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Brief vom 4. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1267.


[238]
St Clou den sambstag, 4 October 1721 (N. 31).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern, alß ich zu Paris ahnkommen, bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 20 September erfrewet worden. Ob es zwar 12 tag alt war undt in 7 hette ahnkommen können, so muß man doch noch zufrieden [sein], daß es nicht, wie daß vom 3, verlohren worden. Liebe Louise, ich habe vergangenen donnerstag einen harten strauß außgestanden. Morgendts war nichts zu klagen. Ich spatzirte in dem gartten von den kleinen Carmelitten, es war daß schönste wetter von der welt. Hernach fuhr ich au Palais-Royal zu madame d’Orléans, machte ihr mein compliment in form. Mein sohn kam zu unß, ich blieb biß 12 drunten, ließ mich hernach herauff tragen zu unßerer jungen braudt. Von dar gingen wir ahn [taffel], da ging meine qual ahn. Man ließ mir kein ruhe, zu eßen, muste alle augenblick auffstehen undt reden. Erstlich kam der comte de Clermont[1], monsieur le ducs 3ter bruder, hernach die duchesse de Vantadour[2] undt ihre schwester, die duchesse de la Ferté. Wir wahren 12 ahn taffel, aber ich allein geplagt, den ich muste allein sprechen. Ich hatte den duc de Chartre[s] ahn taffel, seine 3 schwestern undt ihre hoffmeister[i]n, meine 2 damen, madame de Segure[3], so eine halbe enckelin ist, den sie ist auch meines sohns dochter, aber von der linken seytten, er hatt sie nicht legitimirt. Wir hatt[en] auch ahn taffel Lenor, madame du Pourpris[4], meines ersten stallmeister fraw, die marechalle de Clerembeau[5] undt ich, daß macht 12 personnen. In wehrenden eßen kam auch noch der cardinal de Gevre[6], da muste ich wieder auffstehen undt reden. Daß ist noch nicht zu vergleichen von dem, so ich nachmittags von halb 2 biß halb 6 hatte. Ich fandt madame la princesse mitt unßer hertzogin von Hannover undt die große printzes de Conti undt mademoiselle de Clermont in meiner cammer mitt allen ihren damen. Wie die weg wahren, kamme die kleine printzes de Conti mitt ihrer dochter, mademoiselle de la [239] Rochesurion[7], madame du Maine, madame la duchesse mitt mademoiselle de Charoloy[8], auch alle ihre damen. Es kamen auch viel ander princessinen, so nicht vom königlichen hauß sein, alß princesse Despinois[9], mademoiselle Darmagnac[10], ihr niepce, d[i]e duchesse de Valantinois[11], die princesse de Montauban, ich weiß nicht, wer noch, undt duchessen ohne zahl, die marechalle de Noaille[s], die marechalle de Bouffler[s], die duchesse de Lesdiguière[s], de Sforce, de Nevers, d’Humière[s], de Louvignie[12], duchesse de Gramont, de Roquelaure. Madame d’Orléans kamme noch zuletz[t] auch undt die schwigerdochter von der duchesse de Brancas, du[13] duchesse de Villar[s]. Die damen, so nicht sitzen, wahren ohne zahl, ich bin gewiß, daß ich noch viel tabouret[14] vergeße. Es war eine hitze in meiner cammer, daß, wen ich nicht in[15] augenblick in meine garderobe gangen were, were ich übel worden. Aber waß ich ahm ärgsten hatte, wahren meine knie, die von auffstehen undt niedersitzen so schmertzhafft worden, daß ich meinte, recht übel zu werden, nahm einen stock, umb dran auffzustehen, hette es sonst nicht außstehen können. Den außer die damen kammen noch viel mans-leütte, printzen undt ducs, vor welche ich auffstehen [240] [muste], alß printz Charle[s] Darmagnac[16], prince Despinois[17], duc de Lorge[s], duc undt duchesse de S[ain]t-Simon. Ich weiß nicht, wer noch, muß es meinen knien fragen, die werden sichs beßer erinern, alß ich, haben genung davor gelitten. Ich hatte eine große freüde, wie man mich in die commedie holte, konte mich aber nicht erhollen, die hitze war zu groß. Es ist jetzt viel wärmer, alß es in den hundtstagen geweßen; man hatt noch gar nicht verspürt, daß wir im October sein. Aber dieße nacht hatt es geregnet, daß hatt daß wetter sehr abgekühlt. Ich fürcht[e], daß dadurch daß kalte herbst-wetter sich einfinden wirdt; den dieße nacht umb 12 uhr 16 minutten wirdt der mont voll werden, daß mogte woll enderung vom gewitter[18] bringen. Es ist aber auch zeit, daß ich mich ahnziehen gehe; den ich will dießen morgen eine vissitte thun undt nauff zu madame de Chasteautier[19], so daß bett helt undt gar groß halß-wehe hatt. Da kommen meine kutschen. Adieu jusques au resvoir!
Da ist le revoir, wovon ich dießen nachmittag gesprochen, liebe Louise! Ich komme in dießem augenblick von Madrit. Daß wetter, so heßlich heütte morgen war, ist nun recht schon geworden, aber weillen es den gantzen morgen geregnet, hatte ich gehofft, daß es den staub abschlagen würde, aber ich habe eben so viel staub gefunden, alß vorgestern. Nun schlegt es halb 7 undt ich will, wilß gott, heütte noch andtwortten. Ich bin heütte noch woll, gott lob, habe aber seyder vorgestern solche schmertzen in den knien, daß ich mich nicht zu behelffen weiß. Da habe ich einen braunen pfaffen, den ich offt ein schelm heiße; der plauttert mir den kopff so voll, daß ich schir nicht mehr weiß, waß ich sage. Auß dießem discour[s] könt Ihr woll errahten, daß es mein abbé de St Albin, so nun baldt bischoff von La[o]n[20] undt duc et pair de [241] France werden [wird]. Daß ist mir lieb, den ich habe den armen buben von sein[e]r zartten kindtheit ahn allezeit lieber gehabt, alß alle seine geschwister; den ich bin persuadirt, daß er von allen meines sohns kindern, legitime undt illegitime, der ist, so mich ahm liebsten hatt. Aber da kompt vetter Wendt undt sagt, es seye zeit zum nachteßen. Ich muß woll ihr gestrenget[21] gehorchen, den er hatt monsieur Teray ahn sein[e]r seytten. Ein ander mahl ein mehrers, wo mirs möglich sein wirdt. Nun aber wünsche ich Eüch nur eine glückseelige nacht, ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch allezeit lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 238–241
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1267.html
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