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Brief vom 9. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1268.


[241]
St Clou den 9 October 1721 (N. 32).
Hertzallerlieb[e] Louise, vergangenen montag bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 23 September, no 69, erfrewet [worden], alß ich eben in der kutsch war undt nach Madrit zu Chausseray[e] fuhr. Ich bin froh, darauß zu sehen, daß meine zwey schreiben von no 22 undt no 23 nicht seindt verlohren, wie daß Ewere vom 3 September, so ich gar nicht bekommen. Ich will nichts mehr von meinem fieber sagen, es war violent, ist aber baldt übergangen[1], also nichts mehr davon zu sagen. Meine natur ist gutt, aber, liebe Louise, sie verschliest[2] mitt dem alter, welches ich ohne schrecken sehe; den der allmachtige gott, auff den ich all mein vertrawen setze, hatt mir mein ziehl gesetzt, daß werde ich gewiß nicht überschreitten. Ich thue, waß mein docktor mir zu meiner gesundtheit raht, fühle aber doch woll, daß ich verschließe, wie es den im 70 jahr nicht anderst sein kan. Meine gesundtheit ist doch, gott lob, nun wieder ersetzt, außer meine knie, ahn welche ich noch schmertzen leyde. Aber daß kompt nur von der abscheülichen fatiguen, so ich vor 8 tagen zu Paris außgestanden, wie ich Eüch vergangenen [242] sambstag verzehlt, liebe Louise! Kranckheitten undt mattigkeitten seindt keine entschuldigung, umb ahn sein versprechen zu fehlen. Es ist keine lust mehr, waß zu schicken; die krämmer haben nichts neües mehr. Wie sie auff alles erschrecklich gewinen wollen undt daß golt gar hoch ist, sie derowegen wenig verkauffen, wollen sie nichts neües mehr machen, suchen nur, ihre alten schachteln zu verkauffen; derowegen habe ich Eüch nichts artiges, noch neües schicken können, liebe Louise! Es ist ein glück, daß di[e]ße schachtel neü vor Eüch ist. Es ist rar, den der arme man, so mein goltschmitt en charge war undt woll gearbeydt hatt, ist im ahnfang dießes jahrs gestorben. Es war mir recht leydt, den es ein gutter, ehrlicher, recht gewißenhaffter man geweßen. Er hieß Gailliard[3], seine fraw mahlt in mignature[4] nicht übel, hatt mich gemahlt, ehe sie geheüraht war, hieß mademoiselle Pigeon[5]; wo mir recht, so habt Ihr eines davon. Penel[6], so jetzt mein mignatour-mahler ist, mahlt beßer. In so bagattellen, wie ich Eüch schicke, ist nur die neüigkeit der arheydt zu estimiren. Übers jahr, wo ich leben bleibe, müßen wir suchen, daß dutzendt auß zu machen von den schachteln, deren Ihr schon 10 habt. Spart Ewern beüttel, liebe Louise! Es were mir leydt, Eüch ungelegenheit zu machen. Aber wen ich Eüch die rechte warheit sagen solle, seindt mir die cartten, so Ihr mir schickt, eben so ahngenehm, alß daß magnifiqste pressent von silber, noch golt. Ja, liebe Louise, ich sage es Eüch recht von grundt der seelen, es würde mir eine rechte freüde sein, wen ich mitt Eüch eßen könte, auff gutt Teütsch eßen könte, sawerkraudt, braunen köhl, grundeln, krebs[7]. Ewer niepce undt ihr dochtergen könten hir mitt mir eßen, aber graff Degenfelt [nicht], den es ist mir nur von mansleütten erlaubt mitt mir zu eßen prince[s] du sang, souverains