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Brief vom 31. Januar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1299.


[317]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris den 31 Januari 1722 umb 3 vi[e]rtel umb[1] 4 (N. 63).
Hertzallerliebe Louise, daß ich Eüch heütte schreiben werde, daß ist gewiß; ob ich aber auff eines von Ewern lieben schreiben vollendts andtwortten werde konnen, daß ist gar unsicher, indem unßere hertzogin von Hannover dießen nachm[i]ttag herkomen wirdt, umb mitt mir in die ittalliensche commedie zu gehen von Timon ou le missantrope[2]; sie ist artig undt viel verstandt drin. [318] Aber wie unßer hertzogin ordinarie lang vor der commedie kompt, umb mitt mir zu sprechen, so besteht es auff E.[3] L. ahnkunfft, ob ich viel oder wenig werde schreiben können; daß stehet nicht bey mir. Ich will doch ahnfangen, auff Ew[e]r liebes schreiben von 17, no 5, zu antwortten, aber ob ich es außführen werde, stehet bey den göttern, wie die teütsche commedienten alß pflegen zu sagen. Aber es ist auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Ihr secht[4] woll, liebe Louise, daß nichts mehr auff der post zu sagen ist undt daß sie allezeit ein woch Eüch zwey schreiben auff einmahl [geben] undt [daß Ihr] eine post keine bekommen werdet. Aber da kompt unßere hertzogin, ich sehe sie in den hoff herein fahren, den mein[e] fenster sehen geraht auff die pfort von dem ersten hoff.
Sambstag umb ein viertel auff 9 abendts.
Es ist eine vi[e]rtelstundt, daß wir wieder auß der commedie kommen sein; sie haben woll gespilt undt es hatt unßere hertzogin recht divertirt. Daß hatt mich gefrewet. Sie liebt die commedien mehr, alß nie. Dieße ist possirlich undt sehr moral. Ich hoffe, daß der gutten fraw von Lüls ihr Allant-wein mich vollendts couriren wirdt; den seyder 3 tagen, daß ich ein glaßgen davon drincke, befinde ich mich ohnvergleichlich beßer. In dießer weldt, liebe Louise, findt man woll viel bößes ohne guts, aber nie daß gutte ohne waß bößes; ich habe die[ses] offt remarquirt. Mein enckel, der duc de Chartre[s], ist nun, gott lob, gantz courirt undt sey[der] 5 tagen ohne fieber, also alles, gott lob undt danck, zum endt. Er ist aber warlich gar gefährlich kranck geweßen mitt seinen geschwehren[5], sein continuirliches fieber, so abendts undt morgendts verdopelt hatt. Es ist woll ein groß glück, daß die natur noch starck genung bey ihm geweßen (da er doch so gar delicat ist), die geschwer durch die naß undt halß außzuwerffen. So balt die geschwer [319] außgeworffen, hatt sich daß fieber gestilt. Daß seindt der frantzoschen docktoren ihre maniren, man lest erschrecklich viel zur ader in allem alter. Ein medgen von 8 monat, so man im wiegen umbgeworffen undt eine beülle ahn dem kopff bekomen, hatt man gleich zu ader gelaßen. Es ist der comtesse de la Motte ihr[e]s sohns dochtergen. Ich meinte, daß kindt müste sterben, es befindt sich aber gar woll davon. Es ist unglaublich, wen man es nicht sicht, wie viel interuptionen ich alß finde. Ich gestehe, daß mein sohns gegenwart mich allezeit erfrewet; den ich liebe ihn von grundt meiner seelen, habe es auch nicht anderst ursach, den er lebt gar woll mitt mir. Ich werde suchen, mein wordt so zu halten, daß man mir nichts wirdt vorzuwerffen haben. Aber da cittirt mich monsieur Teray, undt[6] schlaffen zu gehen, will also nur in eyll sagen, daß unß[er] spanisch mückel[7] geheüraht ist. Ihr herr ist verliebt von ihr. Der hoffmeister hatt ihn nach einer halben stundt auß dem bett geholt; daß arme kindt, der printz des Asturies, hatt bitterlich geweindt[8]. Mehr erlaubt man mir dießen abendt nicht zu sagen, setze nur dazu, daß ich Eüch von hertzen lieb habe, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. Januar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 317–319
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1299.html
Änderungsstand:
Tintenfass