten heyßen höre; ich habe ihn offt getragen undt bey seinen leydtseyll herumbgeschlept zu O[h]sen undt zu Iburg[8]. Wo mir recht ist, war er ein par jahr jünger, alß der könig in Englandt; possirlich war Allexander Hamerstein, daß ist gewiß, undt gar natürlich. Est ist die mode nicht mehr, eine andere welt zu glauben. Alle manßleütte, auffs wenigst hir im landt, piquiren sich hirvon, welches ich abscheülich finde undt sage es blat herauß. Man lacht mich auß, aber ich frag kein haar darnach, sage allezeit meine meinung plat herauß. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, liebe Louise, daß Hamerstein betrübt über seine maistres geweßen, alß wens seine rechte fraw were. Welcher man ist [in] jetizgen zeitten betrübter über seine fraw, alß über seine maistressen? Daß war ein wüst spectacle, so Eüch, liebe Louise, begegnet; aber Ewer charitet wirdt Eüch doch vor gott gelten. Ihr avanture mitt ihrem man war erschrecklich genung, umb einen ohnmächtig zu machen, ohne voll zu sein. Der man ist ahm meisten zu [bedauern], aber were er bereydt geweßen, halte ich die geschwinste todt vor die besten; den viel leyden ist etwaß abscheüliches. Ich habe deß czaar[9] kupfferstück[10] nicht, aber sein contrefait in mignaturen[11] perfect gleich. Nein, es ist nicht in mignaturen, es ist in email. Ein Schwedt hatt es gemacht, so monsieur Boit heist. Ich habe mein tag nichts gleicher gesehen. Unßer liebe churfürstin s. hatt mir einmahl deß czars undt der czaarin undt der czaarwitz[12] contrefait geschickt. Der czaar gleicht gantz undt gar nicht, aber die czaarwitzin gleicht ahn alle ihre contrefaitte. Dancke gar sehr vor daß kupfferstück. Aber Ihr werdt mir einen gefallen thun, wen Ihr mir den czaar auch dazu schicken wolt. Aber ich muß auch meine pausse machen. Dießen nachmittag, wen ich wider von Madrit werde kommen sein, werde ich dießen briff gantz außschreiben.
Sambstag abendts umb 7 uhr.
Es ist eine gutte halbe stundt, daß ich von Madrit kommen; [298] man hatt eben daß abendtsgebett gesagt, da bin ich hin. Derowegen fange ich ahn so spät zu schreiben, liebe! komme wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war, nehmblich ahn der czaarin[13] ihr kupfferstück; hatt was harttes in der phisionemie, alß wen es ein böß weib were, undt wo es war ist, daß sie zu ihres stieffssohn[14] todt geholffen, wie alle menschen es meinen, muß es gewiß gar ein böß weib sein, welche gott straffen muß. Daß ist ihr auch schon geschehen; den sie hatt ihr eintzig söhngen nach ihrem stieffsohn verlohren. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben, so ich heütte morgen ahngefangen, vollig beantwortet. Ich komme jetz[t] auff daß vom 14 September, no 72. Ich kan nicht begreiffen, waß vor eine lust es sein kan, Eüch alle posten meine brieff entweder gar auffzuhalten, oder zwey undt zwey zu lieffern. Ich bin versichert, daß, wofern sie meinen, Eüch dadurch meine brieffe zu verlaytten[15], daß sie sich betriegen. Waß sie mitt meinem vom 7 Augusti gemacht haben, mag gott wißen. Dem seye, wie ihm wolle, so ist der verlust nicht groß. Gott bewahre Eüch, liebe Louise, vor größer unglück! Meine wunde[n], so ich auff die lenden gehabt undt so gar schmertzhafft geweßen, vergehen gantz. Aber madame d’Orléans, so daß bett mitt gehütt, ist nicht allein ärger, alß nie, sondern ihre ordinarie migraine hatt sich noch dazu geschlagen, gereüet mir also gar nicht, daß bett nicht gehütt zu haben, sondern allezeit mitt meinen schmertzen außgangen bin; habe nichts anderst dazu gethan, alß mich mitt pomade divine zu schmiren. Paris ist noch nicht gar still, man rast abscheülich gegen meinen sohn. Gott gebe, daß nichts bößes drauff erfolgen mag! [299] Alle abendt, wen nichts bößes den tag vorgangen, dancke ich meinem gott von hertzen; aber andern tags, wen ich wider auffstehe, frage ich alß: Waß neües zu Paris? Wen man sagt, daß man nichts neües gehört, werde ich erst wider rühig. Es ist warlich ein ellendes [leben], wie man nun hir ist. Ich habe Eüch heütte morgen verzehlt, wie monsieur Laws dochtergen sich die insulte von den laquayen selber über den halß gezogen hatt; drumb sage ich weytter nichts davon. Diß kindt ist ein medgen von 11 oder 12 jahren; daß ist zu jung, umb seine eygene haußhaltung zu haben undt gantz nach ihrem eygenen willen zu leben. Waß aber die laquayen zu Paris so gar insolent macht, seindt daß spillen undt daß sich ihre herrn gar zu gemein mitt ihnen machen[16]. Ich bin greülich erschrocken, wie mademoiselle de la Rochesurion[17] so starck gefahlen; den ich meinte, sie hette den kopff entzwey gefallen; aber wie ich gesehen, daß sie sich nicht wehe gethan, habe ich von hertzen gelacht[18]. Mein lachen hört geschwindt auff, den es ist mir gar nicht lacherlich. Ich habe heütte daß schönste wetter von der welt zu Madrit gehabt, habe so viel spatzirt, alß mirs meine lenden erlaubt haben. Es ist gar war, daß die mussiq den humor vermehrt, worinen es einen findt, lustig oder trawerig; waß einen ahn trawerig sachen erinert, macht auch trawerig. Es ist keine vexirerey, mitt gewehr zu spillen; man weiß hundert exempel von unglück, wie daß von Eyßenach. Alleweill schlegt [es] 10. Es ist mir lieb, daß Ihr, liebe Louise, die resolution gefast, nicht nach Englandt zu gehen; den ich glaube nicht, daß Ihr viel vergnügen ahn dießer reiße [haben würdet]. Aber da plagt m[a]n mich, umb schlaffen zu geh[e]n. Gutte nacht den, liebe Louise! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Oktober 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 295–299
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1163.html
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