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Brief vom 10. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1227.


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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 10 May 1721 (N. 90).
Hertzallerliebe Louise, ich muß mich heütte sehr eyllen, den ich werde umb halb 10 in kutsch undt nach Paris fahren, gleich zu den Carmelitten, wo ich betten werde, herna[c]h zum könig fahren au Thuillerie, von dar ins Palais-Royal zu madame d’Orleans. Umb 12 werde ich dort eßen, hernach ein wenig mitt meinem sohn blauttern, etwaß in meinem bücher-schranck verweckseln, hernach die arme alte marquise d’Alluy[e] besuchen, so nicht gar woll ist; den im 85 jahr kan man leicht kranck sein. Von dar werde ich au Luxemb[o]urg zu unßer hertzogin von Hannover, von dar zu madame la princesse undt hernach a l’hostel de Condé zu madame la duchesse, so vorgestern herkommen ist. Hernach werde ich ins Palais-Royal in die ittalliensche commedie; nach der comedie werde ich ein wenig eßen, hernach in kutsch, wider her undt nach bett. Daß ist meine intention; ob es so abgehen wirdt können, werden wir sehen; werde es Eüch, wo mir gott daß leben verleyet, biß donnerstag berichten; man kan nicht sagen, waß man thun will. Gestern hette mich schir einer von meinen cammer-knechten den kopff in stücken geschlagen. Ich war nach dem eßen in mein cabinet, wolte bücher herauß ziehen, so ich heütte nach Paris führen wolte; ein[e]r von meinen cammer-knechten kompt geloffen, mir daß buch abzunehmen, sicht nicht, daß im eck eine große eingewickelte carte von gantz Londen stehet; die wirfft er mir, wie[1] es ahm schärpff[s]ten ist, geraht auff die naß. Hett es mich den kopff getroffen, were es übeller hergangen; hatt mir bludts-wehe gethan, habe doch drüber lachen [müßen]. Mein naße ist auffgeritzt, hatt ein wenig gebludt; ich habe gleich eau de la reine d’Hongrie drauff gethan undt den gantzen tag düchelger mitt eau vulneraire, der schmertzen ist gleich vergangen. Meine naße ist noch ein wenig geschwollen, thut mir aber nicht wehe; were aber dieße cartte mitt dem tranchant auff meinen kopff gefahlen, were es nicht woll abgangen; den die wunden ahm kopff, so klein sie auch sein mögen, seindt gefährlich hir im landt. Aber hiemitt genung von meiner [112] avanture. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben, dancke nochmahlen vor daß gar zu schönne schachtelgen. Daß erste mahl, daß meine 3 kleine enckellinen her werden kommen, werde ich von dem artlichen agathen rähtgen undt haßpel eine lothereyen[2] machen. Wir werden sehen, wer es gewinen wirdt; wills Eüch hernach berichten, welche von den 3en die glücklichste geweßen wirdt sein. Mich wundert, liebe Louise, daß Ihr von dem indianischen cachou nicht in Englandt gesehen habt; hir kan mans nicht machen. Man muß nicht viel auff einmahl davon eßen, es ist zu hitzig, aber ein wenig ist gutt vor den machen[3] undt stilt den husten. Die gutte lufft von St Clou hatt meinen neüen husten gantz courirt, ohn waß anderst zu gebrauchen. Zu Paris ist die lufft nicht gutt, es sterben viel leütte weg. Gestern habe ich noch einen todt erfahren, so mir recht [leid ist]. Es war aber ein man von 90 jahren; aber monsieur d’Argenson, so selben tag gestorben, war von meinem alter. Es ist mir auch recht leydt vor dießem, war meines sohns undt mein gutter freündt, ein man von großem verstandt, ist woll schadt. Es lest sich seyder zwey tagen ahn, alß wen daß wetter beßer wolte werden; gott gebe es! Die mitt krancken umbgehen, haben ohne daß mühe genung, ohne daß man sie noch mitt gridtlichkeytten plagen solte. Aber dieß alles besteht viel in dem temperament; eines ist zum poßen-treiben geneigt, so war ich vor dießem; aber seyder etlichen jahren bin ich sehr serieuse geworden, daß schickt sich beßer zu meinem alter. Amelise ist noch jung [gewesen][4], konte also noch lustig sein. Waß Ewern traumb bedeudt, so ist es nichts anderst, alß daß Ihr auff der lincken seytten müst gelegen sein undt daß miltz gebrest[5] haben; daß gibt solche treüme, habt vielleicht den tag über von freüllen Pelnitz gesprochen. Die ist jetzt zu Berlin, wie mir die königin in Preussen schreibt, von dern ich vergangenen donnerstag spät ein schreiben entpfangen, aber zu spat, umb drauff zu andtwortten konnen. Die, so die treüme außlegen, sagen, daß alles, waß einem im traum von freünden geschicht, es mag gutt oder boß sein, ist nichts übels. Zu Rom solle es doll herrgehen; die rohtkäplichste pfaffen[6] können sich nicht vergleichen. Alberoni ist zu sehr zu Rom gehast, umb papst zu werden, es ging [113] den nach dem alten sprichwordt: Je größer schelm, je größer glück. Zu Paris [sagt man], es werde ein schisme zu Rom werden. Der keyßer hast Alberone nicht; wie man nicht gewust, wo er war, hatt er sich bey keyßerlichen aufgehalten, aber feindt von meinem sohn undt gantz Franckreich. Ich fürchte, liebe Louise, daß Eüch die schöne agathen werden thewer verkaufft worden sein undt Ewern beüttel schwer fallen; dancke nochmahl davor. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir alßo nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louise, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 111–113
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1227.html
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