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Brief vom 17. Juli 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1246.


[178]
St Clou den 17 Julli 1721 (N. 9).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes schreiben vom 5 dießes monts entpfangen, no 51. Aber ehe ich drauff andtwordte, will ich erst daß außschreiben, woran ich verwichenen sambstag geblieben bin, vom 28 Juni, no 49, ahm 19 blat. Daß ist gar natürlich, trawerig zu sein, wen man ursach dazu hatt; trawerig sein macht still undt still sein hatt eine art von timiditet, also kein wunder, daß Eüch monsieur le Fevre so gefunden. Es ist ein großer unterschiedt, in einem landt gebohren zu sein undt die sprach woll zu können, oder gantz frembt undt erwacksen hinein zu kommen. Ist Ewere niepce, die gräffin von Degenfelt, verliebt von ihrem herrn, wirdt sie alles gutt undt schön finden; den daß ist eine sauße, so alle eßen gutt schmecken macht, ich will sagen, so alles hübsch undt gutt finden [macht], wen man nur bey dem ist, waß man hertzlich liebt undt, wie man in dem prologue von Pourceauniac[1] singt:
Quand deux coeurs s’aiment bien,
Tout le reste, tout le reste n’est rien.
Also, liebe Louise, bestehet die sach hirin: hatt sie ihren herrn hertzlich lieb, wirdt alles reuissiren, so Ihr ahnstehlt, ihr Teütschlandt gefallen zu machen; aber hatt sie ihre fr. schwester lieber, alß den man, wirdt sich die liebe deß vatterlandts noch dazu schlagen, welches verhindern wirdt, daß ihr nichts in Teütschlandt gefahlen wirdt. Ich aprobire sehr, daß Ihr resolvirt habt, nicht allezeit bey ihnen zu sein; sie werden Eüch desto lieber behalten undt daß sprichwordt ist gar war, daß alt undt jung sich nicht reimpt. [179] Wen auch gleich die jungen leütte raisonabel genung wehren, Eüch, wie sie sollen, zu lieben, so seindt doch die bedinten nicht allezeit raissonable, zancken sich; daß gibt froideur undt sorgen. Ihr werdet also gar woll thun, Ewere gemachlichkeit zu suchen. Ich habe gestern gar ein frisches schreiben von unßer lieben printzes von Wallis bekomen; sie sagt, sie hette seyder die zeittung, daß graff Degenfelt undt seine gemahlin ihre jagt[2] mitt dem gebrochenen mastbaum verlaßen, nichts von ihnen gehört, welches ein gutt zeichen ist; den were ihnen seyder dem waß wiederliches begegnet, wüste man es nun; den die böße zeittungen lauffen allezeit geschwinder, alß die gutten. Wie ich von dem mylord Holdernesse gehört, so fürchte ich gar sehr, daß er nicht lang mehr wirdt leben könen. Die comtesse de Holdernesse, Ewer niepce, liebe Louise, jammert mich woll von hertzen, weillen sie ihren herrn lieb hatt. Gott wolle ihr beystehen undt sie trösten, aber auch Ewere remeden segnen! Mögte von hertzen wünschen, daß er curiren möge. Vom Carteüsser [kloster] werde ich nichts mehr sagen. Wer alles corigiren solte, waß übel bey möngen undt pfaffen ist, würde man gar zu viel zu thun haben; den es ist nicht außzudencken, waß daß vor leben sein. Eine wunderliche sache ist, daß die weiber nicht närisch werden, wen sie eingespert sein, undt die mansleütte gleich[3]. Daß macht mich glauben, daß die mäner die einsamkeit weniger außstehen können, alß die weiber; daß kompt gewiß von die große freyheit, so die mäner in dießer welt haben, überall hin zu gehen undt zu thun, wo sie hin wollen[4]. Aber da kompt mein sohn herrein, muß eine pausse machen.
Donnerstag, den 17 Julli, umb ein viertel auff 5 abendts.
Da geht mein sohn wider nach Paris, kan also wieder schreiben. Ich war geblieben heütte morgen ahn der mäner freyheit undt wie [sie] narisch davon werden, wen sie sich zwingen müßen. Ich glaube, daß man beßer thäte, gutte regiementer von dießer bursch[5] zu machen. Man nimbt sie auch zu jung in den clöstern; ich habe in den Jacobiner closter zu Paris buben von 12 undt 13 jahren gesehen, so schon mönchen wahren; die wißen ja nicht, waß sie [180] thun in dem alter. Nonen finde ich auch zu viel zu Paris, alß zum exempel, es seindt woll 200 clöster zu Paris allein von nonen ohne die mönchen. Ist daß nicht abscheülich? Hir im landt thun nur die bauern walfahrten, aber bey den personnen von qualitet ist es gar nicht bräuchlich. Bey dießer hitze ist es nicht unahngenehm, auff dem waßer zu fahren, wie die graffin Berlepsch thut. Vor eine boße gesundtheit ist walfahrt nicht gutt, daß solte man dießer gräffin verbiehten. Docktor Brauner[6] ist wahrlich ein gutter docktor, hatt eine schönne chur ahn dem printzen von Hannover [gemacht]. Es [ist] aber eben so gefährlich, zu viel, alß zu wenig zu brauchen. Weillen Churpfaltz seine reiß so lang auffgeschoben nach Embs ins badt undt alle gutte geselschafft wider dort weg sein, bin ich persuadirt, daß nichts auß dießer reiß werden wirdt. Hiemitt ist Ewer schreiben vom 28 Juni, no 49, vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß von 5 dießes monts, no 51. Ich bin fro, darauß zu sehen, daß meine brieffe nicht verlohren werden; es ist beßer, daß [Ihr] in der unortnung, wo die post ist, 2 von meinen schreiben auff einmahl empfangt, alß gar keine. Meine trawer ist gestern zum endt gangen, den es [sind] just 3 wochen, daß ich sie ahngethan. Vor dießem trawert[e] man 6 wochen vor ein geschwisterkint; nun man aber alle trawern halb abgeschnitten, geht es nur auff 3 wochen. Printz Carl ist all lengst wider bey seiner fraw mutter in dem Haag, hatt mir von dort geschrieben. Unßer großhertzogin ist, gott lob, wieder woll, ihr apetit ist I. L. gantz wider kommen. Da ist mir aber bang bey, den sie kan sich gar nicht schönnen[7], noch ihren mundt zwingen, frist allezeit alles, was ihr schadtlich ist, undt macht sich also todt-kranck. Nun sie wider beßer, fengt sie wider ahn, zu lachen. Wie ich von dem verstorbenen landtgraffen von Philipsthal, meinem gutten vettern s., gehört, so soll er einer von den einfältigsten menschen von der welt geweßen sein. Ich glaube nicht, daß die printzes von Cassel reich genung vor ihren vettern were. Paris gefelt printz Carl gar woll, glaube nicht, daß I. L. lust hetten, den frantzöschen dinst zu quitti[r]en. Ich glaube auch nicht, daß es ein glücklicher heüraht sein könte; die bißen würden zu dem dün werden, undt bekämmen sie kinder, würden es ja lautter bettel-fürsten werden, welches nicht[s] artiges ist. Folgt er meinem [181] raht, wirdt er sich sein leben nicht heürahten; es seindt arme landtgraffen genung. Die fraw mutter wirdt woll ihren frantzöschen Lotterin[ger] nicht abschaffen, ob sie es zwar thun solte, den scandal zu meyden; den man spricht doll von ihr undt dießem kerl. Die es ahm hofflichsten vorbringen wollen, sagen, daß ein mariage de cons[c]ience drauß werden wirdt. Es ist doch abscheülich ahn dießer fürstin, einen solchen esclat zu machen, insonderheit in ihren alten tagen; den sie muß nicht jung mehr sein, weillen ihr älster herr sohn schon 40 jahr alt ist. Ahn alte weibern kan ich eine solche thorheit noch weniger vergeben, alß wens ein junk mensch wehre. Der herr Benteritter hatt mir gesagt, daß es ein Lotteringer ist. Ich schicke Eüch hirbey deß postmeisters brieff[8] in original; es ist gar kein Schweitzerisch, glaube ehr, daß es Österichs[9] ist. Der herr Benterritter will sich kranck lachen, daß ich daß neüe Teütsch nicht verstehe; er sprichts woll gar nicht, sondern gar gutt Teütsch, auch nicht Osterei[chi]sch, sondern recht, wie alle gelehrten bey unß sprechen. Die postmeister machen ihre posten gehen, wie es dem oberpostmeistern gefelt, nehmblich monsieur de Torcy. Ein andermahl werde ich Eüch lenger entreteniren, aber dießmahl muß ich schließen, bin mein leben nicht mehr interompirt worden, alß heütte, muß schließen. Ich will Eüch übermorgen verzehlen, waß mich heütte verhindert, mehr zu schreiben, aber nun ambrassire ich Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.