undt cardinals, sonsten darff ich mitt keinen mansmenschen eßen, nicht einmahl mitt den fürsten vom hauß Lotteringen undt Savoye. Aber mitt allen damen von qualitet kan ich eßen. Die meine jungfern geweßen, freüllen solte ich sagen, umb nach itziger art zu reden, haben ein groß avantage. Wen sie gleich mäner nehmen, so keine edelleütte sein, können sie doch [243] allezeit mitt mir eßen, aber nicht in meine kutsche fahren, sie heürahten den einen man von qualitet. Jedes landt hatt so seinen brauch. Niemandts kan vor mir sitzen, alß printzessinen undt duchessen; aber wen viel damen von qualitet komen, erlaub ich ihnen, zu arbeytten, den dorffen sie sitzen[8]. Hiemitt ist Ewer letztes undt liebes schreiben vollig beantworttet. Ich kome jetzt auff daß, so mir noch vom vergangenen sambstag übergeblieben ist. Ich war geblieben, wo Ihr Eüch beschwert, [daß Ihr] meine zwey brieffe von no 22 undt 23 nicht entpfangen habt, aber wie ich in Ewerm letzten gesehen, daß sie endtlich ahnkommen, werde ich weytter nichts davon sagen. Die post wirdt durch deß Torcy geitz taglich verdrießlicher, fehlt ahn allen ortten. Monsieur Teray trawet[9], mir bey dem ersten regenwetter wider grünen safft zu schlucken machen, weillen die gall wieder ahnfangt, sich sehr zu rühren, welches woll gar kein wunder ist; den daß burgerliche leben, so ich jetzt führe, ist gar meine sache nicht, habe große mühe mich dran zu gewohnen[10]. Dazu findt man noch hir undt dar verdrießlichkeytten, so man einschlucken muß, undt daß mehrt die gall, die mir endtlich ein mahl den garauß geben wirdt, wen es gottes will sein wirdt. Vor alle Ewere gutte wünsche, liebe Louisse, so Ihr mir in dießes Ewer liebes schreiben von 20 September, no 68, thut, dancke ich Eüch von hertzen undt wünsche Eüch hergegen alles, waß Ihr Eüch selber wünschen undt begehren möget. Hertzliche Louise, hohe personnen seindt nichts, alß menschen, wie alle andere, müßen also woll sterben. Die, so es ahngeht, seindt betrübt, andern gibt es freüden, indifferenten spectacle undt zeitvertreib. So geht es in der welt her, liebe Louise, ist allezeit so geweßen undt wirdt allezeit so sein. So lustig man in der jugendt geweßen, so macht daß alter undt die vielfaltige experientz serieux undt nachdenckisch. Man kan nicht leben ohne sterben sehen undt die zu verliehren, so man hertzlich liebt; daß benimbt alle lust undt verleydt[11] daß leben. Ihr kent[12] die Frantzoßen nicht, wen Ihr meint, daß sie eine boßheit, so sie ahngefangen, enden können, undt außer ihr interesse lieben sie nichts. So lang waß zu hoffen ist, ist es merveille; so baldt sie aber, dieße hoffnung, verlohren [244] wirdt oder sie bekommen, waß sie wünschen, den hört alle freündtschafft auff[13]. In allen andern sachen würde ich graff Degenfelt sehr beklagen, zu verliehren; ich habe eine solche abscheü all mein leben gehabt vor die Sudsee undt Missisipi, daß ich niemandts beklagen kan, so drinen verliehrt, den der geitz ist zu sehr marquirt, kan ich niemandts beklagen. Aber nun ist es zeit, daß ich mich ahnziehe. Dießen nachmittag werde ich außschreiben.
Donn[e]rstag, den 9 October, umb halb 4 nachmittags.
