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Brief vom 17. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1228.


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St Clou den 17 May umb halb … morgendts 1721 (N. 92).
Hertzallerliebe Louise, ich fange früh ahn, Eüch zu entreteniren, weillen ich umb 8 in die kirch muß, undt gleich hernach wirdt man mir zu ader laßen auß precaution, wie sie sagen. Ich laße sie [119] gewehren; weillen es ja sein muste, hab ich nicht lenger auffschieben wollen. Wen ich unßern teütschen calender glauben zustellen solle, so wirdt mir die aderlaß woll bekommen; den es stehet drinen, daß es heütte der beste tag vom gantzen jahr ist, ader zu laßen. Dießen abendt umb 6 uhr werde ich Eüch, liebe Louise, berichten. Ich glaube aber, daß es hergehen wirdt, wie die arme Hinderson alß pflegt zu sagen, undt daß ich gar schlapies davon werde werden. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme vom 29 April, no 35. Seyder dem hab ich nichts von Eüch bekommen, sie sparen mirs gewiß vor morgen; den sontags kommen ordinarie Ewere liebe brieffe. Da müst Ihr hinfüro Eüch auff gefast machen, liebe Louise, daß man Eüch allezeit zwey von meinen schreiben auff einmahl bekommen werdet[1]; sie habens so resolvirt. Mein husten ist mir gleich vergangen, so ba[l]dt ich herkommen undt mich auß der boßen Parisser lufft gefunden. Ich were auch jetzt in volkommener gesundtheit, aber die zwey absterben von den 2 personnen, so allezeit umb mir geweßen, undt insonderheit die arme marquise d’A[l]luy[e], so vergangen mittwog nachts ein wenig nach 12 gestorben … Hatt gar einen samfften todt gehabt, ohne forcht, ohne schrecken; ist außgangen wie ein licht im vollen betten; jammert mich woll von hertzen, sie ligt mir nacht undt tag im sin. Die Rotzenheussern hatt mich doch gestern lachen machen, fürcht sich braff vor die arme marquise, hatt sich gestern eingebilt, sie were kommen undt hette ihr die decke gezogen undt bey ihrem bett gerauscht undt geschnauft, undt wie ich gestern mitt ihr in meiner kleinen garderobe war, hatt sie sich eingebildt, die marquise fliege wie etwaß gantz weiß umb sie herumb; ich aber habe nichts gesehen, noch gesehen[2], glaube doch, daß, wen die arme marquise wider zu kommen hette, daß sie eher zu mir, alß zu Lenor, kommen würde. Ihr angst hatt mich doch lachen machen; sie sagt, ich könne keine geister sehen, weillen ich nicht glauben will, daß sie kommen können; daß verdrieße die geister undt wollen deßwegen nicht zu mir kommen. Unßere gäste seindt abgedanckt. Mein sohn hatt seiner fraw dochter undt h. dochterman expresse verbietten laßen, her zu kommen, undt ihnen [geschrieben], das er überall ordre geben, daß man sie nicht in Franckre[i]ch einlaßen [120] solle; wir hoffen also, daß sie nicht kommen werden. Mein sohn wirdt aber durch seine envoyés arbeytten laßen, daß der duc de Modene seine kinder wider in gnaden ahnnehmen möge undt den vergleich machen sollen. Wie es weitter gehen wirdt, wirdt die zeit lehren. Apropo von Ittallien, gestern bekamme man zeittung hir, daß ein neüer papst gewehlt, nehmblich der cardinal de Conti[3]. Wen Ihr die printzes von Modene kenen soltet, wie ich sie kene, würdet Ihr es vor kein gutt zeichen halten, daß sie so einig mitt ihrem herrn scheindt zu sein; falschheit regirt bey ihr, wie sie bey ihrer großmutter von mutter seytten[4] gethan, der sie in allem gantz nachschlegt; gleicht sehr ahn ihre großtante, madame de Thiange, undt deren dochter, die duchesse de la Force, hatt gar nichts von des vatters seytten; weiß nicht, wie mein sohn sie so lieb kan haben. Meine inclination ist nicht zu ihr gewendt, wendt sich mehr zu unßere[r] abtißin, so viel von ihrem h. vatter hatt, abe[r] in hübsch; hatt viel ein beßer gemüht, alß die ander, ist auffrichtig, naturlich undt nicht falsch, habe sie also viel lieber, alß ihre geheürahte schwester. Sie hatt mich auch lieb, daß die ander gar nicht hatt. Ich wünsche, liebe Louise, daß die geselschafft, so die meß nach Franckforth zicht, Eüch ein wenig amussiren mach[5]. Überall hört man von nichts, alß krancken, hir auch. Ich finde, daß die Hannauische gar zu delicat sein, nicht in eine geselschafft sich einzufinden wollen, weillen eine person [da ist], so nicht so gutt von adel, alß andere sein. Waß thut daß, wens nur eine ehrliche person undt von gutter geselschafft ist? Ich habe mein leben nicht gehört, daß man angen[6] prüfen muß, umb zu spillen. Ich habe alle tag hir leütte hir mitt dem könig spillen [sehen] von gartners geschlegt undt deßen oncle dem könig auß seinen gartten schon obst brachte. Ihr seydt ja, liebe Louise, lang genung zu Hannover [gewesen], umb zu wißen konnen, wer die Borg sein. Ich weiß mein leben nicht, wer woll oder übel gekleydt ist, da[rauf] sehe ich nicht; es muß sehr ridicule sein, wofern ich es gewahr wer[d]e. Ihr werdet, liebe Louise, nun schon wißen, wie glücklich unßere liebe printzes von Wallis ins kindtbett kommen ist; es hatt doch hart gehalten. Man hatt abscheüliche historien hir, ein sohn hatt seinen [121] vatter ermort, der ihn auff den knien mitt threnen badt, ihm daß leben zu schencken, welches der böße sohn doch nicht thun wollen. Er ist ertapt undt wirdt lebendig gebrendt werden, hatt es woll verdint. Ein conseiller hatt sich selber ermort undt mitt einer pistol erschoßen. Wen der hertzog von Mumpelgart[7] nicht wehre, so were gewiß der hertzog von Stutgart der groste narr von gantz Schwaben mitt seinem seraill. Er macht den konig Salomon zum lügner, den [der] sagt, daß nichts neües unter der sonnen seye, so nicht schon geschehen; aber weibsleütte alß heyducken zu folgen machen, daß ist etwaß neües, wie auch cammer-dinner auß ihnen zu machen, sich durch sie auß- undt ahnzukleyden laßen, daß ist gewiß gar waß neües undt unerhortets. Ihr macht umbsonst entschuldigungen, liebe Louise! den es war nicht der geringste fehler in Ewer liebes schreiben, so hiemitt gantz durchauß beantwortet ist. Adieu! Ich will mich nun zu meiner aderläß prepariren, nachdem ich Eüch versichert werde haben, daß ich Eüch all mein leben, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
Sambstag, den 17 de May, umb halb 8 abendts.
Ich habe gemeindt, daß ich Eüch umb 6 wieder würde schreiben können, liebe Louise! Aber madame la princesse ist vor 6 kommen, also hab [ich] nicht eher, alß nun, zum schreiben gelangen können. Meine aderlaß ist woll abgangen, 3 kleine paletten; man hatt mir daß schonste bludt von der welt gelaßen. Ich bin abendts gegen 5 in den gartten gangen, habe aber nur einen tour gethan, den ich befinde mich ein wenig matt. Monsieur Teray will mir nicht erlauben, mehr zu schreiben, ambrassire Eüch also nur von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 118–121
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1228.html
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