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Brief vom 23. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1221.


[087]
Paris den 23 April 1721 (N. 85).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte gemeint, Eüch heütte von St Clou auß zu schreiben, es hatt sich aber nicht schicken können, werde morgen erst hin, aber Eüch noch vorher schreiben, ehe ich weg fahre. Ich werde zu St Clou zu mittag eßen, aber wie ich wider her schicken müste, also werde ich morgendts außschreiben, umb nichts zu St Clou zu thun [zu] haben nach dem eßen, alß mich wider einzurüsten. Vergangen sontag bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 8 dießes monts, no 28, erfreüet worden. Es ist eine verdrießliche sache, daß man mir meine brieffe so auff der post verliehrt; ich will denen von der post hir meine meinung morgen sagen laßen, sie machen es zu grob. Unßer impertinent pfeffgen undt preceptergen, der kleine ertzbischoff von Cambray[1], mag mirs woll zu leydt thun, den es ist ein impertinenter kerl, will nun cardinal werden. Zu einem solchen cardinal solte Alberoni papst werden, daß solte perfect sein; ich wünsche es von hertzen. Aber nun muß ich mich ahnziehen, zumb[2] könig fahren, umb mitt I. M. den kleinen printzen, den comte de la Marq[3], auß der tauff zu halten.
Paris, donnerstag, den 24 April, umb 7 morgendts.
Gestern war es mir ohnmöglich, wider zum schreiben zu gelangen. Daß kindt wurde nach deß königes meß getaufft undt Louis François geheißen. Aber es ist dem printz von Hessen eine unahngenehme sach begegnet, die er woll hette evittiren können, wen er die mühe genohmen, mir zu sagen, daß er bey der kin[d]tauff sein wolte. Hatte nichts in der meß zu thun; hette er mich gefragt, hette ich ihn auff der altan spatziren machen, biß daß die meß zum endt undt ich nunder gehen könte. Aber ahnstatt mir ein wordt zu sagen, geht er in wehrender meß geht er in die capel, bleibt stehen, wie alle andere knien; die garden hießen ihn knien, er wolte es nicht thun; die garden zogen ihn bey den ermeln; endtlich rieff ihn der marechal de Villeroy undt hieß ihn naußgehen, welches er that[4]. Hette er mich nur ahnsehen wollen, wie ich in der tribune war, hette ich ihn gewuncken, zu mir zu kommen, [088] so wer ihm nichts widerliches widerfahren. Aber wen man nach seinem eygenen kopff thun will, leüfft man offt ahn. Ich fürcht, ich fürcht, es wirdt ihm mitt der zeit greüllich gereüen, meinen trewen raht nicht gefolgt zu haben. Aber, wie daß alte sprichwordt sagt, deß menschen wille ist sein paradeys, also muß man ihn gewehr[e]n laßen; ich habe daß meinige gethan, er mag nun sehen, wie er es außführt. Ich habe ihn seyder seiner avanture nicht wider gesehen. Nach der ceremonie fuhr ich wider her, besucht madame d’Orlean[s], so ihre große migraine gehabt hatt. Hernach ließ ich mich herauff tragen, aß zu mittag; nach dem eßen kamen damen, die nahmen abschiedt von mir, undt meine enckeln. Umb 3 ging ich zu der armen alten marquisen; die, fürchte ich, werden wir so baldt nicht zu St Clou haben. Noch eine dame, so in lebens-gefahr, ist von unßer St Clouer geselschafft, ist die arme Börstel. Sie ist schwanger von 7 monat. Vor 6 tagen seindt die pferde in einer kutsch, da sie mitt ihrem man spatziren gefahren, durchgangen; die kutsch hatt nicht umbgeworffen, aber die arme fraw, so ohne dem fürchtsam ist, ist so erschrecklich erschrocken, daß ihr gleich daß fieber ahngestoßen, undt hatt sie seyder dem nicht verlaßen, ob sie zwar gleich adergelaßen, undt ahnstatt daß, waß sie ist[5], unter sich gehen solte, geht alles über sich, kan nichts im leib behalten, ist also in großer gefahr; es jammert mich recht. Es ist ein gefehrlich handtwerck, kinder alle jahr zu bekommen. Gestern habe ich noch ein schreiben von unßer liebe printzes von Wallis bekommen, vom 17; da war sie noch nicht im kindtbett, ging aber schon 14 tag über ihre rechnung. Gott stehe ihr gnädig bey undt gebe ihr eine glückliche entbindung! Ich führte gestern abendts unßere hertzogin von Hannover in die commedie; man spilte Polieucte[6] et le moullin de Javalle[7], welches ein neü stück ist, all possirlich. Abendts, wie ich wider herein in meine camer kam, fandt ich Ewer liebe schreiben vom 12, no 29 undt 30; da werde ich erst zu St Clou andtwortten. Nun aber komme ich wider auff daß, so ich gestern ahngefangen; ich war ahn der post geblieben; da ist aber nichts mehr von zu sagen, den es ist nichts zu endern hirin. Man kan von Churpfaltz bedinten sagen, wie monsieur le duc de [089] Crequi[8] alß sagte, wen man ihn nicht im spiel bezahlt: Il ressemble a l’arballettre de Coignac, il est dur a la desere.[9] Da kompt eben monsieur von Grävenbrock herein; den laße ich leßen, waß ich da schreibe; er sagte, wens bey ihm stünde, würde es gewiß anderst gehen. Die gantze woch hatt es geregnet, nun aber ist es recht schön wetter. In einer stunde werde ich endtlich nach St Clou. Der turquische abgesante hatt dem könig kein present gebracht; es ist der brauch nicht bey ihnen. Man weiß auch hir gar nichts, daß er beaume de la Me[c]que[10] her gebracht hette; wen[11] mögte aber cammern voll davon haben, würde ich keines davon bekommen; den die dürffen leütte von meinem standt nichts geben. Es ist gewiß, daß fette leütte lenger jung scheinen, alß mager[e]. Man hatt schon viel remedien vor die pest, sie nicht[12] auch ein wenig ab. Ihr habt woll gethan, den hergelauffenen docktor nicht her zu kommen [laßen]; man braucht keine frembte docktor[e]n. Hir müßen [sie] von der facultet von Paris oder Montpellier sein. Ihr habt unrecht, liebe Louise, solchen leütten waß zu geben, den Ihr werdet imm[e]r persecuttirt werden; könt Ewer gelt nicht übeller ahnwenden. Ich dancke Eüch vor das epitaphe von mylord Buckingan[13]; ich hatte es schon gesehen, man hatt es mir explicirt; ist mehr philosophe, alß christlich. Die daß kindt zu Franckforth in den korb gethan, werden sichs woll nicht berübmen. Biß sambstag werde ich mein brieff le[n]ger machen. Aber nun muß ich in kirch, hernach nach St Clou, zu mittag eßen. Waß mich auffgehalten, ist mein sohn, so mir kommen adieu sagen. Bin fro, daß mein brieff von 27 Mertz, no 77, sich wider gefunden; solten sie woll suchen, würde sich der von no 7 auch finden. Adieu von Paris! Ich gehe ohne regret weg. Wo ich auch sein mag, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 87–89
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1221.html
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