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Brief vom 10. Juli 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1244.


[171]
St Clou den 10 Julli 1721 (N. 7.)
Hertzallerliebe Louisse, die post will hir wider einbringen, waß sie so lengst verseümbt hatt; den gestern, vorgestern undt vergangen sontag bin ich mitt 3 Ewern lieben schreiben erfrewet worden. Ich weiß nicht, wie daß zugeht; Ewere liebe schreiben seindt vom 21 undt 28 Juni, no 48 undt 49, undt daß gesterige, so ich au bois de Boullongne entpfangen, ist gar frisch, nur 8 tag unterwegen geweßen, nehmblich daß vom 2 Julli, no 50. Wen die post doch so fort fahren wolte, were es gar gutt; ich wolte auch, daß sie zu Geissenheim richtiger ginnge. Unßere arme großhertzogin hatt noch vor 8 tagen gar einen hartten streich außgestanden undt es ist woll nicht mehr zeit, die [zu] congratuliren, so sich wie ich auff ihre gesundtheit interessiren. Ich fürcht, ich fürcht, daß I. L. mich, wen ich die trawer von landtgraff Philip werde abgelegt haben, nicht lang wirdt außer trawer laßen. Warumb ich die arme großhertzogin lieb habe, ist, daß sie, die doch nach niemandts fragt undt schir alle menschen hast, mich doch lieb hatt undt fürcht mich wie ein kindt. Ich filtz sie etlich mahl braff, wen sie so kindisch frist undt sich muhtwillig kranck macht; sie helt mir alles zu gutt; wen aber ihre damen ihr zusprechen woll[en], kapt sie sie nicht allein braff ab, sondern sie ist ettlich mahl ein wenig leicht mitt der handt undt wirfft ihren leütten alles ahn kopff, waß sie vor sich hatt. Den filtz ich, sage, daß es nicht fürstlich ist; sie sagt aber, es were nicht war, lacht undt sagt: Vous voyes, que cela ne peust estre, car je suis estropié d’un bras et d’une jambe. Sie macht mich lachen, den sie threhen[1] all ihre leütte in ridiculle. Sie ist nun wieder beßer, hatt ein gar starck temperament. Wer mir auch ängsten eingejagt hatt, daß ist madame la printzes, so nun, gott lob, wider gantz woll, aber gar kranck von Equoan[2] wider kommen ist mitt [172] ihrem rhumatisme ahm haubt, welcher ihr so abscheüliche schmertzen verursachet, daß I. L. mich haben bitten laßen, nicht zu ihr zu kommen, sie könte nicht reden; den so offt sie den mundt auffthat, zu reden oder zu eßen, entpfundt [sie] so erschreckliche schmertzen im haubt, daß ihr die threnen in den augen kammen; aber nun kan sie wider eßen undt reden. Es ist doch gar ein wunderlicher zustandt. Gott bewahr[e] einen davor! Der großhertzog undt seine gemahlin könnens machen wie der verstorbene duc de Roquelaure undt seine gutte freündin, madame de Rembure[3]. Wahren beyde große spieller. Wie er undt sie kranck wurden ahn der kranckheit, woran sie auch beyde gestorben sein, schickte der duc de Roquelaure zu madame de Rembure undt ließ fragen, wie sie sich befünde; sagte sie: Dittes au duc de Roquelaure, que luy et moy jouons gros jeu au premier pris! Wie man gelebt hatt, so stirbt man. Ich habe schon von andern gehört, ja von ihrer fraw mutter selber, daß die verwittibte churfürstin gern wider zu Heydelberg were undt keine hoffnung verlohren, wider in unßere lieb Pfaltz zu kommen, sobaldt ihr herr vatter todt wirdt sein; ob daß ahngehen wirdt, weiß [ich nicht]. In Ittallien ist es gar ein gezwung[en]es weßen vor fürstinen; wer die teütsche freyheit gewohnt ist, hatt mühe, sich drin zu schicken undt, wie man im opera von Issis[4] singt:
S’il est quelque bien au monde,
C’est la liberté.
