Seitenbanner

Brief vom 5. Februar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1300.


[319]
St Clou[1] den 5 Februari 1722 umb halb 10 morgendts (N. 64).
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte ahn zu schreiben mitt ein groß glaß voll grünen safft im leib. Gestern habe ich auch eines genohmen, hatt mich gestern 6 mahl gar starck purgirt undt heütte schon 4 mahl. Ich glaube auch, daß es noch nicht zum endt ist; den ich fühle noch etwaß, daß mir im eingeweydt herumb spatzirt. Da ist es fort geschickt, ist daß 5te mahl. Ich komme jetz[t] auff Ewer liebes schreiben vom 20 Januari, no 6. Ihr müst Eüch einmahl vor alles resolviren, daß nichts in der post zu endern stehet, daß sie allezeit gehen wirdt, wie Ihr sie nun gehen secht. Ich [320] weiß nicht, ob Ihr nie ahn I. G. den churfürsten, unßern herrn vattern, habt verzehlen hören, wie monsieur de Grillon[2] zu I. G. s. gesagt. Alß er ihn zu Vincen[n]e[s] ins gefängnuß setzt[3], sagte er: Tenes, voicy vostre logement! prenes y patiance en enrage[a]nt! Daß felt mir alß wider [ein, wenn] ich von einer gezwungene[n] gedult hore. Wie ich heütte morgen ahn dießer ligne war, hatt man mich gesagt, daß ich auffhoren solte, daß es zeit were, mich ahnzuziehen. Mein grüner safft hatt mich wie gestern 6 mahl gepurgirt, bin gantz mat von dem dutzendt purgiren. Ich schlieff vorher gar woll, aber dieße vergangene nacht gar übel. Ich bin nicht ahn den remedien gewondt, wie die frantzösche weiber; ich bin nicht persuadirt, daß sie mir so woll bekommen, alß sie ihnen bekommen. Ihr werdt gedencken, warumb ich den den grünen safft nehme, wen ich nicht persuadirt bin, daß es mir woll bekompt. Aber wen ichs nicht thäte, würde man mich zu sehr plagen undt würde weder nacht, noch tag ruhe haben, thue also alles, waß man will ohne wiedersprechen. