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Brief vom 5. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1216.


[068]
Paris den 5 Aprill 1721 (N. 80).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich vollig auff Ewer liebes schreiben vom 22 Mertz, no 23, zu andtwortten, so ich, wie ich Eüch schon geschrieben, vergangenen donnerstag abendts entpfangen. So lang denen so die posten regieren, die fantesie dawern wirdt, werdet ihr alß zwey von meinen schreiben auff einmahl bekommen. Meiner dochter ist es lang auch so gangen, nun geht die post von Lotteringen sehr richtig. Man muß hoffen, daß ihnen einsmahl die fantesie auch ahnkommen wirdt, die teütsche post woll zu gehen machen. Es ist war, liebe Louise, daß die frische brieffe einen größern gefahlen thun, alß wen sie alt sein. Dießen letzten vom 22sten hette ich schon vergangenen montag oder gar sontag haben sollen, [ist] also 5 tag älter, alß er sein solte; aber daß stehet nicht zu endern, werde also nichts davon sagen. Vergangen mitwog hab ich ein schreiben von der printzes von Wallis entpfangen; daß kam auch 2 tag spätter, alß es kommen solte. Die [069] arme printzes kam eben in den kindtsnöhten; bin recht in sorgen wegen I. L., den ich habe noch nicht vernohmen, wie es abgangen, verlange von hertzen darnach. Worinen mir daß schreiben vor dießem geschadt, war, daß ich etlichmahl, wen ich den tag interompirt worden, biß 5 morgendts die gantze nach[t] durch geschrieben. Daß thue ich aber seyder 2 jahren nicht mehr. Der printzes von Wallis schreiben seindt weit davon, langweillig zu sein; sie divertiren mich recht. Eine myledy Köyper[1] die hatt alß poßirlich undt artige einfäll, von welchen mir unßere liebe printzes offt part gibt. Ich wünsche sehr, daß meine schreiben I. L. keine lange weillen geben mögen, allein ich darff solches nicht hoffen, noch mich hierinen flattiren auß mehr, alß einer, ursach; erstlich so lebe ich sehr einsam, sehe wenig leütte, erfahre also wenig neües; ich bin alt, meine vivacitet ist dahin, habe keine lustige noch possirlich einfähl mehr, man muß selber lustig sein undt daß bin ich nicht mehr, alß[2] können meine brieffe nicht anderst, alß langweillig, sein. Aber die printzes ist so gutt undt entschuldiget alles undt erweist mir alle freündtschafft undt amitié, daß ich eine rechte erkandtnuß undt recognoissance davor habe. Daß Ihr, liebe Louise, meine brieffe nicht langweillig findt, ist eben kein wunder; den Ihr habt mich lieb undt von denen, so man lieb hatt, findt man alles gutt undt man ist so froh, in der weitte zeittungen von ihnen zu haben, daß man daß überige gar nicht examinirt undt mit allem zufrieden ist. Zweymahl die woch zu schreiben, hatt mir nie geschadtet, sondern nur, wie ich schon gesagt, die stunden, in welchen ich geschrieben. Daß werde ich niemahlen mehr thun, sondern allezeit auffs allerspätst umb 10 in mein bett sein. Daß hatt aber gar nichts lustiges ahn sich. Weillen Eüch, liebe Louise, meine albere brieffe so gefahlen, so seydt versichert, daß es ahn mir nicht liegen wirdt, daß Ihr deren nicht 2 mahl die woche entpfangt! Den Ihr segt woll durch meine dattum, daß ich alle posten schreibe undt nie fehle. Eweren reimen habe ich nicht in Eweren brieff gefunden; den zeyllen, theil undt glückseeligkeit reimbt ja nicht. Zur poesie bin ich gar nicht geschickt. Ah, ich glaube, ich habe es gefunden:
Wirdt woll ein jedes, groß undt klein,
Gar woll vergnüget sein.
[070] Dießmahl kan ich daß sprichwordt nicht cittiren: Vom foutu sprach der teüffel. Waß fandt er aber? den pfaffen auff der nonen. Aber je vous laisse sur la bonne bouche, wie Crispin zum baron de la Crasse sagt; den ich muß meine pausse machen. Ich bin heütte interompirt worden, den ich habe eine schuldt zahlen müßen, welche die eintzige ist, so ich noch zu bezahlen hatte; es wahren 550 francken. Alles ist bezahlt, waß mein menus-plaisirs-beüttel ahngeht.
