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Brief vom 28. November 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1178.


[342]
St Clou, donnerstag, den 28 November 1720 (N. 47).
Hertzallerliebe Louise, weillen ich fürchte, daß meine letzte schreiben Eüch werden wegen meiner gesundtheit in sorgen gesetzt haben, so will ich dabey ahnfangen undt Eüch sagen, daß, ob zwar mein husten undt schnupen zwar noch nicht gantz vorbey, so bin ich doch ohne vergleichung beßer, alß ich geweßen; den ich kan nun wider eßen undt schlaffen; hoffe also zu gott, das es baldt wider [343] gantz vergehen wirdt. Ich halte mich hübsch warm, wirdt also woll nicht lang mehr wehren. Seydt also, liebe Louise, in keinen sorgen meinetwegen! Aber so baldt ich wider gesundt werde sein, muß ich leyder wieder in daß verdrießliche Paris, worinen ich wenig ruhe habe. Aber man muß woll seine schuldigkeit thun; ich bin in der Parisser gnaden, es würde sie betrüben, wen ich gar nicht mehr dort wohnen solte; muß also denen gutten leütten ettliche monat auffopffern. Sie verdinnen [es] woll ahn mir, haben mich lieber, alß ihre gebohrne fürsten undt fürstinen; die verfluchen sie undt mir geben sie lautter segen, wen ich durch die statt fahre[1]. Ich habe auch die Parisser lieb, es seindt gutte leütte. Es ist mir selber leydt, daß ihre lufft undt wohnung mir so zuwieder sein. Ich habe vergangen sontag 2 von Ewern lieben schreiben auff einmahl entpfangen von 9 undt 12 dießes monts, no 88 undt 89, werde auff daß erste andtwortten undt daß zweytte vor übermorgen versparen, wo mir gott biß dar daß leben verleyet. Ich kan die lust nicht begreiffen, so man auff der post hatt, die brieffe alß zwey undt zwey zu schicken; aber weillen es nicht zu endern stehet, will ich weytter nichts davon sagen, komme auff Ewer liebes schreiben von 9, no 88. Aber vorher will ich Eüch noch dancken, liebe Louise, vor die medaille vom 30jährigen krieg; habt mir einen rechten gefallen gethan, mir es zu [schicken], den ich hatte es nicht undt hette es gern gehabt. So baldt ich zu Paris sein werde, will ich es placiren. Meine gutte gesundtheit hatt nicht lang gedawe[r]t. Aber jetzt husten undt schnupen zu haben, ist keine kunst; den es ist nichts gemeiners, man hört überall die naß butzen undt husten. Daß wetter ist auch abscheüllich; kalte nebel mitt frost, daß man keine 2 schrit vor sich sehen kan, undt scharpffe, raue, durchdringende nordtwinde, daß kan ohnmöglich gesundt sein. Jedoch versichert man, daß es gutt gegen die pest ist; auch solle sie überall sehr abnehmen undt nicht weitter einreißen[2]. Ich wünsche, daß es in Poln auch so sein mag, damitt die abscheüliche kranckheit nicht in Teütschlandt kommen mag. Weder vor golt noch silber kan man jetzt kein weißen beaume de la Mecque bekommen; [344] den selbiger kompt von Provence hieher undt wegen [der pest] kompt mitt wißen nichts auß Provence. Aber es ist ohnnöhtig, zu gedencken, meine knie zu couriren; den es ist schon über 30 jahr, daß ich den schaden bekommen. In einen gar heißen sommertag jagte ich den hirsch zu St Leger mitt monsieur le dauphin, da kam ein starck wetter, donner, blitz undt hagel; mein rock war so voller schloßen, daß es im schmeltzen durchdrang, undt meine bottinen[3] wurden voll von dem eißkalten waß[er]. Wir wahren weit von den dörffern