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Brief vom 15. Januar 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1192.


[005]
Paris den 15 Januari 1721 (N. 58[1]).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangen sontag habe ich nichts von Eüch entpfangen, werde jezunder undt[2] daß antwortten, so ich selbigen tag entpfangen, vom 30 December, no 94, 1721[3], nur noch vorher sagen, daß wir seyder montag gehofft, daß unßer duc de Chartre[s] gantz über den graben sein. Dieße zwey tage hatte ihm daß redoublement gantz gefehlt, undt ob er zwar noch immer daß fieber hatte, haben unß doch die docktoren so gutte hoffnung [gegeben], daß wir alle gantz gedrost wahr[e]n undt gestern mitt freüden in die frantzösche commedie gingen, so hir in dem Palais-Royal gespilt wurde undt Romulus heist. Sie spilten über die maß[en] woll undt daß stück ist gar schön, die nobleste sentiementen von der welt; es endiget ahngenehm, den die verrähter kommen umb undt die tugendt wirdt belohnt. Unßere gutte hertzogin von Hannover, die ich mitt mir in die commedie genohmen hatte, war gantz charmirt, rieff überlaudt: Voilla la plus belle commedie, qu’on puisse voir! [006] Der autheur war im orquestre, entpfing so viel complimenten, daß er sich nicht mehr zu behelffen wuste. Der es gemacht, heist Lamotte[4], hatt gewiß noble sentiementen, ob er zwar wie ein allerraüngen[5] außsicht. Nach dem großen stück spilte man les Vandanges[6]. Biß daher ging alles lustig her; wie ich aber auß der commedie ging undt zu meinem enckel schickt, da war, waß man rabat-joye[7] heist; den in dem augenblick hatte ihm daß redoublement wieder ahngestoßen. Ist woll eine abscheüliche kranckheit, bezahlt seine thorheitten vom carnaval starck. Ich hatte es vorgesehen, vatter undt mutter gewahrnt, aber man hatt mir nicht glauben wollen; jetzt gereütt es ihnen, mir nich[t] geglaubt zu haben, aber es ist zu spät. Ich bin in todtes-angsten vor den buben, forchte, es wirdt endtlich ein schlim endt nehmen, welches mich woll in der seelen betrüben solte; were auch eines von den grösten unglücken vor meinem sohn, so ihm sein leben begegnen könte; den seine gemahlin wirdt gewiß keine kinder mehr bekommen. Könt also woll leicht gedencken, wie betrübt ich bin; kranckheit undt rechte hertzensbetrübtnüß fehlen mir nie zu Paris seyder 50 jahren, muß also nur gott bitten, mir gedult zu geben. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 30 December, no 94. Daß ist nun, wie Ihr segt, liebe Louise, lengst reglirt, daß Ihr eine post zwey von meinen schreiben entpfangen sollet undt die andere post keines, also weytter nichts hirauff zu sagen. Vor meinem neüjahrswunsch zu dancken, were auch nicht nohtig geweßen; den wie man zu Paris sagt, cela va sans dire. Alle menschen klagen sich dieß Jahr, ist eine gar ungesundte zeit undt wetter; aber die die ersten fortgehen, seindt warlich nicht die unglückligsten, sondern die, so noch viel unglück außstehen müßen. Ich bin doch fro, liebe Louise, daß Ihr wider beßer seydt. Im Braunsweig sagt man: Ich bin wider Hanßgen frischer knecht, auff wenigst sagt man zu meiner zeit so. Man kan auch sagen wie die Zigeuner: Du lang lebst, du alt wirst; [007] daß fehlt nicht, ebensowenig alß die runtzellen mitt dem alter. Ich bin sehr der Braunsweiger meinung, daß vor kopffwehe nichts beßers ist, alß in die lufft gehen; daß kan nicht schaden, mitt kopffwehe in kalte lufft zu gehen. Der husten hatt mich dieß jahr abermahl übel tractirt; dazu ist kalte lufft nicht gutt, auch hütte ich mich davor. In der gantzen welt sein nun husten, gantz Frannkreich ist voll davon undt auch Englandt; sehe, daß man auch in Ittallien drüber klagt. Gestern, apropo von Ittallien, entpfing ich einen brieff von der königin von Sardinien; die bericht mich, daß der heüraht mitt ihrem herrn sohn undt der printzes von Sultzbach gantz geschloßen ist. Ich kan nicht begreiffen, wie oder warumb dießer heüraht gemacht ist worden. Dießer heüraht ist ein wenig considerabler, alß die princesse d’Auvergne; printzessin du Piedmont zu werden, ist warlich eine andere sache, alß graff von Berg ob Soom[8]. Dieße zwey geschwister seindt gar übel abgetheilt in ihrem heüraht. Ich fürchte, der letzte würde den ersten brechen undt daß die königin von Sardaignen, so gar woll weiß, waß daß auvergnische hauß ist, nicht gern in dieße schwegerschafft eintretten würde. Aber es scheindt woll, daß verhengnuß so woll in heürahten ist, alß im leben undt sterben. Es ist ein stieffvatt[e]r undt nicht schwiegervatter, den der printz von Sultzbach bekompt; aber seine rechte schwigermutter steckt in einem closter zu Paris, wo sie keinen menschen sicht, weder mans- noch weibspersonnen von ihren verwanten, wie man mir gesagt hatt. Aber ich muß nun meine pausse machen; nach dem eßen werde ich dießen brieff außschreiben.
