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Brief vom 19. Dezember 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1184.


[364]
Paris, donnerstag, den 19 December 1720 (N. 53).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag habe ich abermahl zwey von Ewern lieben schreiben auf einmahl entpfangen vom 30 November undt 3 dießes monts, no 94 undt 95, werde meine andtwordt bey dem frischten ahnfangen. Es ist woll wahr, daß wetter undt wege gar schlim nun sein. Daß wetter ist nicht kalt, sondern gar gelinde, aber zu warm vor die jahrszeit; daß kan nicht gesundt sein, mögt auch woll ein bößes jahr geben; den wen der frost zu spät kompt, schadt er ordinari. Es ist gewiß, liebe Louise, daß es allezeit verdrießlich ist, wen die posten fehlen. Mein husten ist, gott seye danck, längst vorbey, wie Ihr auß meinen schreiben ersehen werdet, undt außer daß mir der kopff ein wenig schwer ist von der Parisser lufft, sonsten befinde ich mich nun sehr woll. Ich weiß nicht, ob ich Eüch vergangenen sambstag gesagt, daß monsieur Laws weg ist, umb nicht wider zu komen. Er ist auff eines von seinen güttern, welches er gekaufft, 6 meill von hir, wo er rechnung thun solle, welches, wie man sagt, schlegt hergehen [365] solle. Ich wolte wetten, daß er endtlich gar durchgehen wirdt mitt hülff von monsieur le duc, welcher ihn schon incognito besucht hatt[1]. Gestern ist daß gantze parlement wieder in Paris [366] kommen. Dieße zwey zeitungen gehen eine große freüde in dießer [367] statt. Wolte gott, daß es auch den haß benehmen könte, so man gegen meinen armen sohn hatt! Doch ist monsieur le duc noch ärger gehast, alß mein sohn. Aber da bekümmere ich mich gar wenig umb. Gott gebe mir nur, daß ich ruhe mög vor meinen sohn bekommen undt nicht allezeit in den verdrießlichen sorgen sein, daß man ihn assasiniren mögte, wozu die Frantzoßen sehr geneigt sein, also daß man woll mitt recht zu förchten hatt! Von meinem husten werde ich nichts mehr sagen. Die hertzogin von Hannover wirdt heütte zur ader laßen. Seyder I. L. hir sein, haben sie starcke mygrainen. Ich glaube aber nicht, daß es ihr woll bekommen wirdt; den madame la duchesse d’Orléans ist nicht beßer davon. Schonnen thut auch nicht viel zum husten; es muß seine zeit haben. Sich warm halten, ist, waß man ahm besten thun [kann], umb den husten nicht ärger zu machen, aber vergehen ist nur, wen die zeit vorbey ist. Hir seindt meine kleine cammern so warm ohne feüer, daß ich drin schwitze, wen man die lichter ahnzündt. I. G. s. der churfürst, unßer herr vatter, logirte, wahren[2] zu Friderichsburg im ersten pavillon logirt, ich im 2ten undt mein bruder s. im tritten pavillon. Ewer fraw mutter war in dem schwedischen hauß[3]. Es ging eine höltzerne trepe von I. G. s. retirade in daß schwedisch hauß durch eine gallerie, undt es war noch ein steinern hauß, daß hilt ahm schwedischen höltzern hauß, da logirte[t] Ihr kinder alle. Also segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ich mich daß gantze Fridrichsburg gar woll erinere. Ich bin gantz daß contrarie von Eüch, liebe Louisse! Die kälte ist mir gantz unerträglich[4], undt [368] die hitze, so groß sie auch sein mag, bekompt mir allezeit woll. So lang man lebt, hatt man hitze von nöhten; nichts ist kälter, alß der todt. Ihr werdet auß meinen brieffen ersehen, wie daß ich deß königs in Englandts ahnkunfft in Londen [erfahren habe]. Die printzes von Wallis sagt in ihrem letzten schreiben vom 1/12 dießes monts, daß sie die pest in Englandt gar nicht mehr fürchten; in Provence ist sie noch gar starck, leyder[5]; precautionen mitt den betten seindt gar gutt. Ich finde nicht, liebe Louisse, daß Ihr heßlich geschrieben; ob die feder ein wenig gröber, alß ordinari, geweßen, ist doch Ewere schriefft nicht undeutlich, undt mehr begehre ich nicht. Ich schäme mich, wen ich Eüch so schön schreiben sehe undt ich so heßlich schreibe, weillen wir ja selbigen schreibmeister gehabt haben[6]. Caroline hatt ihre frantzosche schriefft so perfect wie die meine, daß, wen ich von ihren überschrifften[14] auff meiner taffel ließ, fragten mich die, so meine handt hir kenen, warumb ich ahn mir selber schreibe; hatt mich offt lachen machen[7]. Ich habe mein leben keine feder schneyden lernen können, welches mir recht leydt ist; den ich habe nur einen von meinen leütten, so sie nach meinem sin schneiden kan. Zu allem glück ist er viel jünger, alß ich, hoffe ihn also biß ahns ende zu behalten; er ist mein cammerknecht geweßen, hatt die charge von port[e]-manteau[8] gekaufft. Sein vatter war mein pastetten-becker, hatte auch noch eine charge de quartier in der fouriere[9]. Ich kan nicht leyden, wen man mir albere possen in der religion vorbringt; ich laße es nicht unbeantwortet[10]. Aber nun muß ich meine pausse machen. Nach dem eßen werde ich vollendts außschreiben.
Donn[e]rstag, den 19 December, umb 3/4 auff 3 nachmittags.
Ich hoffe, noch ehe ich zur großhertzogin werde, auff Ewer [369] liebes schreiben zu andtwortten. Wen ich die warheit sagen solle, so bin ich, wie der apostel Paulus sagt[11], weder apol[l]isch, noch paulisch, noch kephisch, weder reformirt, catholisch, noch lutherisch, sondern ich werde, so viel mir möglich ist, eine recht[e] Christin sein undt darauff leben undt sterben; daß ist, liebe Louise, meine recht gedancken. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt verbleibe allezeit auf meine[n] meinungen, also behalte ich Eüch von hertzen lieb.
Donnerstag, den 19 December, umb 9 abendts.
Ich komme jetz[t] eben auff[12] dem opera mitt meinen enckelen, 2 printzessin[nen], mademoiselle de Clermon[t] undt mademoiselle de la Rochesurion[13] undt mein cammer ist so voller leütte, daß ich mich nicht regen kan. Also, liebe Louise, [will ich] nur in großer eyll sagen, daß ich hir auff meiner taffel Ewer paquet gefunden sambt die magnifique goltene medaille; bin im ahnfang recht drüber erschrocken, habe gefürcht, Ihr würdet Eüch ruinirt haben, habe, also Ewern lieben brieff geschwindt überleßen, bin recht soulagirt, daß Ihr es nicht gekaufft. Sage Eüch recht von hertzen danck davor; habe es gar schön undt woll gepregt gefunden undt gleich zu meinen modernen goltenen medaillen gethan. Biß sambstag werde ich weytter dancken, hertzliebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Dezember 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 364–369
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1184.html
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