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Brief vom 15. November 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1279.


[269]
St Clou, sambstag, den 15 November 1721 (N. 41).
Hertzallerliebe Louise, ich fürchte sehr, daß ich heütte nicht so einen langen brieff werde schreiben können, alß ich es vorgestern resolvirt hatte. Den wie ich gestern viel spätter zu bett gangen, alß ordinari, habe ich auch heütte spätter auffstehen müßen, habe auch heütte morgen viel zu thun gehabt undt nun schlegt es 10. In einer halben stundt muß ich mich ahnziehen, umb wie ordinaire in kirch undt von dar ahn taffel, kan Eüch also nach dem eßen eher schreiben.
Sambstag, den 15 November, umb 3 uhr nachmittags.
Es ist nun schon woll 2 gutte stundt, daß wir von taffel, habe nicht eher, alß nun, zu schreiben gelangen können. Gott gebe, daß mir keine weittere verhindernuß zustoßen möge! Den ich wolte gern heütte auff etliche von Ewern schreiben andtwortten, komme ahn dem, wo ich vorgestern geblieben wahr[1], von 1 dieß[e]s mondts, no 80. Ich kan nicht glauben, daß man ohne gedechtnuß ein gar gutt judicium haben kan; den umb woll zu judiciren können, ist es gutt, sich umbständen zu erinern, sonsten kan man ja nicht woll judiciren; glaube also, daß die, so ahm besten sich alles erinern konnen, daß beste judicium haben. Lateinisch verstehen ich nicht, aber auff Teütsch spricht man so offt auß die art, daß dieß Lattein mir gar nicht frembt, kompt auch leicht auff jugement auß, so ja gutt Frantzösch ist, welches ich gar woll weiß. Dieß alles [270] verhindert daß kindisch-werden nicht. Gott bewahre unß davor! I. L. die printzes von Wallis hatt mir kürtzlich geschrieben, daß wie ma tante, unßere liebe churfürstin s., in ihren letzten jahren sie offtmahl undter den armen genohmen, damitt sie ihr heimblich die nahmen sagen moge, so sie nicht gleich finden könte. Es ist doch woll ein zeichen, daß unßere liebe s. chürfürstin nie kindisch geworden ist. Vor den friedens-tractat von Reüsen[2] undt Schweden habe ich Eüch letztmahl gedanckt; habe es noch nicht leßen konen, ich hoffe es aber morgen in der kutschen zu thun. Ich werde morgen geradt ins Palais-Royal, dort eßen zu gutter zeit, umb[3] dar werden wir alle mitt einander au[x] Thuilleries[4] zum könig, wo mademoiselle de Monpensié[5] ihr heürahts-contract unterschreiben wirdt, hernach werden wir alle wider au Palais-Royal, wo der könig hin kommen wirdt, umb daß opera von Phaeton[6] zu sehen. Es wirdt daß erste mahl sein, daß der könig ein opera sicht. Da werde ich I. M. auffwartten, aber hernach gleich wieder in kutsch hieher, zu nacht eßen undt den nach bett. Der könig aber wirdt au[x] Thuillerie zu nacht eßen, hernach wider kommen undt zum bal, wo alle damen erst[l]ich en robe de chambre oder manteau sein werden, hernach in masquen. Es ist mir woll gar nicht leydt, den bal nicht zu sein[7], mein aversion ist ein bal undt frantzosch dantzen; hore ich ein menuet, fange ich gleich ahn, zu gäpen[8], kan es vor meinem todt nicht leyden[9]. Ich vexire Lenor heütte den gantzen [tag] undt sage, daß es ihr hertzlich leydt ist, daß ich morgen nicht bey dem bal bleiben werde. Ich beklage die fürstin von Itzstein[10], wofern sie ihren herrn lieb gehabt hatt. Kinderblattern ist eine böße, gefährliche kranckheit, ich weiß, wie es thut[11]. Daß Ihr sagt, liebe Louise, daß deß fürsten von Itzstein gütter zwischen den [271] graffen von Nassau Otteweiller undt der[12] von Saarbrucken getheilt wirdt werden, daß macht mich gedencken, wie ungleich ich die zwey brüder von Saarbrücken gesehen. Der gestorben, war ein rechter feiner, ahngenehmer herr, voller politessen undt tugendt; der itzige aber ist ein tolpel in folio, wie ein beer[13], kan weder gehen, noch reden und ist, wie Lenor alß von den einfeltigen leütten sagt: Er weiß nicht, wer der ist. Es were kein unglück, wen die zwey printzessinen, so kranck sein, sterben selten; nach aller aparantz werden sie doch nicht glücklich sein. Ewer compliment ist schon, daß Ihr auffhört, umb mich nicht zu lang halten[14]. Lernt man solche schönne maniren zu reden in der Franckforter meß? Ich hett lieber ein bogen mehr gehabt, alß diß compliment. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, liebe! Ich komme jetzt auff daß von 28 October, no 79. Ihr soltet nun woll gewohnt sein, liebe Louise, alß eine post zu sein ohne meine brieffe undt die ander post 2 zu bekommen, werde also weytter nichts hirauff sagen, liebe Louise! Ich fange ahn, zu sein, wie alle alte weiber, einen tag bin ich gesundt, den andern quackele ich. Ich glaube, daß Ewere niepce noch woll bey Eüch in Ewerem hauß ins kindtbett komen wirdt, also lenger bey Eüch bleiben, alß Ihr meint. Lert[15] Ewer kleine niepce, mein patgen, noch kein Teütsch? Ambrassirt sie von meinetwegen undt sagt ihr, daß, wen sie zu mir kommen wirdt, will ich ihr eine schonne pupe geben! Da meritirt Ihr woll einen filtz, mich umb verzeyuug zu bitten, mir zu schreiben, waß Ewere niepce sagt. Daß ist alber, liebe Louise, daß Ihr mich umb verzeyung bitt, zu sagen, was daß liebe undt artig kindt sagt. Wen Ihr mir solche poßen sagt, werdt Ihr allezeit einen filtz bekommen wie heütte. Da habe ich auff zwey Ewere liebe schreiben vollig beantwortet[16]. Nun muß ich ein par wordt ahn mein dochter schreiben, den morgen frühe werde ich wenig zeit haben. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. November 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 269–271
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1279.html
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