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Brief vom 16. November 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1175.


[331]
St Clou, sambstag, den 16 November 1720 (N. 44).
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet auß meinem vorgesterigen schreiben ersehen haben, wie ich ohnmöglich selbigen tag habe auff Ewer liebes schreiben völlig andtwortten können. Gott gebe, daß ich heütte viel möge schreiben können! Aber da kompt mir schon [332] eine verhindernuß; der pere de Ligniere[1], mein beichtsvatter, kompt herein undt bringt mir eine andtwort auff einen brieff, so ich ihn in Flandern habe schreiben machen. Der pere de Ligniere hatt mich eine gutte stundt auff[gehalten]; daß kompt mir desto mehr zur unpaß, indem ich heütte morgen andterthalb stundt bin spätter auffgestanden, alß ordinarie; den ich bin gestern abendts spätter schlaffen gangen, alß ordinarie, undt erst umb halb 12 nach bett, da ich doch gar offt vor 10 nach bett gehe. Meine brieffe, liebe Louise, können kleiner oder größer werden, nachdem es die gelegenheit gibt; aber keine post wirdt ohne ein schreiben ahn Eüch fortgehen. Daß seydt versichert, liebe Louisse, so lang ich leben werde, nicht blindt sein undt die finger rühren können[2]! Ich komme jetzt, liebe Louisse, auff Ewer liebes schreiben vom 2 dießes monts, so ich vorgestern ahngefangen hatte zu beantwortten undt ahm 9 blatt, seytte wolte ich sagen, geblieben ware. Ihr habt woll recht, liebe Louise, eher zu [wünschen], daß Ewer neveu undt niepcen gesundt bleiben mögen, alß viel gewinen. Ich findte dießen gewinst vor kauffleütte gutt, aber vor fürsten, graffen undt leütte von qualitet deücht es mir ein[e] schlegte sach zu sein undt gar nichts lobliches. In dießem augenblick schickt mir der marechal de Villeroy einen escuyer mitt einem brieff. Der könig ist gestern abendts nach der jagt auff der stieg gefallen, hatt ein blau aug davon getragen, befindt sich doch sonsten woll undt hatt 9 gutter stundt geschlaffen. Gott erhalte ihn! Ich habe andtwortten müßen, daß hatt mich wider auffgehalten; muß nun die große pausse machen. Le diable au contretemps hatt woll sein spiel heütte, liebe Louisse! Daß kan mich recht verdrießen. Wie ich Eüch wider habe schreiben [wollen], alß ich von Madrit kommen bin eben nach dem abendtgebett, ist mir ein courier kommen von unßer abtißin von Chelle[s], hernach ein brieff von madame Dangeau undt einen von marechal de Villeroy, habe auff alle 3 nohtwendig andtwortten müßen. Drumb fang ich so spät ahn, wider zu schreiben. Es ist ein widerliches wetter, alle menschen bekommen husten undt schnupen; ich fühle, daß es mir heütte auch ahnkompt. Ordinairie wehrt es gar lang bey mir, aber man muß woll gedult haben undt wollen, waß gott will. Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben. Ich habe so [333] ein schlim gedächtnuß, daß ich mich nicht mehr erinere, daß Ihr mir geschrieben, daß Ihr einmahl 100/m. rth. verlohren habt. Es ist eine langweillige sach, überall lamantiren zu hören wie nun; daß macht einen gantz trawerig. Ihr sagt, liebe Louise, waß endtlich auß der welt werden wirdt. Ich habe eine prophezeyung gesehen, so von Genua solle gekommen [sein], worinen stehet, daß die weldt anno 1727 gantz vergehen undt zu cristal werden solle; daß hatt mich lachen gemacht. Mich lustig undt vergnügt zu machen, ist keine leichte sache; erstlich so müste alles so endern, daß ich nichts mehr vor meinen armen sohn müste zu fürchten haben, sicher sein [könnte], daß ich nie noht werde leyden müßen, undt noch viel detail, so zu lang zu sagen werden[3]. Aber, liebe Louise, ich gedencke ahn nichts mehr, alß baldt in jene welt zu reißen, welches ich ohne regret [thun werde]; wolte nur, daß es baldt geschehen were[4]; den ich fürchte sonst, noch viel hertzenleydt zu erleben. Ich weiß nicht mehr, von wem ich Eüch ein liedt geschickt. Ist es nicht vom ertzbischoff von Cambray[5]? Wens von dem ist, kan [334] ich Eüch mitt warheit versichern, daß kein falscher[6] ertzschelm undt[7] gantz Franckreich ist, alß dießer[8]. Waß mich verdriest, ist, daß ihn mein sohn so woll kendt, alß ich, undt doch dem kleinen teüffel allein ahnhört undt glaubt; daß ist verdrießlich. Die fraw von Ratzamshaussen ist freyllich noch hir. Ich habe ihr Ewer paquet geben; sie hatt alle brieff von den gefangen[en]. Woll alle gefangene seindt lengst loß, nur ein eintziger ist in der gefangnuß wegen schulden geblieben. Schicken sie andtwort, werdt Ihr biß donnerstag … Ich sage nichts mehr von der post; den Ihr werdet nun schon auß meinen schreiben ersehen haben, wie daß ich 3 der Ewerigen auff [einmahl] entpfangen. Da schlegt es zehn undt monsieur Therey treibt mich nach bett, kan in eyll nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. November 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 331–334
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1175.html
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