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Brief vom 11. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1269.


[246]
St Clou den sambstag, 11ten October 1721 (N. 33).
Hertzallerliebe Louise, dießer brieff wirdt nicht so lang werden, alß mein letzter, den ich habe seyder vergangen mitwog, nein, ich bedrige mich, seyder sontag habe ich nichts von Eüch entpfangen. Wir haben nichts neües hir, alß etliche bischoffe undt ertzbischöffe todt, so Ihr nicht gekandt habt. Unßer abbé de St Albin profitirt sehr von deß bischoffs von La[o]n[1] todt, deßen coadjutter er war; den durch dießen todt wirdt er nicht allein bischoff, sondern auch duc et pair de France. Aber er hatt so ein guttes undt erkandtliches gemühte, daß er recht betrübt ist, alß wens sein naher verwanter geweßen were; weiß es ihm recht danck. Der ist nun vor sein leben versorgt, gott lob! Mir ist es auch leydt, daß der arme bischoff von La[o]n gestorben, war ein lustiger, gutter man undt mein gutter freündt. Er war von guttem hauß, vom hauß Clermont, hatt noch 2 brüder; den elsten heist [man] Roussillon, hatt fraw undt kinder, der jüngste ist nicht geheüraht, ist vor dießem offecir ins königs leibquardt [gewesen], kam in ungnadt wegen der großen printzes de Conti, die er sehr geliebt, wurdt ihr untreu wegen einem freüllen, so sie bey sich hatte, welche hernach deß Dauphins maitres wurde. Monsieur le Dauphin pretendirte, daß es nur gutte freündtschafft undt keine gallanterie wehre; viel leütte haben sie doch zu Meudon umb 4 uhr morgendts gantz in nachtzeüg auß monseigneurs kammer sehen gehn, mögte also woll plus fort que jeu gewest sein. Sie lebt noch, solle aber nicht mehr stincken; sie hatt viel verstandt, hieß mademoiselle Choin[2]. Der Clermont ist jetzt capitaine des Suisses von meinem sohn. Daß seindt alte geschichten. Clermon[t] ist ein rechter possirlicher mensch; allezeit lustig, aber mitt einem ernstlichen gesicht bringt er hundert possen vor, so einem lachen machen. Ich kene ihn von der zeit, daß er alß bei monsieur le Dauphin gedint alß exempt des gardes; war immer bey unß auff der jagt, wo man alß mehr kundtschafft macht, alß im hauß. Monsieur le Dauphin hatt recht viel von ihm gehalten undt man solte ihn er[3] vor einen favoritten, alß rival, ahngesehen [247] haben bey seinem herrn. Aber, wie schon gesagt, daß seindt alte geschichten; neüe weiß ich nicht, den ich sterbe der welt sehr [ab]. Gestern habe ich noch eine zeittung erfahren, so mich betrübt hatt; ein gar ehrlicher man, so erster haußhoffmeister bey Monsieur s. geweßen undt mir allezeit sehr attachirt geweßen, ist gestorben. Er war nicht jung undt ging in sein 86 jahr, hatte aber den verstandt noch so net, alß er ihn vor 50 jahren gehabt; war meine erste kundtschafft, den wie mein hauß noch nicht gantz establirt war, hatte Monsieur s. sein hauß nach Metz geschickt, da kam Purnon mitt, ist also meine erste kundtschafft geweßen undt allezeit mein gutter freündt geweßen, hatt sich dadurch mitt dem chevallier de Lor[r]aine brouillirt, der kein[e] ruhe gehabt, biß er ihn auß dem hauß gebracht. Monsieur mögte ihn doch woll leyden, kam also gar offt her undt kam allemahl zu [mir]; Monsieur s. sagte alß: Vous alles[4] bien raison[n]er, car voila Purnon. Raisoniren ist die mode gantz undt gar nicht hir, man lacht die leütte auß, aber daß hatt mich nicht corigirt, wen ich leütte gefunden, so mitt [mir] haben raisoniren wollen. Nun muß [ich] auch meinen brieff schließen undt mich ahnziehen. Ich werde ihn erst dießen abendt zupitschiren. Entpfange ich etwaß von Eüch, werde ich es beantworten; kompt nichts, so nembt vorlieb mitt der versicherung, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 246–247
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1269.html
Änderungsstand:
Tintenfass