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Brief vom 1. November 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1275.


[259]
St Clou den 1 November 1721 (N. 37).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 11 October, no 75, zu recht entpfangen. Ich komme jetzt eben auß der kirch, wo ich mein gebett undt vorbereytung verricht; den wilß gott, so werde ich morgen zum h. abendtmahl gehen. Ich will nichts davon sagen, liebe Louise, daß man Eüch meine schreiben alß zwey undt zwey auff ein mahl gibt, den ich woll weiß, daß es nicht zu endern stehet, den ich kan nicht glauben, daß l’abbé, cardinal du Bois solte ich sagen, mehr sorge vor unßere brieffe haben wirdt, alß monsieur de Torcy. Da kompt mir aber eine verhindernuß, nehmblich mein sohn, der fahrt eben in den hoff. [260] So baldt er wider weg sein wirdt, werde ich Eüch weitter entreteniren. Da geht mein sohn wider weg, nun werde ich ferner schreiben undt Eüch biß zum nachteßen entreteniren, den umb 8 muß ich auffhören, den ich muß heütte frühe nach bett. Wen ich noch schreiben könte, wie vor dießem, würde ich Eüch 3 bogen voll schreiben können, aber nun geht es leyder nicht mehr so geschwindt her; den wen man gar alt wirdt, so geht alles langsam her. Aber waß will man thun? Man muß singen, wie in ein balet von könig s.:
Quand lhiver a glacés nos guerets,
le primtemps revient prendre sa place
et ramaine a nos champs leurs attrais;
mais, helas! quand lage nous glace,
nos beaux jours ne revien[n]e[nt] jamais[1].
Ich kan mich eben jetzt keiner gar gutten gesundtheit rühmen, den seyder vorgestern nachts ist mir ein starcker husten ahnkommen, welcher mich sehr plagt, hatt mich doch dieße nacht beßer schlaffen laßen, alß die vorige. Die zeittung von mademoiselle de Mon[t]pensier heüraht[2] ist gar richtig, aber daß courirt den husten nicht. Daß sie den printzen des Asturie[s] heüraht, ist mir lieb undt gibt mir freüdt, aber damitt ists gethan, weytter kan mir nichts erfreüliches davon kommen. Ach, unßer konig ist gar unschultig erzogen; waß er sagt, ist lautter kinderwerck. Danckt alle Ewer kinder vor ihr compliment, liebe Louise! Ich sehe woll, daß Eüch daß landt hir nicht bekandt ist; daß auffstehen macht die distinction von den printzessinen, duchessen undt damen von qualitet. Daß ist mein sort, von alles, waß geschicht, mehr mühe, alß freüden, zu haben. Die ceremonien seindt, gott lob, vorbey, aber meine knie thun mir allezeit wehe, werden woll ihr leben nicht wider zu recht kommen; mein parthie ist gantz drauff gefast. St Albin, so man jetzt l’evesque de La[o]n heist, ist ein gutter bub, so sich woll ahnlest, seine schuldigkeit allezeit thut, undt hatt mich recht [lieb], ist bey mir, wo er kan; so ist es ja billig, daß ich ihn wider lieb habe. Er gleicht Monsieur s. sehr; er ist nun duc et pair, hatt ein gutt bischtum dabey, ist also, gott lob, woll versorgt[3]. Wen [261] man in selbe statt wohnt, kan man einander ja offt sehen, also wirdt es Eüch, liebe Louise, nicht lang andt nach Ewern kindern thun; den ich zweyffle nicht, daß Ihr nicht offt zusamen werdt kommen undt mitt einander eßen. Hiemitt ist Ewer letzt[e]s liebes schreiben vollig [beantwortet]. Ich komme jetzt auff daß vom 18, no 76. Ich war vergangenen donnerstag geblieben ahn der fürstin Ragotzi, sie steckt in einer schlimmen hautt, weiß nicht, wie sie sich herauß ziehen wirdt. Sie spricht woll undt sehr polie. Nach aller aparantz wirdt sie waßersüchtig werden. Sie hatt hir rechte affairen; ein abt, so deß pr[inzen] Ragotzy affairen hir führte undt seine gelder einnahme, hatt sich selber die gurgel abgeschnitten. Der hatt hundert taußendt thaller vor sie unter handen gehabt; sie kompt, umb zu erforschen, wo diß gelt hin kommen ist, daß ist ja woll der mühe werdt. Aber da schlegt es leyder 8 uhr, muß enden undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. November 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 259–261
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1275.html
Änderungsstand:
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