Seitenbanner

Brief vom 4. September 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1258.


[213]
St Clou den 4 September 1721 (N. 22).
Hertzallerliebe Louise, erschreckt nicht über waß ich Eüch sagen werde! Den es ist nichts mehr, ich bin nun wieder gantz woll. Aber vergangenen sambstags nachts umb halb 10, alß ich mich zu bett gelegt, kam mir ein kleiner frost ahn, der wehrte 2 stundte; hernach kam die hitze, die hatt mir biß mitwog morgendts gewehrt. Ich hatte den kopff sontag, alß wen man mir bley drin geschüdt hette, konte den kopff nicht geraht halten, noch auffrecht, hatte dabey allezeit lust, zu schlaffen. Ich fuhr spatziren, daß erleichterte mir den hirn-kasten wider, wurde viel beßer drauff, schlieff auch die nacht gar woll. Montag morgendts umb halb 7 gab mir monsieur Teray meinen grünen safft, welcher mich selbigen morgen 9 mahl purgirt. Andern tags, da ich noch selbigen safft genohmen, hatt mich zwar daß fieber nicht verlaßen, war doch nicht schläfferig undt nicht so abgematt alß sontags; wurde noch 7 mahl purgirt. Gestern hatt mich daß fieber gantz verlaßen, bin nur noch ein wenig schlabies, wie die arme marquise de Fois, die Hinderson, alß pflegt zu sagen[1]. Aber da kommen meine caleschen, ich will ein wenig spatziren fahren, umb mich zu stercken.
Donnerstag, den 4, umb 3/4 auff 5 abendts.
Da komme ich wieder auß dem gartten. Es ist heütte daß schönste wetter von der welt, weder zu warm, noch zu kalt, sanfft ohne windt, suma, es kan nicht ahngenehmer sein, hatt mich recht gesterckt undt erkuickt[2]. Ich bin anderthalb stundt im gartten herumb gefahren, recht mitt lust undt vergnügen. Nun will ich Eüch wieder entreteniren biß zum gebett undt nach dem gebett biß zum nachteßen; aber weytt[e]r darff ich nicht mehr schreiben, monsieur Teray hatt es mir absolute verbotten. Aber da leütt man ins gebett, ich laße sie ein wenig leütten; den ich wolte gern noch vorher dieße seytte außschreiben, umb, wen ich wieder komme, mein blatt umb[zu]threhen. Ein wenig vor der promenade habe ich Ewer liebes schreiben vom 27, no 63, zu recht entpfangen. Ich [214] habe aber die thorheit gethan, es gleich zu leßen; den hette ich es verspart undt erst in der promenade geleßen, hette ich Eüch, liebe Louise, viel mehr schreiben konnen undt vielleicht auff beyde schreiben heütte andtwortten konnen. Aber nun werde ich es kaum auff eines vollig thun können, komme wieder auff daß von no 62, so ich ahngefangen hatte. Es ist doch noch etwaß, wen meine schreiben endtlich überlieffert [werden]. Es geht mir, liebe Louise, wie allen gar alten weibern; eine stundt ist man gesundt, die ander stundt kranck, daß muß man so gewartig sein, biß es gar außgehen wirdt. Ich gebe mich hirin gantz in den willen gottes, wie es gott mitt mir machen will, es seye zum leben oder zum sterben, folche[3] hirin gantz dem lutherischen liedt von Ich hab mein sach gott heimbgestehlt[4] etc. Daß überig könt Ihr, liebe Louise, in Ewerm psalmbuch leßen, so in den liedern stehet, so ordinarie hinter den psalmen stehen. Es ist ja gar nichts rarers[5], daß ich mich vor graff Degenfelt undt seine gemahlin interessire. Sie ist mir ja nahe genung dazu undt graff Degenfelt, ist es den nicht herr Max sohn, der ja einer von meinen besten freünden war? Undt wen auch gleich alle dieße ursachen nicht wehren, so ist es mir genung, liebe Louise, daß Ihr Eüch vor ihnen interessirt, umb mein bestes zu thun. Monsieur le Fevre ist dießen gantzen morgen hir geweßen. Ihr werdet baldt von seinen schreiben vor graff Degenfelt entpfangen, den es ist mitt mein paquet von verwichen samstag weg geschickt. Die vers seindt possirlich, haben mich lachen machen, aber es ist war, daß sie auff Hans Sax[6] art außkommen. Aber da kompt mein nachteßen, ich muß monsieur Theray gehorsamen, alß[7] vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
Wo mir gott daß leben verleyet biß übermorgen, hoffe ich, mehr zu sagen.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. September 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 213–214
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1258.html
Änderungsstand:
Tintenfass