undt 3 gutter frantzöschen meillen von den kutschen; die knie wurden mir also gantz verfrohren, seindt mir seyder dem schwach undt voller schmertzen worden[4]. Ich habe hunderterley gebraucht; alles hatt im ahnfang woll gethan, aber [die schmerzen sind] doch widerkomen. Nun brauch ich gar nichts mehr, bin doch nicht beßer, noch schlimmer, alß ich war. Ich bin jetzt so alt, daß es der mühe nicht mehr wehrt ist, ahn couriren zu gedencken. Auß waß ich hir gesagt, segt[5] Ihr, liebe, daß mein kniewehe von keinem fall kompt, sondern von einer verkältung, also gantz waß anderst ist, alß der freüllen von Busée accident. Wen ich zu Paris sein werde, will ich in meinen alten schachteln nachsuchen, ob ich nicht noch eine kleine bouteille von dem beaume blanc habe. Finde ich noch waß, werde ichs Eüch gar gewiß schicken, kan aber nicht versichern, daß ich noch davon habe; den ich viel davon weggeben ahn alle, die mir es gefordert haben. Wer ist der monsieur de Bussée[6]? Der nahme lautt ja frantzösch; ich kene aber niemandts besonders hir, so so heist, alß nur einen singer vom opera, welchen le parterre so in aversion genohmen, daß man ihn hatt wegschicken müßen. Ihr dörff[t] nicht beschambt sein, liebe Louise! Guts zu thun wollen, ist ja ein gutt werck vor gott undt der welt, undt wehre die leydige pest nicht in Provence, würde ich Eüch eine gantze schachtel voll davon mitt freüden [schicken]; den daß ich daher habe bringen laßen, war gar gutt. Ey, liebe Louise, waß hatt le beaume blanc mitt den bagatellen zu thun, so ich Eüch geschickt habe? Ich muß lachen, daß Ihr dießes eine kostbahre verehrung heist. Daß ist es doch[7] gar eine bagatelle; es kost mir nicht[s], den die [345] porte-lettre bekomme ich zu pressenten alle jahr von einer abtißin, der[e]n ich ihre abdey zu wegen gebracht bey dem könig s. Es war eine none vom Port-Royal, ein recht tugendtsames, guttes, ehrliches mensch. Der ertzbischoff von Bourge[s][8] danckt mir allemahl, wen ich ihn sehe, ihnen dieße abtißin gegeben zu haben. Daß schachtelgen ist nur metal de prince undt kost wenig undt daß ringelgen habe ich auch nicht gekaufft; es ist mehr, alß 30 jahr, daß ich es gekaufft habe. Weillen es mir all artig deücht, habe ichs Eüch geschickt, liebe Louise! Aber auß alles, waß ich Eüch hir sage, segt Ihr woll, liebe Louise, daß ich mich mitt meinem pressent gar nicht hart ahngegriffen habe, undt ich bin woll dopelt vor alles recompensirt, wen es Eüch nur ein augenblick gefreüet hatt, wie Ihr mir versichert, liebe Louise! Es ist war, liebe Louise, daß, wer jetzt waß kauffen wolte, alles drey mahl thewerer finden würde, alß vorm jahr, insonderheit golt undt edelgestein. Man hatt mir offrirt, vor kleine ring, so ich habe, 3 mahl so viel zu geben, alß sie mir gekost haben; daß hatt mich aber gantz undt gar nicht tentirt, den ich bin, gott lob, nicht interessirt, liebe das gelt nur, umb es zu verthun. Wie kompts, daß ein freüllen von der gebuhrt, wie die junge graffin von Wittgenstein ist, nicht ahn Ewer taffel ist[9]? Daß würde Eüch ja nicht mehr kosten, alß sie mitt der cammermagt frist, da sie nicht so sauber, noch hofflich wirdt lehrnen können zu eßen, alß ahn Ewer taffel. Wie Ihr mir dieß freüllen beschreibt, muß es ein tugendtsamen humor haben. Daß sie so fleißig im lernen ist, daß wirdt ihr all ihr