Seitenbanner

Brief vom 7. Dezember 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1181.


[356]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 7 December 1720, umb 6 uhr morgendts (N. 50).
Hertzallerliebe Louise, da komme ich Eüch mitt gar betrübten hertzen adieu sagen. Ich hatte gehofft, gestern oder vorgestern schreiben von Eüch zu bekommen; man spart mirs aber gewiß vor morgen, wo ich zwey auff einmahl bekommen werde. Ich weiß gantz undt gar nichts neües; mein husten ist vorbey [und] courirt. Ich gehe aber so betrübt hir weg, daß ich nicht weiß, ob ich die böße Parisser lufft woll außstehen werde. Aber man muß sich woll in den willen gottes ergeben; es kan mir doch nichts geschehen, alß waß gottes wille ist[1]; werde also in gottes nahmen in daß betrübte undt langweillige undt verdrießliche Paris [gehen]. Es ist mir, alß wen ich in ein gefängnuß müste. Weillen ich aber heütte weder von Ewern lieben schreiben habe, noch, wie schon gesagt, nichts neües weiß, so will ich Eüch sagen, liebe Louisse, wie ich dießen tag pretendire zuzubringen. Sobaldt dießer brieff wirdt außgeschrieben undt pitschirdt sein, werde ich mich ahnziehen, damitt meine toillette[2] weggehen mag; hernach werde ich meine 6 capittel in der Bibel leßen undt 6 vor morgen sparen, hernach in kirch, umb 12 ahn taffel, umb 2 in die kutsch nach Paris, leyder. Ich werde gleich ins Luxemb[o]urg, von dar zu madame la princesse, hernach zum könig; den ich hoffe, daß er wider kommen wirdt sein von der hertzogin von Hannover, deren er umb 4 eine vissitte geben wirdt. Kan ich hin schon, werde ichs gewiß heütte thun, umb den morgenden tag frey zu haben; wo nicht, so werde ich deß königs vissitte vor morgen sparen undt dießen abendt zu madame d’Orlean[s] gehen, undt ist heütte ittalliensche comedie, werde ich sie in unßere loge sehen, wo nicht, wie woll sein könte wegen der repetition vom opera von Thessée, so man morgen spiellen [357] solle … Es ist über die 20 jahr, daß man es nicht gespilt, ist eines von den schönsten von Lulli[3]. Nach der commedie gegen 9 werde ich mein ey schlucken undt hernach mich außziehen undt nach bett gehen. Daß ist alles, waß Ihr vor dießmahl von mir haben werdet. Adieu von St Clou! Wie ich aber auch sein mag undt ich seye trawerig, wie nun, oder beßers humor, so werde ich Eüch doch allezeit von hertzen lieb behalten, liebe Louise!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Dezember 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 356–357
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1181.html
Änderungsstand:
Tintenfass