Es hatt eyß gefrohren undt ist eine grimigere kälte, alß wir den gantzen vergangenen winter gehabt haben. Wen der winter so zunimbt, werden wir alle erfrieren. Wie wir von taffel kammen, meinte ich, gleich wieder zu schreiben können, allein ich fandt 2 verhindernüße. Die erste war die marquise de Béthune, die hatt mir die fürstin Ragotzi[14] hergeschickt, umb zu wißen, wie sie mich sehen könte. Daß hatte ich ihr aber schon gestern geschrieben, ich bin gantz gritlich, daß sie herkommen ist. Teütsche fürstinen schicken sich hir gantz undt gar nicht undt daß wirdt mir eine plage werden, den sie will, daß ich mich wegen der nahen verwandtschafft viel umb sie bekümern solle, undt daß ist meine intention gantz undt gar nicht; es ist gar eine zu dolle humel, ich weiß abscheüliche historien von ihr. Man solle noch woll sehen, daß sie hübsch geweßen ist, solle aber erschrecklich dick sein, viel dicker, alß ich, undt ich bin dick genung. Aber da sehe ich madame la princesse in den hoff fahren, daß wirdt mir wieder eine lange pause zu wegen bringen. Da kompt sie herrein.
Donnerstag umb ein viertel auff 6 abendts.
Da fährt madame la princesse undt mademoiselle de Clermon[t] wieder weg, ihre vissitte hatt 5 viertel-stundt gewehrt. Es ist eine verfluchte sache mitt dem Missisipie undt billiet de bangue[15], hatt man[c]he leütte ruinirt. Die seindt nicht ahm meisten zu beklagen, so nicht so viel gewunen haben, alß sie gemeint, sondern die seindt zu beklagen, so alle daß ihrige verlohren haben. Monsieur Laws ist nun incognito in Englandt unter einem andern nahmen. Er ist auch, wie mir baron Goertz undt monsieur Harling schreiben, zu [245] Hannover etliche tage geweßen, hatt erst seinen nahmen geendert; aber wie viel leütte zu Hannover sein, so ihn hir zu Paris gesehen, hatt er nicht unbekandt bleiben [können], undt wie er gesehen, daß man ihn gekendt, hatt er sich auch nicht lenger verhehlt undt gleich gestanden, daß er es ist. Er ist jetzt in Englandt, aber da helt er sich noch gantz incognito. Waß weitter hirauß werden wirdt, sal die tiedt[16] lehr[e]n, hir aber gehen alle seine affairen sehr schlegt, wie ich höre. Man sagt mirs nur en gros, den den detail will ich mein leben nicht hören; erstlich so verstehe ich gantz undt gar nicht undt zum andern so habe ich auch einen solchen abscheü vor dieße sache, daß ich nichts davon horen kan[17]. Aber ich habe doch monsieur le Fevre gesagt, daß, wo ich in der sach von Coubert nützlich sein könte, solte er mirs nur sagen, so wolte ich mein bestes thun. Er hatt mir gesagt, daß, wen ich die sach ahn monsieur Paris recomandiren wolte … Ob ich zwar ursach habe, nicht content von Paris zu sein, so hab ich ihm doch sagen laßen, daß, wofern er woll in dießer sachen thun wolte, würde ich alles vergangene vergeßen[18]. Er hatt versprochen, sein bestes zu thun. Gott gebe es! Ahn mich wirdts nicht liegen. Ich weiß woll, daß Samuel Bernard[19] sehr polie ist, aber ich kene ihn nicht genung, umb zu wißen, ob er traittable auff dießen text ist; den man zwingt niemandts hir mitt gewalt. Samuel Bernard hatt meinen sohn dinst geleyst, er wirdt ihn gewiß nicht propossiren, gelt zu verliehren; daß wer[20] auch nicht gerecht. Printz Carl von Philipsthal hatt mir geschrieben, er wolle nicht von Franckforth, biß er Eüch würde gesehen haben. Er kan Eüch viel von hir undt von mir verzehlen, den wir sehen einander offt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Ich schicke Eüch hirbey die copie von der fürstin Ragotzi undt waß ich ihr geantwortet habe[21]. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 241–245
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1268.html
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Tintenfass