leben woll bekommen. Man kan vom pfaltzischen hoff sagen, wie [der] gutte duc de Crequi[10] s. alß sagte, wen man ihn im spillen nicht gleich zahlte: Vous ressembles a l’arbaletre de Coignac, vous estes dur a la deserre[11]. Ich beklage Eüch sehr wegen der verlust von Ewers haußhalter. Den trewe leütte seindt in itzigen zeitten gar rar undt in der welt findt ich nichts verdrießlicher, alß von leütten zu endern undt sich ahn fremde gesichter zu gewehnen. Ich bin [346] jetzundt auch in derselben mühe, den der conseiller d’estat, so der chef von mein conseil ist, monsieur de Foucault[12], ist gar krank ahn eine[r] brustseüche, speyt daß helle bludt undt er ist 78 jahr alt, also sehr zu fürchten, daß es ein schlecht endt nehmen wirdt, welches mir eine neüe qual machen wirdt. Mein gott, wie ist die welt so voller verdrießlichkeit! undt ein jedes hatt seine qual. Solche fehler, alß Außpurg vor Augsburg zu schreiben[13], seindt fehler, so gar leicht vergeben [werden] können, undt man könte es woll laßen ohne entschuldigung hingehen. Wen man im erwacksen-sein lispelt, kompt es, daß man einen nicht in seiner kindtheit corigirt hatt undt woll sprechen machen. Deß duc de Luxemb[o]urg zweytter sohn, so man nun le duc de Chatillon[14] heist, spricht so wunderlich, daß man ihn kaum verstehen kan. Daß kompt daher, wie mir sein vatter selber verzehlt, daß er verbotten hatte, daß man seine sprache nicht corigiren solte, umb zu sehen, waß drauß wehren[15] solte. Einsmahls, [als] dießer duc de Chatillon, so damahls conte de Lignie[16] ware, von Paris in einer chaisse de poste nach Versaille fuhr, rieff er zum postillon: Arreste! Der postillon sagte: Que voulles vous, Monsieur? Der conte de Ligni sagte: J’e[17] perdu mes dents. Der postillon sagte: Je ne say[18], comme cela ce peust, car je ne vous ay point menes rudement, vous n’aves pas eüe le moindre cahos[19]. Daß machte den duc lachen; da rieff, sagt der postillon: Vous vous moques bien de moy, vous dittes que vous aves perdus vos dents, et je les voit[20] tous dans vostre bouche. Es waren deß ducs handschu, so verlohren wahren, undt er hatt[e] ahnstatt gand dant[21] gesagt. Wen man ihn fragte, wie er hieße, sagte er: Le tonte de Ligny, kan weder c noch g prononciren. Unßere arme abtißin, so gefallen[22], ist noch nicht courirt. Unßere hertzogin von Hannover geht es nicht beßer, alß mir; sie hatt auch einen starcken husten undt schnupen sowoll alß ich, madame la princesse auch. Also seindt wir 3 baßen gantz esclapirt. Aber da schlegt es 12, ich muß auffhören undt vor [347] dißmahl nichts mehr sagen in großer eyll, alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
Gleich nach dem eßen ist die hertzogin von Hannover herkommen, wie man mir noch ein liebes schreiben von Eüch gebracht vom 16 dießes monts, no 90. Die gutte hertzogin ist eine gutte stundt bey mir geblieben; hernach bin ich ins gebett, wo ich eben jetzt herkomme, undt weillen ich noch einen frischen brieff von Eüch habe, will ich noch auff den vom 12 andtwortten, no 89, so mir, wie ich schon gesagt, mittkommen war mitt dem von 9, no 88. Man hatt Eüch abermahl eine post auffgehalten, umb Eüch 2 schreiben auff einmahl zu geben; waß man vor lust hirin hatt, kan ich nicht begreiffen. Die englische brieffe aber mögen woll durch den windt auffgehalten worden