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Brief vom 26. Oktober 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1169.


[313]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 26 October 1720 (N. 38).
Hertzallerliebe Louise, nun ist es zu grob; den heütte fehlt mir daß 3te schreiben von Eüch. Man will mich doch trösten undt sagt, daß der vielle regen die gewäßer hatt überlauffen machen undt daß die courier einen großen umbschweiff nehmen müßen. Gott gebe, daß es dieße ursach seye undt Ihr Eüch, liebe Louise, in gutter gesundtheit finden möget! Ich bin auch in rechten sorgen wegen meiner damen d’hon[n]eur, der duchesse de Brancas, welche auff den todt liegt[1], hatt den transport[2] undt kent keinen menschen mehr. Man hört von nichts, alß trawerige sachen. Waß der armen frawen den todt gibt, ist, das sie gelt nach Englandt geschickt hatt auff der suthsée[3] undt hatt 100/m. thaller verlohren. Sie hatts gar heimblich gehalten, hatt nichts sagen wollen, ja gar die sach geleügnet, hatt sichs heimblich die sach so zu hertzen [314] gezogen, ist 14 tag geweßen, ohne eßen, drincken, noch schlaffen zu können. Endtlich hatt sie ein starck fieber ahngestoßen mitt dobelten accessen, undt wen sie im redoublement ist, kent sie keinen menschen mehr, spricht von nichts, alß Englandt undt actionen; daß weist woll, waß die ursach von ihrer kranckheit ist. Sie wirdt mich durch ihren todt in einen abscheülichen ambaras setzen, wen ich ahn ihrem platz bekommen solle; den wie daß sprichwordt sagt, es kompt selten waß beßers hernach[4] undt die meisten hir seindt nicht allein verdrießlich, sondern auch verachtlich. Ich wünsche also von grundt meiner seelen, daß sie davon kommen mag[5]. Es ist nicht zu glauben, in welchen abscheülichen ambaras ihr todt mich stecken wirdt. Aber last unß von waß anderst reden! Mich verlangt, zu hören, wie Eüch daß letzte porte-lettre, so ich Eüch vorgestern geschickt, Eüch gefahlen hatt. Umb meinen brieff ein wenig von den lamantiren abzuwenden, so will ich Eüch ein possirlich liedt daher schreiben, so auff einen man gemacht worden, welchen ich gar nicht estimire, nebmblich auff meines sohns geweßen precepter[6], so nun ertzbischoff von dem ort[7] ist, wo der frieden gemacht soll werden. Es muß jemandts sein, so eben so wenig von ihm helt alß ich. Es ist auff eine gar gemeine melodey. Man muß dießen man nicht lieber haben, alß ich ihn habe. Ich glaube, liebe Louise, daß Ihr die melodey von Joconde[8] woll wist, darauff geht dießes liedt:
Je ne trouve pas estonnant
Que l’on fasse un ministre
Et mesme un prelat important
D’un maquereau, d’un cuistre;
Rien ne me surprend en cela,
Et ne nait-on pas, comme
De son cheval Caligula
Fit un consul a Rome?[9]
[315] Ich ende hirmitt, umb Eüch nicht auff die trawerigen idéen zu laßen, undt versichere Eüch nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Oktober 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 313–315
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1169.html
Änderungsstand:
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