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Paris den 15 Mertz 1721 (N. 74).
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet auß meinem letzten schreiben
vom vergangen donnerstag ersehen haben, wie daß ich Ewer liebes
schreiben von 1 dießes mondts, no 17, selbigen abendt zu recht
entpfangen; sehe, daß die post die schlimme fantessie wieder
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ahnfengt, Eüch meine schreiben, liebe Louise, zwey auff einmahl zu
geben. Es ist doch noch etwaß, daß sie Eüch ein frisches haben
zukommen [laßen]; daß ist aber nur, umb zu weißen, daß sie es
beßer machen könten, wen sie wolten, also nur lautter boßheit.
Woll zu thun undt damitt fortzufahren, darauff muß man hir nicht
zehlen. Ich bin nun, gott seye danck, wider gantz gesundt undt
habe keine böße nächte mehr, welches desto mehr zu verwundern,
indem die kälte wider eingefahlen undt grimiger ist, alß nie. Alle
nächte friert es erschrecklich; man bringt mir alle[weil] ein stück
eiß, so dieße nacht gefrohren in der cammer von einen von meinen
leütten, so 3 gutter finger dick ist. Alles obst ist dahin, auch vor
wein undt korn zu förchten. Eine solche frost hatt man den
15 Mertz woll nie erlebt. Son[n]enschein haben wir alle tag; aber man
sagt, daß dieß ahm meisten schaden ahm obst thut. Ob der
frühling zwar gar nahe nun ist, so helt sich der wintter noch fest. Ich
fürchte, liebe Louise, daß die neüe kälte Eweren husten auch wider
herbey bringen wirdt, wie es unßerer hertzogin von Hannover undt
madame la princesse widerfahren. Ich müste abscheülich falsch
[sein], wen ich Eüch so offt sagte, daß ich Eüch lieb habe, undt
es nicht wahr wehre; aber wen man jemandts lieb hatt undt gar
kranck weiß, kan man ja nicht laßen, in sorgen zu sein; den von
alle, die wir in dießer welt leben, ist keines unsterblich undt ich
habe leyder nur zu viel dergleichen unglück erlebt. Daß macht
einem bang, daß ist gantz natürlich undt meritirt keine so große
dancksagung, alß Ihr mir, liebe Louise, thut. Freylich stehet alles
bey gott dem allmächtigen. Ich habe auß Londen nicht allein
milord Stanops
[1] todt erfahren (welches mir meines sohns wegen gar
leydt geweßen, den er war sein großer freündt), sondern ich habe
auch zwey andere todt erfahren, welche ich aber nicht gekandt
habe, wie den Stanop, nehmblich mylord Kregts
[2], so auch secretaire
d’estat war, undt der duc de Ruttant
[3]. Dieße zwey seindt ahn den
kinderblattern gestorben, milord Stanop aber von einer abscheüliche
desbeauche
[4], so 4 mylords mitt einander gethan haben, seindt alle
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4 davon auff den todt gelegen; zwey sein davon kommen, weill
einem daß bludt auß den ohneren
[5] gangen undt dem andern eine
ader ahm schlaff auffgebrochen, daß hatt sie salvirt. Ich kan die
lust von den abscheülichen desbeauchen nicht begreiffen, findt es
bestiallisch. Eweres docktoren todt hattet Ihr mir noch nicht, alß
jetzt geschrieben. Weillen es ein gutter docktor war, erscheindt
es woll, waß ich allezeit sage, nehmblich daß, wen eine kranckheit
zum todt gehen solle, muß allezeit vorher verblendung kommen.
Der arme man hatt sich in gutter intention umbgebracht, weillen
es war, seinen patienten beyzustehen; die leben bleiben sollen, den
wirdt unßer herr den überigen docktoren schon eingeben, waß zu
der krancken besten dint; daß bin ich fest persuadirt. Meine böße
nächte seindt vorbey, wie ich Eüch schon gesagt, liebe Louise!
Kein Bourgogner wein kan ich drincken, findt, daß er stinckt. Außer
Champagner wein steht mir kein frantzoscher wein ahn, ich könte
eher sauer eßen undt drincken, alß den stinckenden Bourgogner.
Es ist gewiß, daß die krampff von winden kommen; aber alles, waß
man vor die winde nimbt, alß fenchel undt annis, findt ich, daß
noch mehr winde macht. Ob der duc de la Force zwar wieder im
parlement ist examinirt worden, spricht man doch nicht mehr von
ihm, noch von allen den divorcen, sondern allein von dem
türckischen abgesanten. Alle damen zu Paris lauffen ihm nach undt das alle
tag. Es ist eine schandt, daß sie ahn dießen frembten sich so erweißen,
waß sie in der that seindt. Es geht hir wie vor der sündtflut; den
man kan woll sagen, daß alles fleisch seinen weg verkehrt hatt
[6].
Wenig leütte seindt jetzt hir, so waß deügen, keinen andern gott
haben, alß den gott Mamon
[7], undt die weiber undt mäner den
Miplezet
[8], also woll kein wunder, wen gott diß landt strafft. Wer
hatt Eüch gesagt, daß die duchesse de la Force nicht dießes ducs
fraw mutter, so in Englandt ist? Sie ist es gar gewiß; ich kene
sein gantz geschlecht, habe seinen vatter gekandt, seine mutter,
sein bruder undt schwester. Die schwester ist hofffreüllen bey
madame la dauphine von Bayern geweßen, wurde hernach deß
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dauphins metres, aber so desbeauchirt undt untreü, daß er sie
verlaßen, lebt noch ellendt nun. Sie deügen alle nichts, so viel ihr
sein; die mutter allein ist eine gutte erliche fraw; deren mutter
hab ich auch gekandt, war eine Hollanderin, recht gutte leütte. Der
comte de Thoulouse
[9] hatt ihr hauß zu Fontain[e]bleau gekaufft, so
La rivière heist; sie hatte noch eine dochter, die hatt sie nicht so
hoch verheüraht, sondern nur ahn einen rahtsherrn vom parlement,
so monsieur Le coq
[10] hieße. Ihr habt, liebe Louise, gar recht
errahten, warumb der duc de la Force die Reformirten so
abscheülich verfolgt, hatt sich durch der Maintenon eine pension davor
geben laßen; auß eyffer von der religion konte er es nicht thun, er
ist ja selber reformirt geweßen. Der printz vom hauß Condé, so
geistlich ist, hatt den ordre vom St esprit noch nicht, den er ist
nur 12 jahr alt; hatt sich einer davor außgeben, muß es ein fourbe
sein. Alle prince du sang seindt hir; ich wolte gern, daß sie
weytter wehren, so were ich mehr in ruhe, alß ich bin. Es wundert,
daß man gelacht, wie der page daß wordt von Condé so übel
außgesprochen. Aber hatt er es nicht auß muhtwillen gethan? den
solch bursch undt muhtwillen gehen offt mitt einander. Ich habe
der fürstin von Ussingen brieff gleich ahn ihre schwester geschickt.
Eine gutte stundt hernach schickt sie mir einen; ob er vorher
geschrieben war, oder eine andtwordt ist, kan ich nicht wißen; habe
es Eüch gleich vergangenen donnerstag in mein paquet einschließen
laßen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, werde
also nichts mehr vor dießmahl [sagen], alß daß ich Eüch, liebe
Louise, von hertzen lieb behalte.