Sambstag umb 6 abendts.
Ich habe ohnmöglich eher wider zum schreiben gelangen können, alß nun. Gleich nach dem eßen seindt 2 damen auß Lotteringen zu mir kommen, daß freüllen von Fürstenberg, so man in Teütschlandt nur freüllen Fräntzel heist; sie hatte mitt sich die Lunati[3], so ich glaube, daß Ihr zu Hannover gesehen habt. Wie die weg sein, ist die printzes de Conti kommen, deß printz de Conti fraw mutter, die ist ein[e] glocke-stundt da geblieben. Wie die weg, ist unßere hertzogin von Hannover kommen; die ist auch eine stundt geblieben, hatt mich 2 commissionen vor meinem sohn geben. Hernach ist mein sohn kommen, auch ein stündtgen bey mir blieben; nachdem er weg, habe ich unßer hertzogin schreiben müßen, waß mein sohn geantwordet. Daß hatt mich biß daher geführt, liebe Louise! Ich glaube nicht, daß es mir heütte möglich sein wirdt, durchauß auff Ewer liebes schreiben zu andtworde[n], [will] doch schreiben, biß man mir mein eßen bringt; da kompts eben, aber wie ich keinen hunger habe, werde ich baldt wider schreiben können. Seyder meiner medecin hab ich immer durst undt gar keinen hunger; meine galle fliest noch immer undt seyder montag undt dinstag, daß man mir meinen grünen safft hatt schlucken machen, bin ich 27 mahl zu stuhl gangen, montag 7 mahl, dinstag deßgleichen, mitwog ein mahl, donnerstag 3 mahl, gestern 4 undt heütte 5 mahl. Man muß hoffen, daß alles böße wirdt gelert werden undt ich mitt gesundtheit nach Ostern nach St Clou werde kommen, wo die gutte frische lufft, welche ich seyder 3 monat nicht genoßen, völlig couriren wirdt Aber ich übergebe es dem allmächtigen, wie es sein göttlicher wille; wen er mir nur auff dieße h. Ostern die [071] seele reiniget undt courirt, ahm leib ist gar wenig gelegen undt bekümere mich wenig. Es ist aber auch zeit, daß ich noch ein par wordt von Ewer liebes schreiben sage, ich habe[4] ahn alle unßere dolle printzen geblieben, den wie man daß Missisipi gantz abschafft, müßen sie ihr millionen wider schaffen undt daß macht sie rassent, wie leicht zu rahten ist. Sie seindt rassent undt ich bang undt mein sohn lacht über alles. Man hatt alß eher feindt, mitt denen man zu thun hatt, alß mitt denen man nichts zu thun hatt. Aber es ist halb 9, ich [w]erde ein ander mahl mehr sagen. Ich hör[e] weder von Sudtsee, noch Missisipi. Wolte gott, man hette nie davon gesprochen! Franckreich, Englandt undt Hollandt würden sich beßer dabey befinden. Es ist schon zimblich lang, deücht mir, daß monsieur Leutterom[5] wider von hir ist. Seine schönne kinder wundern mich nicht; ich weiß viel heßliche leütte, so schönne kinder haben, undt vill schönne leütte, so heßliche kintter haben. Auff monsieur Hattenbach habe ich schon letztmahl geantwordt. Daß öhl, so ihn courirt, kam von einem Ittalliener, so Ihr Eüch woll erinern kont, ein gar ein ehrlicher man, so Altovitti[6] hieße undt lang in meinen letzten zeitten zu Heydelberg geweßen; er war alß bey unß, ein heßlicher, magerer man, aber gar ein ehrlicher, frommer man. Ich wünsche nicht, 30 jahr zurück zu gehen, umb wieder in der zeit außzustehen, waß ich außgestanden. Gutte nacht, liebe Louisse! Da kompt monsieur Teray undt treibt mich zu bett. Ich muß schließen undt nichts mehr sagen, alß daß ich Euch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 68–71
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1216.html
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