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Brief vom 13. September 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1261.


[224]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 13 September 1721 (N. 25).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte gehofft, etwaß frischer[1] von Eüch dieße woche zu bekommen, aber die post hatt gantz verfehlt. Vielleicht ist Eüere reiße nach Franckfort dran schuldig; ich fürchte, daß es auch verursachen wirdt, daß Ihr meinen bri[e]ff, so ich Eüch vor 8 tagen geschrieben, undt daß schachtelgen, so ich Eüch zur St Clouer kirbe geschickt, wirdt verlohren gangen sein. Es ist mir noch nicht recht woll, mein apetit kompt noch nicht wider, noch meine kräfften auch nicht; daß thut, glaube ich, daß liebe alter, wie mutter Annecken sagt[2]. Ich glaube auch, daß viel wiederliche sachen dazu helffen; man hört undt sicht nichts, alß widerliche sachen. Ich habe dieße woche schon 2 unbekante brieff entpfangen, wo man meinem sohn undt mir trohet, daß man unß poignardiren will[3]. Ob ich zwar woll weiß, daß, wan man es thun will, daß man es nicht sagt, so ist mir zwar nicht angst darvor, aber der haß, [225] den man zu meinem sohn undt mir tregt, kan doch nicht gefallen undt macht kein artiges noch lustiges leben. Man hort von nichts, alß unglück; vorgestern abendts ist ein hauß eingefahlen zu Paris, hatt 16 personnen erschlagen; gestern hatt ein garde von meinen sohn eines Schweitzer sohn erstochen. Überall hört man nur jammer undt unglück, daß ist auch nichts lustiges. Mein leben habe ich keine verdrießlichere undt langweilligere zeit zugebracht. Es ist aber so gottes will, man muß sich woll drin ergeben. Unßerer großhertzogin ellender standt liegt mir auch auff dem hertzen, also kein wunder, daß ich noch gantz schlapies bin undt nicht wider zu kräfften kommen kan. Aber hiemitt genung von dießem langweilligen weßen. Gestern habe ich in meiner kist noch ein schreiben von Eüch, liebe Louise, gefunden vom 23 Augusti, no 62, so ich noch nicht beantwortet habe; daß will ich nun vornehmen. Meine amitie undt freündtschafft vor Eüch, liebe Louise, ist heütte eben dießelbe, so sie war, wie ich Eüch den 13 undt 16 Augusti, no 16 undt 17, geschrieben hatte, aber meiner gesundtheit kan ich mich gar nicht berühmen. Waß mich ahm meisten plagt, seindt vapeurs, so mich gal[l]en machen undt recht abmatten. Aber alles hatt seine zeit; so lang ich jung geweßen, war ich gar gesundt, nun ich gar alt geworden, werde ich schwach undt kräncklich. Das ist nach der ordenung undt nichts dagegen zu sagen, alß nur gott bitten, mir beyzustehen, gedult biß ahn mein endt [zu] verleyen, welches ich ohne abscheü betrachte. Ich habe vorgestern überall hin geschickt, wo es monsieur le Fevre ersucht; bey mir solle es nicht liegen, daß seine sache nicht woll außschlecht[4]. Monsieur le Fevre fürcht aber doch, daß es verlust geben wirdt, welches mir sehr leydt ist. Monsieur le Fevre hatt freylich geantwordtet undt ich habe sein paquet in das meine geschloßen. Gott weiß, wo es hin kommen ist; wens nur nicht gar verlohren geht, muß man zufrieden sein. Mich verlangt doch, zu vernehmen, liebe Louise, daß Ihr es entpfangen; den brieffe zu verliehren, ist recht verdrießlich. Monsieur le Dauphin s., den man Monseigneur geheißen[5], wen man durch ein dorff fuhr, wo bawern in gewehr stunden undt schießen wolten, machte er ihnen eine große reverentz, zog den hutt ab; sie wolten gleich [226] wider reverentzen machen, zogen die hütte ab undt schoßen nicht. Von der buben vers habe ich schon letztmahl meine meinu[n]g gesagt, haben mich divertirt. Daß hatt woll ein dorff-magister gemacht. Daß faß wein ist eine groß freüde vor dergleichen leütte, haben es lieber, alß gelt. Es were schwer geweßen, daß die gräffin Degenfelt ihre gütter gesehen, da sie ja nie auß Englandt kommen war; aber graff Degenfelt hette es sehen können. Die posten gehen so unrichtig, daß man nicht wißen kan, wen sie fehlen, oder wen man nicht geschrieben hatt. Es ist doch eine rechte verdrießliche sache mitt der ewigen unrichtigkeit von der post. Aber ich will nichts davon sagen, den je mehr man sich drüber beklagt, je ärger sie es machen. Von Ewer geselschafft will ich nichts sagen, ich habe schon davon gesprochen in meinen letzten schreiben. Ist Wormbs wieder gantz gebawet, liebe Louise, undt ist der thumb[6] nicht verbrendt? Es ist mir leydt umbs raht-hauß geweßen, wo die schönne historie vom lindwurm gemahlt war, wovon die statt den nahmen von Wormbs[7] führt. Ich mögte wißen, ob der itzige churfürst von Maintz nicht ein[e]r von den Schönborn ist, so wir lang hir gesehen halte[8]. Der jüngste war ein schonner, ahngenehmer herr, dem wars woll bitter leydt, geistlich zu werden[9]. Man kan denen andtwortten, so unßern jungen könig todt gesagt haben: Les gens que vous tües, ce portent asses bien, wie Cliton zu Dorante sagt[10]. Mein enckel, der duc de Chartre[s], ist gar kranck geweßen, aber es hatt nicht lang gewehrt. Die historie von der ratt im todten-kopff, so den balbirer so angst gemacht, ist gar eine alte historie. Die dame, so ihre leütte so braff geprügelt hatte[11], war meiner hoffmeisterin schwester, hatte den prince d’Harcourt vom hauß Lotteringen geheüraht, seindt beyde todt, es war ein doll par. Ihr sohn undt seine fraw deügen[12] nichts beßer. Adieu! [227] Ewer liebes schreiben [ist] vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. September 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 224–227
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1261.html
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