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Paris den 30 Jannuari 1721 (N. 62).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes
schreiben vom 14 dießes monts, no 4, mitt freüden entpfangen;
den ich bin woll in rechten ängsten undt sorgen vor Eüch, liebe
Louise, geweßen. Gott sage ich vom grundt der seelen lob undt
danck, daß er Eüch daß leben wider geschenckt hatt. Er wolle
Eüch ferner gnädig erhalten! Weillen ich aber nicht zweyffle, daß
Ihr, liebe Louise, in sorgen vor mich seydt, so will ich Eüch
meinen standt berichten. Morgen wirdt es 8 tag, daß ich, gott lob,
daß quinquina, so mir so erschröckliche magen-schmertzen verursachet
hatte, [los geworden bin]. Daß fieber ist nicht wider kommen, aber
ich habe noch einen starcken husten, großen wiederwillen zum eßen
undt eine solche abscheüliche mattigkeit, daß, wen ich zwey lignien
geschrieben, muß ich ahtem schöpffen, alß wen ich geloffen hette.
So lang [ich] in der welt bin, hab ich keine so erschreckliche
mattigkeit entpfunden; ich bin, alß wen mir die seel außgehen solte.
Dem seye, wie gott will, ich ergebe mich gantz in seinen heylligen
willen, es seye zu leben oder zu sterben. Ich sehe noch gar wenig
leütte; so baldt ich aber den kleinen Grabenbrock, den secretarius
von Churpfaltz, sehen werde, will ich ihm Ewer sach
recommandiren. Mehr kan ich heütte ohnmöglich sagen, alß daß ich Eüch,
liebe Louise, biß ahn mein endt lieb behalten werde.