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Brief vom 9. August 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1252.


[200]
St Clou den 9 Augusti 1721 (N. 15).
Hertzallerliebe Louise, ich habe vorgestern auff Ewer frischtes liebes schreiben vom no 57 geantwordtet. Ich habe noch zwey von Ewern lieben schreiben zu beantworten, alß nehmblich daß vom 26 undt 22 Julli, no 55 undt 56, werde aber dießen morgen gar wenig sagen können, den nachdem ich schon mein gebett vericht, bin ich wider entschlaffen. Gereüet mich doppelt, den erstlich so wirdt es mich verhindern, meinen bri[e]ff so lang zu machen, alß ich es wünsche; aber noch ein übel, so es gestiefft[1], ist, daß ich mir ein braff kopffwehe gemacht habe, den daß wider-einschlaffen ist mir bitter ungesundt, thue es nie, ohne einen gar schwehren kopff zu bekommen. Ich weiß [nicht, wie] ich mich so vom schlaff überwinden laßen, den ordinarie sorge ich, daß ich nicht wider einschlaffe. Aber da kompt le pere de Ligniere[2], muß also eine pausse machen; dießen nachmittag werde ich wider schreiben.
Sambstag, den 9 Augusti, umb 2 uhr nachmittags.
Es ist eine gutte stundt, daß ich von taffel bin, habe wider schlaffen müßen, werde nun erst wider wacker. Ich glaube, daß daß schwere wetter mich so gar schlafferig macht. Da komen mir handt volle brieff von Savoyen, von Lotteringen, von Paris [201] undt noch andere orter, die muß ich leßen. Meine brieffe haben mich eine gutte stunde auffgehalten; daß thut alles le diable au contretemps, umb mich ungedultig zu machen, undt reussirt gar perfect hirin. Ich bin allezeit fro, wen ich sehe, daß Ihr, liebe Louisse, daß Ihr meine schreiben richtig ent[p]fangt. Wo kammen den Ewere kinder her, daß sie so fatiguirt wahren? Seindt sie den nicht in einer gutten kutschen gefahren? Daß macht ja nicht müde, insonderheit leütte von ihrem alter. In dem alter hette [ich] wol taüßendt meillen reißen können, ohne müde zu werden. Ihr sagt woll, liebe Louise, daß Ihr zu Bacherach kranck seydt worden, aber nicht, waß Ewere kranckheit geweßen, ob es daß fieber oder sonst waß es sey. War Ewer zittern vielleicht nicht eine freüde? Den man zittert vor freüden, wie vor schrecken. Daß muß Eüch doch gefreüet haben, daß alle leütte von dem stättgen Ewer kinder so woll entpfangen haben undt so viel freüde bezeügt, sie zu sehen. Ich haß die mussiq gar nicht von den waldthörner mitt den chalmayen undt violons; unßer könig s. liebte es auch[3]. Kinder seindt artig, wen sie braff blauttern, undt daß fehlt medger gar selten. Kinder müßen fett sein, sonst sein sie nicht hübsch. In ihrem alter wirdt Ewere kleine niepce daß Teütsche baldt lernen. Unßere printzes von Wallis undt der herr Benteritter haben mir die liebe zu wißen gethan von der verwitibten fürstin von Philipsthal; sie solle den kopff vor dießem stallmeister verthrehet haben. Hatt er ihre brieffe gemacht, schreibt er über die maßen woll; man kan nicht beßer schreiben. Daß kan man eine alte närin heißen, in alter verliebt zu werden mitt allen ihren erwacksenen kindern. Ey, [P]fudian, hinauß, hinauß mitt dir! pfui, pfui! ey, Pfuidian, hinauß undt all, die solche sein! wie man in dem teütschen poßen-spiel singt[4]. Ich muß lachen, daß Ihr, liebe Louise, sagt, daß es vielleicht nicht so schlim ist, alß die leütte es machen. Der devotten entschuldigung divertiren mich, wen sie thun, alß wen sie nicht glaubten, waß sie doch gar woll glauben undt wißen. Aber da kompt man mir sagen, daß meine kutschen kommen sein; werde nach Madrit, werde Eüch doch, wen ich wieder werde komen sein, noch entreteniren. [202]
Sambstag, den 9 Augusti, umb ein 1/4 auff 10 abendts.
Wie ich eben umb halb 7 von Madrit kommen bin, habe ich den chevallier de Lor[r]aine hir gefunden, so morgen nach Luneville wirdt, sein beylager mitt Craons dochter zu halten[5]. Ich habe also durch ihn ahn den hertzog von Lotteringen undt mein dochter geschri[e]ben, kan also dießen abendt mein desein nicht fortstellen, auff Ewer erstes liebes schreiben vom 22, no 55, zu andtwortten. Ich muß schließen. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch biß ahn mein [ende] von hertz[en] lieb lieb behalten werde.
P. S.
Ewer[e] kinder, groß undt klein, finden meinen gruß hirin.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. August 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 200–202
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1252.html
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