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Brief vom 26. Dezember 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1186.


[372]
Paris den 26 December 1720 (N. 55).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag, alß ich auß dem Carmelitten-closter kommen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 10 dießes monts, no 97, entpfangen. Ich habe zwar noch eines von Ewern lieben schreiben, so ich noch nicht habe beantwortten können, vom 7, no 96. Daß wolte ich heütte auch gern beantworten, kan aber nicht versprechen, daß solches geschehen wirdt; den hir zu Paris kan man nicht thun, waß man gern wolte. Gestern war ich so erschrecklich müde von allen devotion[en]. Ich war 3 stundt in der kirch geweßen undt nachmittags 2 stundt im closter. Meine knie seindt schmertzhafft undt der grampff in den lenden, den ich vor etlichen monat gehabt[1], ist mir wieder kommen; habe also gestern viel dran gelitten, bin umb 3/4 auff 10 zu bett, umb 3 wacker [geworden]. Weillen es aber zu frühe war, auffzustehen, bin ich wider entschlaffen undt erst umb halb 7 erwacht undt, nachdem ich gebett, auffgestanden; habe mir meine lenden braff mitt pomade divine schmieren laßen. Daß benimbt mir die schmertzen; aber ich kan mich doch nicht bücken, muß steuff dahergehen. Dießen morgen werde ich nicht viel schreiben, muß mich eine stundt eher ahnziehen, alß ordinarie; den ich muß umb zwölffen heütte in kirch au[x] Jacobin[s]. Daß ist eine gar alte gewohnheit noch von 49 jahren her, würde die arme[n] zu sehr betrüben, wen ich nicht [373] hinginge. Nach dem eßen werde ich zur großhertzogin, welche a la Place-Royale logirt, welches weit vom Palais-Royal ist, werde also späht wider kommen. Alle der hertzogin leütte glauben, daß sie über den graben[2] ist; ich fürcht aber sehr, daß sie sich betriegen; den sie hatt noch alle tag ein fieber mitt frost undt daß deücht nichts, wen man üb[er] 75 ist, wie I. L. sein. Ich fürcht also, daß es ein schlim endt nehmen wirdt. Ich werde Eüch dießen abendt sagen, wie ich sie gefunden. Gott bewahre mich vor ein trawerig spectacle, so leicht geschehen könte! Aber ich komme auff Ew[e]r liebes schreiben. Es ist noch beßer, daß Ihr zwey auff einmahl von mir bekompt, alß wen sie verlohren würden, liebe Louise! Husten undt schnupen bin ich schon lengst loß. Zu St Clou bin ich courirt, Pariser lufft würde mich nicht courirt [haben]; mein[e] lendenschmertzen werden schon lenger undt seindt starcker, alß sie vor 4 mont zu St Clou geweßen. Ich bin eben wie ma tante, unßer liebe churfürstin s., bin nicht gern beklagt[3]. Angstiget Eüch nicht über mein lendenwehe! Daß wirdt schon wider vergehen. Es hindert mich ahn nichts, alß mich zu bücken undt meine strümpff morgendts ahnzuziehen, wie ich gewohnt bin, zu thun; den je weniger ich mitt cammermagten zu thun habe, je lieber es mir ist, bin gern allein. Die gutte Parisser haben mir große freüde über meiner ahnkunfft bezeüget[4]. Weillen es ihnen so lieb ist, bin ich auch kommen, sonsten hette mich woll nichts auß St Clou gebracht. Könte ich jemandts dinnen, oder den Parissern zu etwaß gutt sein, wolte ich mich von hertzen dazu amploiren. Aber daß ist weder in meiner macht, noch gewalt; dancke gott alle tag, die resolution gefast zu haben, mich in gar nichts zu mischen, insonderheit waß die regierung betrifft. Ich glaube, ich were schon todt, wen ich mich drinen gemischt hette; den ich bin gantz natürlich, kan mir, vor waß ich mich interessire, erschrecklich zu hertzen ziehen undt daß schadt mir gleich ahn meinem miltz. Wen ich den großen damen hir erlauben wolte, ohngekleydt zu mir zu kommen, würde ich täglich viel leütte haben; aber daß steht [374] mir gar nicht ahn, bin dießer familliaritet nicht gewohnt, wie die duchesse d’Orleans, will lieber der geselschafft entbehren, welche mir doch mehr mühe, alß freüde, [macht]. Daß fing schon ein wenig ahn zu unßers s. könig zeitten. I. M. sagten zu [mir]: Wie werdt Ihrs zu Paris machen? Wen Ihr die damen nicht in robe de chambre leyden wolt, wirdt niemandts zu Eüch kommen. Ich sagte: Monsieur, j’aime mieux n’avoir pas ces dames, que de les voir en ne me rendant pas ce qu’elle[s] me doivent. Der könig sagte: Vous aves grande raison, madame! Je vonderois, que madame d’Orleans pensâ[t] comme vous, mais son horihle paresse l’en empeche[5]. Also erhalte ich, waß deß königs aprobation war. Der großhertzogin krankheit undt unßer abtißin hirsein, wie auch die Christfest haben mich verhindert, unßere hertzogin von Hannover so offt zu sehen, alß ich es