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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den 7 December 1720, umb 6 uhr morgendts (N. 50).
Hertzallerliebe Louise, da komme ich Eüch mitt gar betrübten
hertzen adieu sagen. Ich hatte gehofft, gestern oder vorgestern
schreiben von Eüch zu bekommen; man spart mirs aber gewiß vor
morgen, wo ich zwey auff einmahl bekommen werde. Ich weiß
gantz undt gar nichts neües; mein husten ist vorbey [und] courirt.
Ich gehe aber so betrübt hir weg, daß ich nicht weiß, ob ich die
böße Parisser lufft woll außstehen werde. Aber man muß sich
woll in den willen gottes ergeben; es kan mir doch nichts geschehen,
alß waß gottes wille ist
[1]; werde also in gottes nahmen in daß
betrübte undt langweillige undt verdrießliche Paris [gehen]. Es ist
mir, alß wen ich in ein gefängnuß müste. Weillen ich aber heütte
weder von Ewern lieben schreiben habe, noch, wie schon gesagt,
nichts neües weiß, so will ich Eüch sagen, liebe Louisse, wie ich
dießen tag pretendire zuzubringen. Sobaldt dießer brieff wirdt
außgeschrieben undt pitschirdt sein, werde ich mich ahnziehen,
damitt meine toillette
[2] weggehen mag; hernach werde ich meine 6
capittel in der Bibel leßen undt 6 vor morgen sparen, hernach in
kirch, umb 12 ahn taffel, umb 2 in die kutsch nach Paris, leyder.
Ich werde gleich ins Luxemb[o]urg, von dar zu madame la
princesse, hernach zum könig; den ich hoffe, daß er wider kommen
wirdt sein von der hertzogin von Hannover, deren er umb 4 eine
vissitte geben wirdt. Kan ich hin schon, werde ichs gewiß heütte
thun, umb den morgenden tag frey zu haben; wo nicht, so werde
ich deß königs vissitte vor morgen sparen undt dießen abendt zu
madame d’Orlean[s] gehen, undt ist heütte ittalliensche comedie,
werde ich sie in unßere loge sehen, wo nicht, wie woll sein könte
wegen der repetition vom opera von Thessée, so man morgen spiellen
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solle … Es ist über die 20 jahr, daß man es nicht gespilt, ist
eines von den schönsten von Lulli
[3]. Nach der commedie gegen
9 werde ich mein ey schlucken undt hernach mich außziehen undt
nach bett gehen. Daß ist alles, waß Ihr vor dießmahl von mir
haben werdet. Adieu von St Clou! Wie ich aber auch sein mag
undt ich seye trawerig, wie nun, oder beßers humor, so werde ich
Eüch doch allezeit von hertzen lieb behalten, liebe Louise!