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Brief vom 6. Februar 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1199.


[012]
Paris den 6 Februari 1721 (N. 64).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich 2 von Ewern lieben schreiben entpfangen vom 18 undt 21 Januari, no 5 undt no 6. Ich habe der fraw von Ratzamshaussen Ewer schreiben überlief[e]rt, liebe Louise! Die wirdt Eüch heütte den gantzen verlauff von mein[e]r kranckheit berichten, welche gefährlich geweßen. Ich habe aber, gott sey danck, nicht die geringste forcht gehabt undt mich gantz geruhig in den willen gottes ergeben. Er hatt mich noch nicht gewolt. Gott gebe, daß es mir nicht zum schaden gereichen mag, sondern zu gottes ehre undt mein bestes! Ich habe noch alß eine gutte undt eine böße nacht; dieße ist die gutte geweßen. Ich habe, gott sey danck, gar woll geschlaffen, drumb will [013] ich auch ahnfangen, mich wider ahnzuthun en robe de chambre. Daß ist alles, liebe Louisse, so ich Eüch von meinem itzigen standt sagen kan, undt daß ich auch wider ahnfange zu eßen; man macht mich nun zu mittag undt zu nacht eßen. Ich bin abscheülich mager geworden undt auch schwach; waß mich noch schwacher macht, ist, daß ich nachts noch sehr schwitze. Aber hiemitt genung von dießem langweilligen gespräch! Die posten gehen überzwerger, alß nie, undt wie ich sehe, so bekompt Ihr, liebe Louisse, meine schreiben 2 undt 2 auff einmahl, wie ich die Ewerige. Meine kranckheit ist nichts anderst, alß eine melancolische galle, so mich schir gantz verbrendt hatt. Man hatt mich offt purgirt undt endtlich viel vertrieben. Gott weiß, waß weitter werden wirdt; den lustiger werde ich woll nicht werden, den es ist ohnmöglich. Nichts kan mich erfrewen; in dem fall kan ich sagen, daß es mitt mir auß ist. Viel sachen können mich noch betrüben, aber ich kan nichts erdencken, so mich erfreüen könte; also muß mein miltz sich mitt der zeit woll wider mitt der bößen schwartzen galle füllen, so mir endtlich den garauß machen wirdt. Aber daß geht nur nach der welt ordonnung[1]; den wie in dem psalm stehet: Unßer leben werdt[2] 70 jahr. Da komme ich nun nahe herbey, also auch nahe zu meiner erlößung; also kan ich mich woll mitt gedult in gottes willen ergeben. Wie konte ich in Paris gesundt bleiben? Ich bin mein leben nicht 8 tag gesundt in der lufft geblieben. Mein dochter[3] hatt mich gar woll gouvernirt noch dießmahl; hette er mir ader gelaßen, wie andere gewolt, wehre ich gar gewiß gestorben, den ich hatte nicht starcke undt krafft genung, es außzustehen. Er hatt mir auch gar weißlich daß quinquina abgenohmen, so mir den magen verdorben hatte; den es gab[4] mir große schmertzen in magen verursachet. Gebt Eüch nun zufrieden, liebe Louisse! Ich bin gewiß dießmahl wider salvirt. Matt bin ich noch, aber daß kan in meinem alter nicht anderst sein nach einer so schwehren kranckheit. Mein kopff ist schwag[5], habe aber die schmertzen nicht mehr, so ich gehabt. Ich erfrewe mich mitt Eüch, daß graff Degenfelt außer gefahr ist. Esquinancien[6] seindt schlime kranckheitten. Ich dancke Euch sehr, liebe Louise, vor alle Ewere gutte wünsche. Ich kome jetzt auff [014] Ewer zweytes liebes schreiben. Die folgende post werdet Ihr woll wider 2 von meinen schreiben auff einmahl bekommen haben. Kranck bin ich nicht sehr mehr, aber auch kan ich nicht sagen, daß ich woll bin wegen meiner abscheülichen mattigkeit; es wirdt mitt der zeit beßer werden. Die abscheüliche sturmwinde, so eine zeit her rumort haben, verhindern die englische brieffe. Die fürstin von Hatmar[7] hatt mir, wie sie zu Straßburg [war], brieff über brieff geschrieben undt lautter impertinenten propossitionen. Ich habe nicht andtwortten laßen. A sotte demande point de response, wie daß sprichwordt sagt. Aber ich muß schließen; den ich fühle die mattigkeit. Ewere beyde schreiben seindt beantwortet, bleibt mir nur überig, zu sagen, daß, in welchem standt ich auch sein mag, werde ich Eüch, hertzliebe Louise, allezeit lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Februar 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 12–14
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1199.html
Änderungsstand:
Tintenfass