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Brief vom 9. November 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1173.


[327]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 9 November 1720 (N. 42).
Hertzallerliebe Louise, seyder Ewer liebes schreiben vom 22 October, no 83, habe ich nichts von Eüch entpfangen. Ich hoffe aber, zu Paris, wo ich umb halb 11 hin werde, etwaß von Eüch zu finden. Die posten seindt unleydtlich, wie sie nun gehen; mein[e] dochter setzen sie in eine ungedult, daß sie sich nicht zu behelffen weiß, macht mich etlichmahl lachen mitt ihrem zorn. Letzte post, alß vorgestern, wurde ich so offt verstört, daß ich unmöglich Ewer liebes schreiben vollig beantwortten konte. Aber wie daß frantzosche schprichwordt sagt: A quelque chose malheur est bon, also auch, hette ich dießes, waß ich noch zu andtwortten habe, nicht biß auff heütte gespart, hette ich nichts zu sagen gehabt; den wir haben nicht daß geringste neües hir; alles ist in dem alten [328] verdrießlichen standt, auch bin ich noch immer leünisch. Ich thue doch, waß ich kan, umb mich auß meiner verdruß zu ziehen. Vergangen mitwog ging ich in die frantzösche commedie von Don Sanche Daragon[1] undt Crispin, rival de son maistre[2]. Man kan in der weldt [nicht beßer spielen], alß Baron undt die Duclos spilten[3]. Heütte werde ich in die ittalliensche commedie. Sie seindt mich bitten kommen, sie nicht zu verlaßen undt auch einmahl zu seh[e]n. Sie spillen im Palais-Royal alle montag undt sambstag, also werde ich sie heütte sehen. Zu Paris macht daß Missisipie eben so viel verzweyffelte leütte, alß die soudsée in Englandt. Gar viel zu Paris seindt zu nar[r]en drüber worden. Vergangen mitwog hatte sich noch einer auß verzweyfflung zum fenster nauß gestürtzt undt den halß gebrochen. Ich wolte nicht in monsieur Laws hautt stecken; er hatt zu viel vor gott zu verandtwortten, ahn so viel unglück schuldt zu sein. Fangen die Frantzoßen einmahl ahn, die englische mode zu folgen, sich selber umbzubringen, so werden eben so viel umbkommen, alß durch die pest; den alles ist moden hir im landt. Ich habe Eüch schon bericht, liebe Louisse, wie daß ich 3 von Ewern paquetten auff einmahl entpfangen habe. Ich kan woll begreifen, wie [einem], wen man sich ohne daß nicht gar woll befindt, gar übel werden kan, wen man einen ahnkommen hört, so man heürahten solle. Mein neveu, landtgraff Max, solle ein schönner herr sein; daß hatt den schrecken verdrieben. Mutterwehen seindt eine abscheüliche sache undt scheüßlich zu sehen, wie die schwer-noht. Es ist rar, daß mansleütte solche kranckheitten bekommen, aber bey weibern undt jungfrawen ist es zimblich [häufig]. Ich habe eine dame von qualitet hir gekandt (sie ist schon vor etlich jahren gestorben, hieß madame de Ravetot[4], ihr man war enckel vom marechal de Gramont undt sie war ein generals-dochter), die hatte so große mutterwehen, daß, wens ihr ahnkam, muste sie lachen, daß sie schwartz davon wurde, undt that ihr sehr wehe. [329] Man konte daß lachen nicht laßen, wenn man sie so lachen sahe. Daß remedium fehlte ihr doch nicht, hatte man undt kinder. Baron Görtz hatt mir vor wenig wochen geschrieben, daß die könige von Englandt undt Preussen so favorable resolutionen vor die arme Pfaltzer gefast hette[n]; aber ich sehe noch nicht, daß waß drauff erfolgt. Ein regirender herr solle seine untherthanen nicht haßen, sondern alß ein vatter lieben, oder man wirdts vor gott verandtwortten. Ich glaube, alle Churpfaltz pfaffen werden sich alle über die armen Heydelberger verdamen[5]. Ich erinere mich deß herrn Rießman[6] nicht mehr. Waß war er zu meiner zeit? Ich habe allezeit über die Manheimer lufft klagen [hören]; aber ich habe mich allezeit gar woll dort befunden. Der wirdts[7] vom caffée todt wirdt dem kauffman daß ohr nicht wider geben, aber der kauffman hette ahnnehmen sollen, waß ihn sein beißer vor seine ruhe offrirt. Auff der graffin, fürstin wolte ich sagen, von Ussingen [brief] habe ich letztmahl geantwortet, sage also heütte nichts davon. Die fürstin von Nassau Siegen muß sich bekehrt haben, weillen sie jetzt so woll mitt ihrem oncle, dem churfürsten von Maintz, stehet. Ich höre gern, wen man bey Eüch spilt; daß gibt distraction gegen trawerige gedancken. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort undt auch zeit, daß ich mich ahnziehe, in kirch gehe undt nach Paris fahre. Es ist schön wetter, aber ein wenig frisch. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. November 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 327–329
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1173.html
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