Waß gar löblich ahn dießer churfürstin ist, ist die sorg, so sie vor ihre fraw mutter tregt, die, ehe sie nach Florentz kommen, seine gemahlin so übel bezahlte[5], daß es eine rechte schande war; aber die churfürstin macht sie nun woll bezahlen. Ihr werdet nun wißen, liebe Louise, wie Ihr woll groß recht gehabt habt, vor Ewere kinder in sorgen [zu sein]; sie haben abscheüliche gefahr in der see außgestanden mitt einem erschrecklichen mehrsturm[6]. Ein schiff, so auß Virginie kam, hatt der windt auff sie getrieben; were nicht zu ihrem glück eine barque mitt 6 personnen zwischen ihnen kommen, were ihr schiff zerschmettert worden, aber alles, waß in der unglückseeligen barque war, ist zu grundt gangen; die jagt[7] aber, [173] worinen Ewere kinder wahren, haben[8] ihren mastbaum verlohren, den müßen sie wider zu recht machen laßen; daß wirdt ihre reiße verlengern. Wen nur der schrecken, den Ewere niepce abgestanden, ihr nichts schadt! Den wie Ihr woll wißen werdt, so ist sie wider schwanger. Gott gebe, daß alles nach Ewerm vergnügen außschlagen möge! Mich verlangt, zu vernehmen, wie es weitter abgeloffen. Mich deücht, graff Degenfelt hette klüger gethan, sein kinder-machen zu sparen, biß er zu hauß sein würde; so hette[9] er seine gemahlin nicht in so große gefahr gesetzt haben. Aber die mäner seindt so, sie meinen, es seye kein freündtschafft beßer zu erweißen, alß in kinder-machen; aber mich deücht, daß ein sanfftes leben, vertrawen undt estime hundert mahl mehr die freündschafft bezeugt, alß die wüsterey. Ihr sagt nicht, liebe Louise, ob daß artige kindt, so Ihr nun lieb habt, ein medgen oder ein bub ist. Die kleine medger müßen gar artig sein, wen sie mir gefallen, aber kleine buben habe ich alle lieb, finde sie artig. Ich wolte, daß Ihr schon Ewere kleine niepce bey Eüch hettet mitt ihre eltern. Ich fürchte aber, es wirdt noch lang ahnstehen wegen deß gebrochenen mast. Waß mich hatt glauben machen, daß Ewer 2 niepcen kein Teütsch könten, ist, daß der duc de Schonburg, ihr herr vatter, sich nicht viel drumb bekümert hatte. Frantzösch-Teütsch, wie sie hir sprechen, ist etwaß abscheüliches, höre lieber, wie die Engländer übel Teütsch sprechen, alß die Frantzoßen[10]. Ich kan doch gantz sprechen wie sie; man führt mir offt kinder her, umb zu examiniren, ob sie woll sprechen; aber ordinarie sagen sie so: Ick hab ein-nen teütschen cammer-diner, ick habe Teütsch gelern-net. Wen ich so reden höre, macht es mir alle gedult verliehren; der Engländer accent kompt doch näher auff daß Teütsche auß. Wen Ewer niepce ihr Teütsch von Eüch gelehrnt hatt, ist es kein wunder, daß sie ein wenig Pfaltzisch spricht. Der herr Benterritter[11] sagt, ich rede Pfaltzisch undt Hannoverisch durch einander spreche[12]; recht Braunsweigisch kan ich noch woll köhren[13], habe es doch viel vergeßen, könte mich aber woll baldt wieder drin finden, wen ich ein par tag sprechen solte. Daß ist nicht ordinarie, daß man auff [174] gemeinen waßern zu grundt geht, wie auff der Mossel. Aber ich muß mich ahnthun undt meine pausse machen.
Donnerstag, den 10 Julli, umb halb 4 nachmittags.
Wie ich von taffel kommen, hatt man mir ein neü opera bracht, da hab ich mich ein wenig mitt amussiren wollen, bin aber drüber entschlaffen undt werde jetzt erst wider wacker, werde Eüch also ferner entreteniren, lieb[e] Louise! Wir wahren ahn die unglück geblieben, so auff dem Rhein undt der Mosel geschehen sein; die arme fraw undt kinder seindt doch zu beklagen von den, so im Binger loch vertruncken. In meiner jugendt hab ich alß viel davon gehört, hundert historien; mich deücht es seindt historien von gespenster, so man nachts dort solle gesehen undt gehört haben. Die Rotzenheusserin hatt sich wider auff neü kranck gemacht, hatt zu Paris eyß gefreßen, sambstag undt sontag viel von einem spanferckel, hatt sich damitt einen dribsdrill damitt ahm halß gebracht, daß sie noch gantz kranck davon ist, sicht ellendig drin. Ewer frühstück von caffé gibt mir kein apetit. Ein glaß waßer drinck ich seyder 2 mont alle morgen, eße aber kirschen drauff, baldt sawer, baldt süße. Schwartz brodt ist ohnmöglich hir zu eßen, es deügt gantz undt gar nicht; wer ahn gutt schwartz brodt gewohnt, wie wir vor dießem zu Bruchhaussen geßen, kan ohnmöglich daß schwartz brodt hir leyden. Da stehet monsieur le Fevre undt verzehlt unß, wie die pomerantzen- undt cittronen-bäum so schön undt woll richendt sein, macht einem lust, nach Portugal undt Valance[14] zu reißen. Daß ist woll different von waß man zu Paris auff den gaßen richt[15]. Ich bin von natur nicht delicat; aber ich gestehe, daß der gestank von den gaßen zu Paris mich schir übel macht. Daß die fraw von Rotzenhaussen, die sich ihr leben in nichts, waß ihrem maul ahngeht, gezwungen, sich nicht abhalten kan, zu eßen undt zu drincken, waß ihr schadt, nimbt mich nicht wunder. Aber Ihr, liebe Louise, die Ihr allezeit ein gescheydt undt raisonabel mensch geweßen, daß hette ich nicht hinter Eüch gesucht, nimbt mich gantz wunder. Hir im landt schiest man nicht die festtage. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt man leütt ins gebett, ich muß also vor dießmahl schließen. Es ist daß schönste [175] wetter von der welt; nach dem gebett will ich ein wenig spatziren fahren undt frische lufft schöpffen, den es ist heütte daß schönste wetter von der welt. Ich weiß nichts neües, muß also schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Juli 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 171–175
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1244.html
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