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Brief vom 6. September 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1259.


[214]
St Clou den 6 September 1721 (N. 23).
Hertzallerliebe Louise, morgen ist es kirbe hir undt la [petite] [215] St Clou[1], will also die gutte gewohnheit nicht verliehren, wie ich Eüch versprochen, liebe Louise, ein bauern- undt dorffkirbe zu schicken, so hirbey kompt. Mich deücht, ich habe Eüch noch kein schächtelgen auff dieße art ges[ch]ickt. Ich bitte Eüch, liebe Louise, schreibt mir, ob ich Eüch nicht schon so eines geschickt habe oder nicht, und macht mir eine liste undt beschreibung von die, so Ihr schon habt, damitt ich nicht dopelt schicken mag! Den ich bin nun so gesundt wider, wiewoll abgematt, daß ich noch hoffen kan, Euch mehr alß eine kirbe zu schicken. Ich habe heütte morgen medecin genohmen, daß ist daß 3te mahl seyder meiner kranckheit, liebe Louise! Bin in den 3 mahlen 24 mahl gehen machen[2], daß matt mich sehr ab. Den grünen safft[3], so man mir heütte morgen geben, war doch nicht so starck, alß die zwey andern, bin nur 5 mahl gangen, aber sehr starck. Ich kan nicht begreiffen, wo ich alle die abscheüliche menge galle hernehme, so mir auß dem leib geht; es ist eben, alß wen man saffran zerschnitten undt außgedruckt hette. Aber genung von dießen langweilligen discours. Ich komme auff Ewer liebes schreiben, so ich vergangenen donnerstag entpfangen, wie ich Eüch bericht habe, liebe Louisse! Ihr wist woll, liebe Louise, daß es nicht anderst hergeht auff der post, daß man Eüch einen tag ohne brieffe lest undt den andern die zwey paquetten auff einmahl gibt. Wo man, wie mitt den postmeistern, auff interesse disputtirt, da dawert die einigkeit nicht lang. Ihr müst Eüch die langeweill undt gedult alß ein gelübte ahngeschwohr[e]n haben, liebe Louise, umb meine brieffe mehr, alß einmahl, zu überleßen[4], da hört gewiß gedult undt resolution zu. Es ist ein schlim zeichen vor mich, wen ich hunger habe, den es ist gar meine gewohnheit nicht undt folgt ordinarie eine kranckheit drauff. Vor sterben könte ich daß ey nicht mehr schlucken; man hatt mich so erschrecklich mitt in meiner ersten kranckheit verlaydt, mir es alle zwey stundten zu geben, daß ich es nicht mehr leyden kan. Ich begreiffe perfect woll, daß man ohne apetit ist[5], den ich eße gar off[t] so. Wer[6] graff Degenfelt hir im landt, würde er baldt von krebsen verlaydt sein, den sie deügen gantz undt gar nichts hir, [216] seindt lehr, zehe[7] undt schmecken nach morast. Ich liebe die krebs auch gar sehr, aber hir eße ich gar selten. Wo ich sie gutt geßen, war im Wolffsbrunen[8], zu Neyenheim undt Neckergemündt[9]. Da seindt auch ex[c]ellente grundeln, die ist man hir im landt nicht; wens leben drauff bestunde, konte man keine eintzige finden, welches mir woll leydt ist; den ich eße sie hertzlich gern. Man macht so viel gegraß[10] von den frantzöschen köchen undt zurichten, daß ist aber gar nicht nach meinem schmack undt in 50 jahren, daß ich in Franckreich bin, habe ich mich ahn keinen eintzigen ragoust gewohnen konnen, finde all daß frantzösche gefräß unleydtlich undt eckelhafft, eße nichts, alß hamel-fleisch, kalb-fleisch undt schlegt[11] speyßen, so keine ragoust sein, gebrattens undt dergleichen[12]. Wilbert[13] deücht[14] hir gar nichts, sie wißens auch nicht zuzurichten. Könte ich mich unsich[t]bar machen undt der Angélique ring[15] ertap[p]en, würdet Ihr mich baldt zu Geissenheim sehen. Ich glaube, ich würde Eüch ein wenig bang machen, kenen kontet Ihr mich ohnmöglich, aber ich würde mich baldt zu erkenen geben undt mitt Eüch eßen, den ich bin persuadirt, daß Ihr gantz auff gutt Teütsch est[16]. Daß waßer kompt mir drüber in den mundt, aber dießer apetit vergeht mir gleich, wen ich ahn daß hießige gefräß gedencke. Wo kompt dem graff Degenfelt den daß dick-sein her? Alles, waß ich in seiner famille gekandt, war ja [217] nicht fett, herr Max war es nicht, Ewer fraw mutter auch [nicht], noch der oberste Degenfelt; herr Ferdinant undt freüllen Charlot[te] wahren fett. Die Wolmersheüßerin solle doch auch fett geworden sein, wie man mir gesagt hatt. Ambrassirt Ewer kleine niepce, mein patgen, von meinetwegen vor ihr englisch compliment! Ihr werdet Eüch verwundern, wie baldt sie Teütsch wirdt lehren[17]. Habt nur acht, liebe Louise, daß sie ihr Englisch nicht vergist! Es ist ein gutt zeichen vor kinder ihren verstandt, wen sie, wie Ewer kleine niepce, lebhaft sein. Es ist loblich ahn vatter undt mutter, daß sie sie woll erziehen müßen. Ey, liebe Louise, waß ist diß vor ein albers compliment, so Ihr mir macht, liebe Louise, daß Ihr mir eine große entschuldigung daher setzt, daß Ihr mir von die Ewerigen sprecht! Interessire ich mich den mehr vor der graffin Berlips, alß vor Eüch, liebe Louise? Daß kompt schön herauß. Macht mir nicht mehr dergleichen poßen, wen Ihr nicht wolt, daß ich auff gutt pfältzisch braff kendern solle! Ich kan nicht glauben, daß Churpfaltz so eine große thorheit begehen solte, wie der könig in Denemarck gethan. Der konig in Denemarck, unter unß gerett, ist der alberste undt sotteste mensch, den ich mein leben gesehen[18], undt man sagt, Churpfaltz habe verstandt. Ihr dörfft nicht fürchten, daß ich Eüch händel ahnmachen werde, daß ist mein stiehl gar nicht. Es ist doch heßlich ahn Churpfaltz, Eüch nie zu zahlen. Unßer printzes von Wallis hatt mir deß cronprintzen von Denemarcks[19] beylager bericht mitt allen umbstandten; es muß sich sehr bey dießem herrn vattern. Ich halte dießen heüraht [für] ein recht stück von der providentz, weillen dieße cullenbachische famille so bitter arm ist. Ich wolte lieber mar[s]chalck ahn einen hoff sein, alß der damen hoffmeister; finde diß, wie man hir sagt, daß dießer mar[s]chalk d’evesque meunie[20] geworden ist. Unßer printzes Anne ist wider gar kranck geweßen, aber nun ist alles, gott lob, wider [218] recht woll, ich will sagen I. L. undt ihr zwey fraw schwestern. Man stirbt, wie man gelebt hatt; der könig in Pol[e]n[21] hatt all sein leben die despence undt divertissementen geliebt, daß wirdt er vor seinen todt nicht endern. Ich aber verbl[e]ibe allezeit auch, wie ich gelebt, undt behalte Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. September 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 214–218
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1259.html
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