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Brief vom 22. Januar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1296.


[311]
Paris den 22 Januari 1722 (N. 60.)
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder nehmen wolte, auf Ewer liebes schreiben von no 2, den 6 dießes monts, zu antwortten, entpfang ich noch eines vom 10 Januari, no 3, werde also meine andtwordt bey dießem frischten ahnfangen. Ob die post zwar unrichtig geht, so ist es doch noch viel, daß keine brieff verlohren werden. Meine gesundtheit ist nicht lang gutt geblieben, liebe Louise! Den ich habe nun wider den husten undt schnupen ärger, alß nie. Aber ich glaube, ich habe Eüch schon offt gesagt, auff alte weiber gesundtheit ist nicht zu bauen, einen tag ist man in perfecter gesundtheit, den andern tag recht kranck. Aber waß will man thun, liebe Louise? Wie unßere liebe s. churfürstin alß pflegt zu sagen, es muß unß gehen, wie den andern, unßer herrgott [312] wirdt nichts neües vor unß machen; man muß gedult haben undt seinen lauff, so gutt man kan, vollenden. Hertzliebe Louise, ich thue nichts ungerners, alß jemandts, so ich lieb habe, in sorgen zu setzen, undt ich bin persuadirt, daß, wen ich Eüch den neüjahrstag nicht geschrieben hette, so würde ich Eüch, ich bin versichert, in unerhörten sorgen gesetzt haben. Ich weiß nur gar zu woll, waß große sorgen sein; den waß ich seyder 10 oder 12 tagen außgestanden, mitt meinem enckel, dem duc de Chartre[s], außgestanden, ist nicht außzusprechen. Ich glaube, daß es viel contribuirt hatt, mich wieder den husten undt schnupen herbeygebracht; bin eben so schlim dran, alß nie, habe wieder eine gutte undt eine böß[e nacht]. Dieße vergangene nach[t] war die schlime, habe bitter übel geschlaffen. Aber wie es dieße nacht meine gutte nacht sein wirdt, hoffe ich, wieder einzubringen, waß ich dieße nacht verse[u]mbt habe. Ich habe Ewer schreiben, wo Ihr mir Ewerer niepce, gott sey danck, glückliches kindtbett bericht, ohnmöglich die 2 ersten tag im jahr außleßen können, bin gantz verwundert, wie ich daß kindtbett gefunden, undt gantz beschambt, Eüch alle nicht eher glück dazu gewünscht zu haben. Auff der Sudsée undt Missisipi kan ich nichts andtwortten; erstlich so begreiffe ich es nicht undt zum andern so deücht es mir, wen ichs sagen darff, etwaß so erschrecklich interessirtes, daß ich einen rechten abscheü davor habe. Aber die sach von Coubert ist etwaß anderst. Monsieur le Fevre habe ich gleich Ewern undt, umb beßer undt sicherer zu reden, graff Degenfelts brieff geschickt; ein augenblick hernach ist er selber kommen undt hatt mir gesagt, daß er es entpfangen hatt Ich bin Ewerer meinung, liebe Louise, daß [man nie beßer thun kann, als in allem][1] sich in gottes willen zu geben undt auff ihn zu vertrawen. Ich bin woll persuadirt, daß diß mehr hilfft, alß alle rafinementen[2] von der welt. Daß sprichwordt vom haßen undt wahßen hatte ich nie gehört, finde es aber recht gutt. Wen die sach bey mir stünde mitt Coubert, könte ich woll verantwortten, daß es woll gehen würde, aber es stehet leyder nicht bey mir. Ich weiß noch nicht, wie die sachen auß einander gehen, undt wie ich schon offt gesagt, so begreiff ich gar nichts in allen dießen sachen. Bey einem haar gebe ich Eüch einen braffen filtz, liebe Louise! Waß albere [313] poßen seindt daß aber auch, daß Ihr mir ein compliment über den brieff, so Ihr mir schickt, [macht]? Meint Ihr den, liebe Louise, daß ich so gritlich bin, daß mich ein muck ahn der wandt [ärgert]? Daß were eben so, alß wen ich böß solt werden, daß Ihr mir deß graff Degenfelt bri[e]ff vor monsieur le Fevre schickt. Ey pfui, liebe Louise! gewendt Eüch doch solche albere complimenten ab, so mir gantz unleydtlich sein! Insonderheit von leütte, so ich lieb habe undt mir so nahe sein, kans ich nicht vertragen. Wieder ein compliment! O liebe Louisse, auff welches kraut habt Ihr getretten, umb so voller complimenten zu stecken? Ihr müst leütte von Franckfort gesehen haben, so complimentisch sein. Alle meine enckelen seindt, gott lob, courirt; aber der hießige, unßer duc de Chartre[s], ist kräncker geweßen, alß keines, wirdt auch lang zu thun haben, umb wieder … den er ist viel delicatter, alß seine vettern von Lotteringen sein. Ich bilde mir mein patgen, daß kleine freüllen von Degenfelt, recht artlich ein. Ich bitt, Ihr wolt sie undt ihre fraw mutter, die gräffin Degenfelt, von meinetwegen ambrassiren. Man pressirt mich so sehr, zu nacht zu eßen, daß ich nicht mehr weiß, waß ich sage; muß schließen, umb ruhe [zu haben], mögte doch gern noch le[n]ger plauttern undt viel dolle sagen[3] verzehlen. Einem man, so man waßersüchtig gemeint, hatt man 2 maß gellée undt taußendt eyer gefunden, ein wunderlich munster[4] ist auff die welt kommen, abscheulich. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch wie ordinarie recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Januar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 311–313
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1296.html
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