[Brief der postmeister Fischer und von Reichenbach.]

Durchleüchtigste hertzogin, gnädigste fürstin und fraw etc.

Daß an Ewer Königliche Hochheit gegenwärtiges schreiben mit disen zeilen zu begleiten wir unß erfrechen dörffen, thut die von Ihr Königlichen Mayestät general-post-verpachteren erst neüwer dingen eingeführte francatur aller außwärtigen briefschafften unß dazu veranlaßen, da dann jetz besagte post-verpachtere keine weder auß dem reich, noch auß der Schweitz mit porto beladene briefen [182] fürohin auf den gräntzen mehr annehmen, viel weniger vor die außlaagen rechnung tragen und selbige weder den reichs- noch schweitzerischen post-ämbteren wie bißhero gut machen wollen. Wie nun disere dem publico zimlich beschwärliche einführung die brief-correspondentz nicht nur unsicher machet, sonderen auch etwelcher maßen hemmet, werden Ewer Königliche Hochheit hohe penetration, ohne vernere gründ anzuführen, von selbsten höchst vernünftig ermeßen; indeßen werden unser seithes auß sonderer hochachtung vor dero zweifelsohn hochwichtige depesches alle ersinnliche sorg tragen und selbige wie bißhero ohnverweilt einsenden, anbey aber in aller underthänigkeit demüthigst bitend, daß Ewer Königliche Hochheit gnädigst geruhen wolten, die ordre dahin zu stellen, daß die von dero depéches unß angesetzte zimblich hohe reichs-briefporti durch die obbedeüte general-post-bestehere oder auf andere gut findende weiß unß wider gut gemacht werden möchten, und so Ewer Königliche Hochheit gnädigst zu gefallen beliebte, Dero briefschafften vor das reich unß adressieren zu laßen, werden wir nicht ermanglen, dieselbe mit aller treüw und beförderung an ihre behörd zu verschaffen. In erwartung Dero gnädigsten befehl Ewer Hochfürstlichen hohen huld und gnad unß gehorsambst empfehlend und mit tieffster devotion und respect verharren
Ewer Königlichen Hochheit
underthänigst-gehorsambste
Bern d. 13 Juny 1721.
Fischer, von Reichenbach, postmeistere.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Juli 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 178–182
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1246.html
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Tintenfass