Seitenbanner

Brief vom 29. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1214.


[061]
Paris den 29 Mertz 1721 (N. 78).
Hertzallerliebe Louise, vergangen donnerstag habe ich Ewer liebes schreiben vom 15, no 21, zu recht entpfangen, alß ich eben auß dem opera von Thessée kam, wo alle Türcken in gewest wahren. Aber ich glaube, ich habe es Eüch schon vergangenen donnerstag gesagt. Weillen Eüch eine post gefehlt, mustet Ihr woll die post hernach zwey von mir entpfangen; den ich schreibe alle posten, wie ich Eüch versprochen habe, liebe Louise! Daß Ewere brieff so alt werden, ist nichts anderst, alß eine zergerey[1] von denen, so die post regieren, hoffen, mir dadurch verdruß zu geben. Ahn dießen gentillessen bin ich gantz gewohnt. Daß Eüch die bri[e]ffe auß Englandt nicht richtig kommen, ist kein wunder, weillen sie durch die winde regieret werden. Seyder 3 nächte haben wir abscheüliche windt undt regen, rechte sturm, daß wirdt die brieffe von Englandt [aufhalten]. Die von Rom gehen geschwinder. Gestern morgendts kam ein courir ahn, daß der herr papst[2] endtlich den 19 dießes monts verreckt ist, welches die hießige cardinäls sehr betrübt, weillen sie nach Rom müßen, umb einen papst zu machen. Daß kost ihnen viel gelt undt führt sie von Paris, wo sie gern sein. Aber warumb wollen alle die pfaffen cardinals sein undt hernach verzweyfflen, wen sie nach Rom müßen? Daß wetter ist erschrecklich geendert, liebe Louise, den von der grimigen kälte, so wir gehabt haben, ist nun eine hitze, daß man recht schwitzen muß. Gestern muste ich alles feüer außleschen laßen. Ich glaube, daß daß kein gesundt [062] wetter ist, die verenderung ist zu plötzlich. Manheim ist ein wanner ort; ich erinere mich, daß wir einmahl in der Mühlaw zu nacht aßen den ersten May; alles war gantz grün, es kam so ein schrecklich donnerwetter, alß wen himmel undt erden vergeben [sollten]. Euer fraw mutter wurde bang, aber sie konte doch daß lachen nicht halten, wie sie die abscheüliche grimassen sahe, so die forcht meiner hoffmeistern, der jungfer Colbin, zu wegen bracht; ich meinte, mich kranck zu lachen. Alle[s] obst ist hir erfrohren; es ist mir nur leydt umb die gutte pfirsing von St Clou. Ich bin nun in so gar gutter gesundtheit wider, daß, wen mir nicht waß sonderliches zu kompt, so ich jetz[t] nicht vorsehen kan, ist es aparentz, daß ich dießen herbst noch erleben werde undt noch nicht in der großen geselschafft in St Denis sein. Es ist woll war, daß mich nichts beßers schützen kan, alß gott der allmächtige; dem muß man auch alles ergeben. Meines sohns ohnmäßliche sanfftmuht macht mich offt so ungedultig, daß ich trepeln mögte; den die Frantzoßen haben daß, umb mitt ihnen umbzugehen können, müßen sie entwetter große hoffnung haben, oder fürchten. Danckbarkeit muß man nicht bey ihnen suchen, noch wahre affection[3]. Ich habe meinem sohn offt gesagt, ich kene seine nation beßer, alß er; nun gestehet er mir, daß ich recht gehabt. Mitt gutten gemühtern richt man mehr mitt samfftmuht auß, alß mitt strengigkeit, aber die seindt gar rar hir im landt. Der abscheüliche geitz undt interesse helt sie davon ab, undt waß ihren geitz vermehrt, daß thut der luxe undt das hohe spillen[4], den da gehört viel gelt zu. Daß ist in general, [063] aber hernach auch die desbeauche hilfft viel dazu, den metressen undt favoritten müßen bezahlt werden, daß nimbt auch ein groß gelt weg. Die St Sulpice[5] ist nicht gestorben, aber sie wirdt ihr leben lahm; man hofft nun, daß sie sich bekehren wirdt. Die printzen [vom hause Condé] haben ihren herrn vatter jung verlohren; die fraw mutter hatt nie ahn ihrer kinder, printz noch printzessinen, aufferzucht gedacht, nur ahn ihr divertissement, biß 5 morgendts zu spillen, viel zu eßen, in spectaclen zu gehen; sonsten hatt sie ihr leben