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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den 27 September 1721 umb ein viert[e]l auff 8 morgendts (N. 29).
Hertzallerliebe Louise, Ewere reiße von Altorf hatt daß
verdrießlich, daß man gar nichts von Eüch hört, noch sicht. Seyder
daß letzte schreiben, daß ordendtlich beantwortet, habe ich nichts
von Eüch vernohmen; das ist doch verdrießlich auff die lenge. Ich
fürchte, Ewere niepce wirdt durch die reiß ein böß kindtbett
bekommen undt daß Ihr also alle lenger zu Altorff werdt bleiben
werdt
[1]. Gott gebe, daß ich mich betriege! Seyder der armen
großhertzogin todt haben wir nichts neües hir. Ich werde heütte
nach Paris; erfahre ich etwaß neües undt unßer herrgott erhelt mir
daß leben biß auff donnerstag, werde ich Eüch berichten, liebe
Louise, alles, waß ich werde vernohmen haben. Ich werde nicht
so lang dort bleiben, alß ordinarie, den ich werde nicht in die
commedie, finde, daß es gegen die bienseance wehre, wen ich in die
commedie ginge, da es noch kein 8 tag ist, daß wir die trawer
ahngethan haben. Gestern ist es erst 8 tag worden, daß man sie
begraben hatt. Ich kan nicht leyden, daß sie sich in soeur
converse
[2] hatt kleyden laßen undt in dem closter von Piquepuce
[3] undt
nicht in St Denis begraben laßen, wo ihr herr vatter, fraw mutter,
bruder undt schwestern begraben sein. Aber man stirbt allezeit, wie
man gelebt
[4]; die großhertzogin hatt sich nie nach ihrem standt
halten wollen, ich habe sie hundert mahl drumb außgefiltz[t], aber,
wie Ihr secht, so hatt sie ihren humor biß ahns endt behalten undt
sich en masque begraben laßen. Den ich heiß en masque, wen
eine großhertzogin undt petite-fille de France sich alß eine soeur
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convers[e] in einem closter begraben lest. Alle menschen ruffen
dargegen; man hatt doch ihren letzten willen volbracht. Aber es
ist zeit, daß ich mich ahnziehe, umb meine kleine reiße zu thun.
Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch undt behalte Eüch
allezeit von hertzen lieb.