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Brief vom 22. Februar 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1204.


[022]
Paris den 22 Februari 1721 (N. 68).
Hertzallerliebe Louise, ich begreiffe leicht, daß die unordenung von der post Eüch ungedultig macht; es ist auch in der that recht verdrießlich. Gestern bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 4 [023] dießes monts, no 10, erfrewet worden. Seydt in keinen sorgen mehr! den ich bin nun woll, liebe Louise! Dieß raue wetter undt mein hohes alter erlauben mir keine große krafft undt stärcke, habe allezeit eins umbs ander eine gutte undt eine böße nacht; dieße ist meine böße geweßen, daß bestehet in lendenwehe, grempff undt unruhe, bin von 2 biß 6, ohne zu schlaffen; andere nacht schlaffe ich gar woll undt ruhig. Morgendt, ich will sagen zu mittag, habe ich gantz keinen apetit, aber gegen 7 uhr zicht undt drückt mir mein magen so sehr, daß ich eßen muß, umb ruhe zu haben; alßden eße ich mitt guttem apetit. Ich gehe morgendts umb ein viertel auff 12 in die capel betten, bin mitt wattene charpe[1] gar woll eingesteckt. Wen ich auß der kirch komme, gehe ich ahn taffel, hernach gehe ich nicht auß meinem cabinet; umb halb 8 eße ich zu nacht, umb 6 spillen madame de Chasteautier[2] … cadrille[3]. Ich amussire mich, ihr spiel zu ziehen[4] vor undt nach dem eßen. Umb 3 viert[e]l auff 9 gehe ich in mein cammer undt nach bett. Daß ist all mein leben, so ich nun führe, welches, wie der kleine Paul alß pflegt zu sagen, gar eine mitte[l]mäßige freüde ist. Aber waß will man thun? Alles hatt seine zeit, die jugendt ist die zeit der lust undt freüde undt daß alter der langeweill. Böße zeittungen kommen alß er[5], alß gutte; were ich gestorben oder wieder übeller worden, würdet Ihr es, liebe Louise, schon erfahren haben; also seydt in keinen sorgen mehr! Dieß leben ist woll desobligent[6], wie madame de Bregie[7] alß pflegt zu sagen; daß felt mir alß wieder ein. Gestern hatt der duc de la Force einen großen affront bekommen. Er wolte sich in den platz von duc et pair im parlement setzen, da hatt ihn der premier pressident auffgehalten undt gesagt, es gebühr ihm nicht, da zu sitzen, undt hatt einem hussié[8] geruffen: Faitte[9] sortir la Force! Wie er in die kutzsch geßeßen, hatt ihm der pöpel nachgeloffen undt geschriehen: Il a chié au lit. Er hatt ordre, nicht auß seinem hauß zu geben, undt daß geschrey gehet, daß er gantz von seinem hertzogthum degradirt solle werden. Daß ist eine rechte straff gottes; den er den mamon allein vor seinen gott gehalten undt seine arme mutter [024] schir hungers sterben laßen, hatt auch die armen Reformirten abscheülich verfolgt, hatt sich dadurch von den pere de la Chaisse[10] undt der Maintenon eine pension vom könig zuwegen [gebracht], aber niemandt hatt ihn sonst aprobirt. Da strafft ihn nun gott der allmächtige vor, daß er vor der gantzen welt zu schanden wirdt; kan ihn nicht beklagen[11]. Es wirdt mir auch lieb sein, daß die, so die armen Juden zu Franckforth so bestollen haben, ihren verdinten lohn bekommen mögen. Ich habe recht abscheü vor dieben; daß ist nun gar gemein undt bey denen, so man les plus haut hupes[12] heißen kan. Aber stille! ich will nicht hievon reden, es mögte mich zu weit in gelach[13] bringen. Ich dancke meinen gott, daß mein sohn nicht interessirt ist. Zu Heydelberg, ehe Ihr gebohren, wurdt auch, ehe Ihr gebohren, wurdt ein groß geschrey von einen gespenst, so alle nacht mitt feüerigen augen undt großen geblär durch die Ketten-gaß ging. I. G. der churfürst, unßer herr vatter, ließ dem gespenst auffpaßen undt fangen; da ertapte man 3 oder vier studenten, so Frantzosen wahren. Einer, so Beauregard hieß undt deß general Bathasars schwager war, der war daß kalb undt die andern da, ich glaube, monsieur Dangeau bruder, Coursillon[14], so jetzt abbé ist, zu der musiq halff. Wen man die gespenster genau examinirt, kompt alß so waß herrauß. Heütte weiß ich nichts neües, sage also weitter vor dießmahl nichts, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Madame Dangeau schickte mir gestern einen brieff vor ihre fraw schwester, die fürstin von Ussingen, daß kompt hirb[e]y.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Februar 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 22–24
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1204.html
Änderungsstand:
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