ahn nichts gedacht. Daß hatt ihre kinder alle so woll erzogen; wie die alten singen, so pfeyffen die jungen. Aber sie ist schon durch ihre kinder gestrafft worden, den der comte de Charoloy[6], [als] sie ihn ein[e]s mahls filtzen wolte über sein dolles leben, andtwortete er: Il faut que le jeune Lassé[7] [064] n’ayt[8] pas bien fait son devoir cette nuit, [puis]que vous estes de si mauvais[e] humeur; si vous nous donnies des mellieurs[9] exemple[s], nous vivrions mieux. Daß ist zwar ein abscheülicher discours von einem sohn ahn ihre[10] fraw mutter, aber sie hat es auch woll verdint[11]. Von der h. schriefft weiß keiner von dießen printzen kein eintziges wordt; ich weiß nicht, ob sie einmahl wißen, daß ein gott ist. Den marquis d’Ambre[s] hette ich nie vor so fromb ahngesehen, sich so über seines sohns leichtfertiges leben zu betrüben[12]; den man sagt alß, daß alte leütte sich nichts mehr zu hertzen ziehen, undt er war über die 80 jahr[e] alt; aber ich glaube, daß ihn noch mehr betrübt hatt, daß sein sohn so übel mitt seiner frawen lebt, war, weill sie deß marquis de Mesme[s], deß premier pressidenten, dochter ist. Die kunst, seine betrübtnuß so woll abzumeßen, daß sie einem nicht schaden, stehet nicht bey unß. Ihr wist woll, liebe Louise, daß unßere stunden gezehlet sein; die kan man nicht übergehen; alleß muß sich dazu schicken undt ist ahn einander [065] verhengt, wie ketten, eines zicht daß andere nach sich; unßer herrgott hatt es so verortnet. Nein, es war nicht Du Freni[13], der madame de St Sulpice liedt[14] gemacht; daß thun die junge leütt von qualitet. Es ist noch eins gemacht worden, so aber arger vor monsieur le duc, alß madame de St Sulpice:
Au grand Condé qui dans la guerre
Estoit plus craint que le tonnere,
Bourbon, que tu ressemble peu!
A 30 an tu n’est qu’un novice
Et n’a[s] point pas encore veü de feu.
Qu’a la brèche de St Sulpice.
Man kan doch daß lachen nicht halten, wen man solche lieder hört. Printz Carl von Philipsthal sach ist außgemacht, er ist general-leüttenampt undt hatt 1800 francken pension, [er ist] damitt gar woll zufrieden. Gott gebe, daß er es allezeit sein mag! Ahn religion endern denckt er nicht, noch niemandts. Warumb solte er nicht so woll reformirt bleiben können, alß der pfaltzgraff von Birckenfelt lutterisch? Mein sohn ist gar nicht reich undt hatt kein gelt gezogen wie die prince du sang; er ist so wenig interessirt, daß er nicht einmahl die sum hatt nehmen wollen, so ihm alß regenten gebührt. Er gibt dem printz Carl die pension nicht, sondern der könig; mein sohn erhelt deß königs generalen nicht. Man hatt dieß[e]m printzen groß unrecht in Denemarck gethan. Aber nun muß ich meine pausse machen.
Sambstag, den 29 Mertz, umb 1 uhr nachmittags.
Es ist eine gutte halbe stundt, daß ich von taffel bin, wo ich woll geplagt geweßen; 2 cardinals seindt gekommen, abschiedt von mir zu nehmen, weillen sie alle im anfang der andern woch nach Rom werden. Nun hoffe ich doch, ehe ich außfahre, madame la princesse zu besuchen, völlig auff Ewer liebes schreiben zu andtwortten, nur noch vorher sagen, daß meine leütte mir gesagt, daß heütte die gänße vom baron Görtz, so Ihr mir geschickt, ahnkommen sein; dancke Eüch, liebe Louise, davor so gesorgt zu haben. Gott bewahre Eüch, daß Ewer husten nicht daweren wie einen, so ich einmahl gehabt, so mir 9 mont gewehrt! Ich schicke Eüch [066] hirbey ein stück cachou. Ein Parisser edelman, den ich nicht kene, hatt mich bitten laß[en] durch einen [von] seinen freünden, Eüch zu bitten, ihn[15] zu erlauben, zu Eüch zu kommen, umb kundtschafft zu Franckfort zu machen können. Hirbey findt Ihr seinen nahmen. Adieu! In[16] ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 61–66
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1214.html
Änderungsstand:
Tintenfass