sein. Des königs in Englandts überfahrt ist auch dadurch verweillen[23] worden. Die hertzogin von Hannover wirdt nur au Luxemb[o]urg sein, biß I. L. ein eygen hauß haben werden. Ich wünsche, daß sie ein hauß finden mag, wo sie so gemaglich undt woll sein mag, alß im Luxemb[o]urg. Es ist kein wunder, daß dieße hertzogin Franckreich liebt; sie ist ja drin gebohren undt erzogen worden undt hatt ja noch ihre liebe schwester dort[24]. Es kan Paris ihr mutterlandt nicht sein; den ihre fraw mutter war eher eine Ittallienerin, alß Frantzoßin; den sie war ja eine printzessin von Mantua, der keyßer[in] Leonor leibliche niepce oder tante geweßen. Ich weiß nicht mehr, wie es ist, aber daß sie von hauß Mantua war, daß ist gewiß[25]. Waß ich übel ahn dem Lutzenburg[26] findt, so deß printz de Conti, letzt verstorbenen, page [348] undt hernach hoffmeister vom churprintzen von Saxsen geweßen, ist, daß man sagt, daß er sich piquirt, weder ahn gott, noch ahn teüffel zu glauben. Ich glaub nicht, daß ein solcher mensch sein leben glück haben kan, undt glaube, daß sie von sinnen kommen. Mich deücht auch, daß es zu niederich war, einen menschen, so page bey einem prince du sang geweßen, vor einen oberhoffmeister zu geben ahn einem churprintz. Ich habe mich recht davor geschämbt. Einem menschen bang zu machen, so sich vor ein thier scheüdt, daß ist nur kindisch undt alle kinder thun daß. Aber seine fraw mutter undt groß fraw mutter zu betrügen, daß ist eine falschheit, so nicht zu vergeben, noch zu entschuldigen ist. Der könig in Poln seüfft gern, undt wen die leütte voll sein, wißen sie nicht, waß sie thun, ist also eher zu entschuldigung[27], alß sein herr sohn, wiewoll es eine schlime entschuldigung ist. Die plaisanterien mitt dem pulver, so die leütte narisch macht, daß war zu starck. Man sagt hir im landt: Il faut que jeunesse ce[28] passe. So ist es dem könig in Poln auch gangen. Vor die medaille vom 30jährigen krieg habe ich schon heütte morgen gedanckt undt thue es noch von hertzen; den es mir gar woll zu paß kompt. Gott verzeyhe mirs! Aber undter unß muß ich Eüch gestehen, daß es mir nicht leydt geweßen, alß ich den desordre von der sudsée erfahren, weillen es hir so überzwe[r]g abgangen ist; wir werden sehen, wie es abgehen wirdt, wen der könig in Englandt dort wirdt ahnkommen sein. Ich habe gestern ein schreiben von der printz[essin] von Wallis vom 21/10 [empfangen]. Der könig war noch nicht ahnkommen undt man hörte den windt starck saußen. Ich glaube, daß, wen unßer herrgott Churpfaltz zu sich nehmen solte, daß die Pfaltzer eben nicht drüber verzweyfflen würden. Wer wirdt churfürst nach ihm werden? Ich weiß es wahrlich nicht. Wirdt es Churtrier sein oder der pfaltzgraff von Sultzbach[29]? Wen es nach meinem wunsch ging, würdte es der pfaltzgraff von Birckenfelt sein; so würde [man] nicht sagen können, das nichts beßeres hernach kompt; den der würde woll niemandts plagen, noch verzweyfflen machen; da hette man auch die pfaffen nicht zu fürchten. Hiemitt ist Ewer zweyttes schreiben auch [349] vollig beantwortet. Ich wünsche Euch eine glückseelige nacht undt ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. November 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 342–349
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1178.html
Änderungsstand:
Tintenfass