gewünscht hette. Sie ist auch ein wenig kranck geweßen, hatt zur ader gelaßen. Unßere churfürstin s. hatt mir all lengst die historie geschrieben von dem ittallienschen secretarie[6]. Er hette vor 8 tagen schir den halß gebrochen, ist eine stiege herunder geburtzelt, daß man ihn hatt müßen zur ader laßen. Gott verzeye mirs! Ich habe geglaubt, daß der schrecken, so unßere hertzogin hirüber gehabt, ehe[r] ihr aderläß verursachet, alß keine andere kranckheit. Den es war denselben tag, wie ich es erfahren, ist[7], daß die hertzogin mitt mir ins opera solte, undt ich habe eine loge vor ihre leütte bey der meinen bestelt. Wie sie aber wegen [der] aderläß nicht kommen kont[e] [8], seindt doch ihre leütte [gekommen], undt alß ich sie gefragt, warumb der secretarie nicht mittkommen wehre, haben sie mir seinen fall verzehlt. Sonsten hette ich [es] nicht erfahren. Ich habe ihn mein leben nicht gesehen, habe rechte curiositét, ihn zu sehen. Wie man mir ihn beschreibt, solle er gar heßlich sein. Kan ich ihn zu sehen bekommen, werde ich Eüch, liebe Louisse, berichten, wie ich ihn gefunden habe. So eine sache kan ich ohnmöglich begreifen undt ein mariage de cons[c]iense[9] were gar nicht nach meinem schmack, wie die Gibson[10] alß pflegte, zu sagen. Ich [375] kan mir nicht einbilden, daß ein mariage de cons[c]ience keine sünde ist, indem es gar zu große ärgernuß gibt. Unßere hertzogin undt ihre fraw dochter, die keyßerin, haben beyde recht. Die schmink hatt die hertzogin von ihrer fraw mutter gelehrnt[11], die hatte allezeit weiß undt rodt. Rodt helt man hir im landt vor keinen schminck, aber woll daß weiße, ist aber auch sehr gemein hir im landt. Aber, liebe Louise, nun muß ich meine pausse machen undt mich ahnziehen; den es ist nahe bey 11 uhr, undt wie ich Eüch schon gesagt, so muß ich in kirch au[x] Jacobin[s]. Ich [weiß] nicht, ob die printzes palatine gantz hir im landt erzogen worden; ich glaube, daß sie in Ittallien gebohren ist.
Donnerstag, umb 2 uhr nachmittags undt ein viert[e]l.
Es ist eine gutte viertelstundt, daß ich von taffel kommen bin, wo ich viel leütte gehabt. Der kopff ist mir gar tourmellich davon, daß ich nicht mitt ruhen habe eßen können, sondern allezeit habe sprechen müßen. Mein gott, wie ist einer hir geplagt! Man hatt weder rast, noch ruhe. Ich hoffe, doch noch meinen brieff außzuschreiben, ehe meine kutschen kommen, umb zu der großhertzogin zu fahren. Ich war heütte morgen geblieben, wir wahren ahn dem schmink geblieben, so so gar gemein hir im landt ist, finde es wüst undt eckelhafft. Waß meinen bruder seeligen ahm meisten ahn unßere hertzogin von Hanover ärgerte, war, daß sie gar delicatte schin; sagt[e] mir gar possirlich: Ey, schwester, were daß mensch meine fraw worden, hette ich sie, nur umb sie ahnzurühren, in stücken gebrochen; den er meinte, stärcker zu sein, alß Hercules. Auß meinem letzten[12], wo ich Ewer schönne goltene medaille entpfangen, hab ich Eüch, liebe Louise, gleich gedanckt undt thue es nochmahl von hertzen. Sie ist über die maßen schön, ist recht admirirt worden hir. Aber da seindt meine kutschen. Wie ich wider von der großhertzogin gekommen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 14, no 98, zu recht entpfangen mitt den kleinen silbern gegoßenen medaillen, wovor ich Eüch sehr dancke, liebe Louisse! Ich glaube, daß sie zu Hanry 4 zeitten gegoßen. Ich [376] habe nicht schreiben können, wie ich von der Place-Royale kommen; den mademoiselle de Clermont undt mademoiselle de la Rochesurion[13] seindt kommen, umb mitt mir ins opera zu gehen. Ewere müntz von pfaltzgraff Johan Cassemir[14] habe ich gewiß nicht entpfangen; ich hette Eüch sonsten davor gedanck[t], liebe Louise, wie Ihr woll gedencken könt. Ich weiß den herrn von Degenfelt, so in Schweden ist, recht danck, Eüch so zwey schönne medaille[n] geschickt [zu haben]. Ihr beraubt Eüch aber eines davon, umb mirs zu geben; daß jammert mich recht. Dieße medaille ist desto rarer, daß nichts in gantz Franckreich jetzt rarer ist, alß golt. Der könig in Schweden[15], liebe Louise, scheindt mir gar ein gutter herr zu sein. Ewer pressent, wie Ihr segt, ist magnifiquer, alß Ihr selbsten meint. Ich muß enden; den es schlegt 10, ich muß nach bett. Biß sambstag hoffe ich Eüch lenger zu entreteniren, aber vor dießmahl [will ich] nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Dezember 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 372–376
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1186.html
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