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Brief vom 19. Juni 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1238.


[153]
St Clou den 19 Juni 1721 (N. 1).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 7 Juni erfreüet worden undt vorgestern habe ich die 4 schachteln mitt dem Nurenberger pflaster undt alle zeittungen entpfangen, aber es war kein zettelgen dabey, waß es kost. Daß mögte ich doch gern wißen, wolte woll mittel finden, Eüch zu bezahlen. Ich wolte gern noch ein halb dutzendt schachteln haben, den man plagt mich gar zu sehr drumb; mitt den überigen schachteln bitte ich, liebe Louisse, schickt mir den zettel! Ich habe gestern zu Paris 2 brieff auff einmahl von unßer lieben printzes entpfangen; die schreibt mir vom 12/1 dießes monts, daß myledy Marie von Degenfelt von ihr abschiedt genohmen undt hette daß hertz sehr schwer gehabt undt die threnen in den augen. Daß kan ich leicht begreiffen; den nichts in der welt ist schmertzlicher, alß sein vatterlandt zu verlaßen undt seine verwanten undt freündt, umb in ein gantz frembtes landt zu ziehen, da man die sprach nicht von kendt; sie jammert mich also von hertzen. Ich erfreue mich aber mitt Eüch, liebe Louisse, daß Ihr Ewere kinder baldt bey Eüch haben werdet. Gott verleye, daß es zur glücklichen stundt gerahten möge undt Ihr viel vergnügen ahn ihnen erleben möget undt nie [154] kein chagrin! wünsche ihnen auch eine glücklich überfahrt über die see. Nachdem ich alle meine gutte wünsche verricht, komme ich wieder ahn Ewer liebes schreiben. Ich weiß nicht, waß vor lust monsieur de Torcy nimbt, die posten so übel zu regliren; den der abbé du Bois hatt mir sagen laßen, daß er gar nichts mitt den posten zu thun hatt, daß es allein der marquis de Torcy hatt. Daß ist aber stinckende eyer undt faulle butter, den einer deücht[1] eben so viel alß [der] ander, wehren beyde beßer ahn dem galgen, alß ahn dießem hoff, den sie deügen[2] den teüffel nicht undt [sind] falscher, alß wie galgenholtz, wie Lenor alß pflegt zu sagen. Wen er die curiositet hatt, dießen brieff zu leßen, wirdt er sein lob drinen finden, wie daß teü[t]sche schprichwordt sagt:
Der lausterer[3] ahn der wandt
Der hört sein eygen schandt.
Von meinem trawerigen geburtstag will ich nichts mehr sagen; es seindt lange jahren, daß ich sie trawerig ahngefangen undt noch traweriger geendet habe. Aber waß will man thun? Man muß sich nur in den willen gottes ergeben undt ihn gewehr[e]n laßen; er wirdts woll machen. Den geht es unß übel, haben wirs woll verdint; geht es unß woll, ist es lautter gnaden, worüber wir nicht genung dancken können. Unßere großhertzogin ist, gott lob, wider viel beßer undt auß dem bett; ich fürcht aber dießen herbst undt wen die blätter von den bäumen fallen werden. Den die gutte großhertzogin ist schon 75 jahr alt, daß seindt keine bagatellen undt eine schlime kranckheit, umb lang zu leben. Wie ich gar ordendtlich auff alle Ewere liebe schreiben geantwortet habe, liebe Louise, so werdet Ihr sehen, welche ich von Geissenheim bekommen habe. Es ist mir recht leydt, daß Ewere brieff, so ich Eüch schicke, Eüch so viel kosten. Wehre es nicht möglich, ein mittel drin zu finden? Den ich bilde mir ein, daß ein schelmstück dahinder steckt. Meine amitié werdt Ihr mehr in meine schreiben finden, alß schönne undt hohe gedancken; den dießes letzte bin ich leyder nicht capable, aber woll von einer beständigen undt wahrer[4] freündtschafft. Aber meine freündtschafft ist Eüch leyder zu nichts nutz, liebe Louise! Ich schicke Eüch hirbey ein kupfferstück, so unßere abtißin sein solle, aber ob man sie woll drin kendt, so ist es doch kein[e] [155] perfecte gleichnuß; man hatt ihr die augen zu groß gemacht undt daß gesicht zu dick undt zu alt. Daß contrefait ist schonner, alß sie, aber ich finde mein enckel ahngenehmer undt jünger; habe gedacht, daß Ihr vielleicht curiositet haben mogtet, sie zu sehen. Daß unter gesicht undt der mundt seindt gar gleich. Ich glaube, daß Ihr, wie ich, finden werdet, daß es großer schadt ist, daß sie eine none worden. Ihr würdet es noch mehr finden, wen Ihr sie kenen soltet. Daß ist ja nicht rühmens wehrdt, daß ich leütte von der qualité, wie Ewer niepsen undt neveu sein, andtwordte, wen sie mir schreiben. Ich werde alles thun, waß monsieur le Phevre begehren wirdt in der coubertischen sach[5]. Ewer neveux de Holdernesse solte von lufft endern. Da schlegt es 10, ich muß schließen; ein ander mahl ein mehrers, aber nun versichere ich nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Juni 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 153–155
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1238.html
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