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Brief vom 16. August 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1254.


[205]
St Clou den 16 Augusti 1721 (N. 17).
Hertzallerliebe Louise, seyder Ewer liebes schreiben von no 58, so ich vergangen sontag entpfangen undt vorgestern beantwort, habe ich kein frisches schreiben von Eüch entpfangen. Ich habe aber noch auff daß vom 22 Julli, no 55 , zu andtwortten, so ich noch bißher habe ohnmöglich thun können. Ich war bey dem ersten bogen geblieben. Kinder zu lieben, wie graff Degenfelt thut, ist gemein; aber seine fraw zu lieben, ist gantz auß der moden, da findt man hir im landt kein exempel von, die moden ist gantz abgekommen. Aber a bon chat bon rat[1], die weiber machens den mänern nicht beßer. Es ist zu verwundern, wie alles hir lebt. Man findt noch woll unter den gar gemeinen leütten personen, so ihre weiber lieben. Alß zum exempel einer von meinen cammer-knechten der hatt eine von den heßlichsten weibern, so man in der welt haben kan; sie sprach wie eine endt[2] undt hatt ein gesicht wie eine vertretten krott[3], war dicker, alß lang, undt all eben woll will der arme man verzweyfflen, daß sie vor 8 tagen gestorben ist. Aber unter den leütten von qualitet kene ich kein eintziges par, so einander lieb hatt undt trew ist, seindt also gar [nicht] von dem humor wie die herrn von Degenfelt. Es wundert mich gar nicht, daß dem graffen von Degenfelt die see verleydt ist; ich kan weniger [206] begreiffen, wie jemandts in der welt sich resolviren kan, auf der see zu fahren. Ich fürcht sehr, daß es unßere großhertzogin nicht lang mehr machen wirdt undt fürchte sehr, daß es ein endt nehmen wirdt, wen daß laub abfahlen wirdt. Aber wehre ich in I. L. platz, wolte ich lieber sterben, alß wie sie ist, sein. Sie hatt die halbe seyde gantz lahm undt man kan sie gar nicht mehr verstehen, sicht doch noch woll auß; sie tregt nie kein roht undt hatt bey ihrem alter noch gar lebhaffte farben. Aber der humor ist gantz geendert; sie war vorher in ihrem ellenden standt allezeit lustig, aber nun seindt I. L. recht trawerig, welches nicht zu verwundern ist. Alle monsieur Gaston[4] dochter hatten daß, gar flinck mitt der handt zu sein undt ihre leütte, mäner undt weiber, zu schlagen. Das ist nicht ohne exempel in Franckreich; die printzesse d’Harcourt, der duchesse de Brancas schwester, logirte über mich zu Versaille undt ich horte offt, wie sie ihren leütten mitt Stöcken nachlieff; der stock fiel ihr etlich mahl auß der handt undt rolte auff den boden. Sie bekame zuletzt eine cammer-fraw, die sagte zu ihr, sie solte es nicht mitt ihr wagen, sie wehre nicht gewohnt, geschlagen zu sein, könte es nicht ohne widergeben vertragen. Die printzes wolte es doch wagen, aber die cammer-magt war stärcker, alß sie, rieß ihr den stock auß der handt undt brügelte sie braff ab. Seyder dem hatt sie niemandts von ihren leütten mehr schlagen dörffen. Daß hatt den gantzen hoff divertirt. Ich kan auch woll zürnen, aber es wehrt nicht lang. Madame la princesse ist, gott lob, wider so woll, daß sie auff ihr schon landtgutt wirdt undt morgen verreyßen. Daß landtgutt, wo sie hin ist oder morgen hin wirdt, heist Annette[5]; es ist daß, so sie von ihrer fraw dochter[6], monsieur de Vandomes[7] wittib, geerbt hatt, solle gar einr[8] schönner ort sein. Ich bin nie dort geweßen, aber monsieur le Dauphin gab monsieur de Vandosme alle jahr eine vissitte mitt der großen printzes de Conti. Monsieur de Vandosme gab allerhandt divertissementen dort, commedien, opera, mussiq, fischerey undt allerhandt jagten. Diß hauß hatt [207] François premier sohn, Hanry second, bauen laßen vor seine metres, Diane de Poictier[9], duchesse de Valantinois[10]. Ist gar ein groß undt schön gutt, hatt große waldungen undt ein schön landt. Sie wirdt mitt großer geselschafft dort 3 wochen bleiben. Christian August Haxthaussen war sehr charmirt von Portugal, sagt, daß in der welt nichts schönners seye, alß die ahnkunfft zu Lisbonne, undt andere leütte haben mirs auch gesagt. Franckreich ist ein schön landt, aber nicht schönner, alß unßere liebe Pfaltz. Monsieur le Fevre ist ein ehrlicher, artiger undt verstandiger man; es fehlt aber viel, daß Ewers schwagers verstandt dießem beykommen konte. Ewer niepce undt neveu seindt mir keine dancksagung schuldig, ich thue nur meine schuldigkeit, wen ich mir vor ihr bests employre. Monsieur le Fevre kan sich hir nicht eyllen undt muß ja erst sehen, waß auß allen dem handel, so Lawß[11] unter handen gehabt, werden wirdt. Mein[e] wünsche gehen nicht weydt; daß eintzig, so ich von gott begehre, ist meines sohns leben undt bekerung, da bitte ich Eüch mir mitt zu helffen, umb zu betten[12]. Ihr werdet auß meinen folgenden schreiben ersehen, wie daß ich Eüch bericht, daß ich alle Nürnberger pflaster-schachteln entpfangen undt Eüch davor gedanckt habe. Ich kan nicht begreiffen, wie man kleine medger … Wie Ihr mir aber daß kindt beschreibt, so Ihr bey Eüch habt, muß sie doch artig sein. Unßer Pfaltzer wollen nie Schwaben sein, da haben sie recht; die Schwaben seindt entweder einfaltig oder falsch. In dern indianischen außsprach, ich will sagen die Chinesser, da ist kein r in; sie konnen es also nie sagen[13]. Vor etlichen [jahren] waß[14] einer hir, der, wen er le roy wolte [208] sagen, sagte er alß le loy. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, liebe Louisse, kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. August 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 205–208
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1254.html
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