Donnerstag, den 15 Janvier, umb 4 uhr nachmittags.
Ich hatte so dieße nach[t] so bitter über[9] geschlaffen auß ängsten vor meinem enckel, daß ich, seyder ich ihn gesehen undt, gott lob, beßer gefunden, hab ich mich nach dem eßen ein wenig in meiner chaisse eingeschlaffen, habe woll anderthalb stundt geschlaffen. Daß hatt mir mein kopffwehe gantz benohmen, so ich gar starck hatte. Bißher geht es noch woll; gott gebe, daß es umb 6 so sein mag! lch komme nun wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war. Wo mir recht ist, so war es ahn die pfaltzgraffen von Sulzbach. Wie ist es möglich, daß Churpfaltz undt Churtrier in einen heüraht von einen pfaltzgraffen consentiren, ohne zu [008] wißen, wer die leütte sein, so sie heürahten sollen? Ich habe nie pretentirt, die sach zu hindern, sondern nur unßern pfaltzgraffen zu erkennen zu gehen, wie l[e]icht sie in heürahten consentiren, dieße[10] sie selber nicht wißen, waß es ist. Freylich hette der junge printz noch lange jahren sein können, ohne zu heürahten. Er hatt sich, glaub ich, so geeylt, geheüraht zu werden, auff[11] förcht, daß man ihn geistlich machen mögte, wovor er gar ein großes abschew hatte, welches ich ihm nicht verdencken kan. Ich glaube, Ewere kinder haben auß purer complaissance eine neüjahr, so ich Euch geschickt, admirirt; den es ist woll gar nichts magnifiques dran, nur eine bagattelle, umb Eüch ahn mich den neüjahrstag zu erinern undt Eüch nach alten teütschen brauch ein klein, aber nicht magnifiq neüjahr zu schicken. Mich deücht, es ist ordinary, wen man kin[d]betterwartterin ist, daß man keine vissitten vor die 6 wochen gibt. Mein beüttel, liebe Louise, müste woll ellendt sein, wen es[12] solche sagen[13] nicht ertragen könte. Ohne ruhm zu melten, so hab ich diß neüjahr woll 5 mahl so viel außgeben. Bey Schaußerey[14] seindt keine andere geschencke außgetheilt, alß noeud d’epée[15] undt schachteln. Wer aber magnifique pressenten geben hatt, daß seindt die, so die königin in Spanien ahn unßer printzes des Asturie[s] undt ihrem herrn geben. Ich habe die relation davon; ich werde Eüch übermorgen eine copie davon schicken, liebe Louise! Es ist kein wordt nicht wahr, daß ich der printzes von Wallis wein geschickt habe; ich weiß nicht, ob mein sohn es gethan, aber ich gar nicht. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben völlig beantwortet undt man bringt mir eines. Ihr müst Eüch entwetter verschrieben haben, liebe Louise, oder es müßen mir 6 von Ewe[r]n lieben schreiben fehlen; den Ewer letztes war von no 94 vom 30 December undt daß heüttige ist vom 3 Januari, no 1; also müst Ihr Eüch nohtwen[d]ig verschrieben haben, aber durch den wie vielten sehe ich doch; daß es nur im no fehlt undt daß Ihr no 1 vor 95 geschrie[be]n habt. Da kompt mein sohn herrein, ich kan also heütte nicht auß[16] diß letzte andtwortten, werde es vor sambstag sparen undt nun nur sagen, daß ich ohnmoglich mein brieff überleßen kan, nur in eyll sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Januar 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 5–8
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1192.html
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