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Brief vom 15. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1210.


[045]
Paris den 15 Mertz 1721 (N. 74).
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet auß meinem letzten schreiben vom vergangen donnerstag ersehen haben, wie daß ich Ewer liebes schreiben von 1 dießes mondts, no 17, selbigen abendt zu recht entpfangen; sehe, daß die post die schlimme fantessie wieder [046] ahnfengt, Eüch meine schreiben, liebe Louise, zwey auff einmahl zu geben. Es ist doch noch etwaß, daß sie Eüch ein frisches haben zukommen [laßen]; daß ist aber nur, umb zu weißen, daß sie es beßer machen könten, wen sie wolten, also nur lautter boßheit. Woll zu thun undt damitt fortzufahren, darauff muß man hir nicht zehlen. Ich bin nun, gott seye danck, wider gantz gesundt undt habe keine böße nächte mehr, welches desto mehr zu verwundern, indem die kälte wider eingefahlen undt grimiger ist, alß nie. Alle nächte friert es erschrecklich; man bringt mir alle[weil] ein stück eiß, so dieße nacht gefrohren in der cammer von einen von meinen leütten, so 3 gutter finger dick ist. Alles obst ist dahin, auch vor wein undt korn zu förchten. Eine solche frost hatt man den 15 Mertz woll nie erlebt. Son[n]enschein haben wir alle tag; aber man sagt, daß dieß ahm meisten schaden ahm obst thut. Ob der frühling zwar gar nahe nun ist, so helt sich der wintter noch fest. Ich fürchte, liebe Louise, daß die neüe kälte Eweren husten auch wider herbey bringen wirdt, wie es unßerer hertzogin von Hannover undt madame la princesse widerfahren. Ich müste abscheülich falsch [sein], wen ich Eüch so offt sagte, daß ich Eüch lieb habe, undt es nicht wahr wehre; aber wen man jemandts lieb hatt undt gar kranck weiß, kan man ja nicht laßen, in sorgen zu sein; den von alle, die wir in dießer welt leben, ist keines unsterblich undt ich habe leyder nur zu viel dergleichen unglück erlebt. Daß macht einem bang, daß ist gantz natürlich undt meritirt keine so große dancksagung, alß Ihr mir, liebe Louise, thut. Freylich stehet alles bey gott dem allmächtigen. Ich habe auß Londen nicht allein milord Stanops[1] todt erfahren (welches mir meines sohns wegen gar leydt geweßen, den er war sein großer freündt), sondern ich habe auch zwey andere todt erfahren, welche ich aber nicht gekandt habe, wie den Stanop, nehmblich mylord Kregts[2], so auch secretaire d’estat war, undt der duc de Ruttant[3]. Dieße zwey seindt ahn den kinderblattern gestorben, milord Stanop aber von einer abscheüliche desbeauche[4], so 4 mylords mitt einander gethan haben, seindt alle [047] 4 davon auff den todt gelegen; zwey sein davon kommen, weill einem daß bludt auß den ohneren[5] gangen undt dem andern eine ader ahm schlaff auffgebrochen, daß hatt sie salvirt. Ich kan die lust von den abscheülichen desbeauchen nicht begreiffen, findt es bestiallisch. Eweres docktoren todt hattet Ihr mir noch nicht, alß jetzt geschrieben. Weillen es ein gutter docktor war, erscheindt es woll, waß ich allezeit sage, nehmblich daß, wen eine kranckheit zum todt gehen solle, muß allezeit vorher verblendung kommen. Der arme man hatt sich in gutter intention umbgebracht, weillen es war, seinen patienten beyzustehen; die leben bleiben sollen, den wirdt unßer herr den überigen docktoren schon eingeben, waß zu der krancken besten dint; daß bin ich fest persuadirt. Meine böße nächte seindt vorbey, wie ich Eüch schon gesagt, liebe Louise! Kein Bourgogner wein kan ich drincken, findt, daß er stinckt. Außer Champagner wein steht mir kein frantzoscher wein ahn, ich könte eher sauer eßen undt drincken, alß den stinckenden Bourgogner. Es ist gewiß, daß die krampff von winden kommen; aber alles, waß man vor die winde nimbt, alß fenchel undt annis, findt ich, daß noch mehr winde macht. Ob der duc de la Force zwar wieder im parlement ist examinirt worden, spricht man doch nicht mehr von ihm, noch von allen den divorcen, sondern allein von dem türckischen abgesanten. Alle damen zu Paris lauffen ihm nach undt das alle tag. Es ist eine schandt, daß sie ahn dießen frembten sich so erweißen, waß sie in der that seindt. Es geht hir wie vor der sündtflut; den man kan woll sagen, daß alles fleisch seinen weg verkehrt hatt[6]. Wenig leütte seindt jetzt hir, so waß deügen, keinen andern gott haben, alß den gott Mamon[7], undt die weiber undt mäner den Miplezet[8], also woll kein wunder, wen gott diß landt strafft. Wer hatt Eüch gesagt, daß die duchesse de la Force nicht dießes ducs fraw mutter, so in Englandt ist? Sie ist es gar gewiß; ich kene sein gantz geschlecht, habe seinen vatter gekandt, seine mutter, sein bruder undt schwester. Die schwester ist hofffreüllen bey madame la dauphine von Bayern geweßen, wurde hernach deß [048] dauphins metres, aber so desbeauchirt undt untreü, daß er sie verlaßen, lebt noch ellendt nun. Sie deügen alle nichts, so viel ihr sein; die mutter allein ist eine gutte erliche fraw; deren mutter hab ich auch gekandt, war eine Hollanderin, recht gutte leütte. Der comte de Thoulouse[9] hatt ihr hauß zu Fontain[e]bleau gekaufft, so La rivière heist; sie hatte noch eine dochter, die hatt sie nicht so hoch verheüraht, sondern nur ahn einen rahtsherrn vom parlement, so monsieur Le coq[10] hieße. Ihr habt, liebe Louise, gar recht errahten, warumb der duc de la Force die Reformirten so abscheülich verfolgt, hatt sich durch der Maintenon eine pension davor geben laßen; auß eyffer von der religion konte er es nicht thun, er ist ja selber reformirt geweßen. Der printz vom hauß Condé, so geistlich ist, hatt den ordre vom St esprit noch nicht, den er ist nur 12 jahr alt; hatt sich einer davor außgeben, muß es ein fourbe sein. Alle prince du sang seindt hir; ich wolte gern, daß sie weytter wehren, so were ich mehr in ruhe, alß ich bin. Es wundert, daß man gelacht, wie der page daß wordt von Condé so übel außgesprochen. Aber hatt er es nicht auß muhtwillen gethan? den solch bursch undt muhtwillen gehen offt mitt einander. Ich habe der fürstin von Ussingen brieff gleich ahn ihre schwester geschickt. Eine gutte stundt hernach schickt sie mir einen; ob er vorher geschrieben war, oder eine andtwordt ist, kan ich nicht wißen; habe es Eüch gleich vergangenen donnerstag in mein paquet einschließen laßen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, werde also nichts mehr vor dießmahl [sagen], alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 45–48
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1210.html
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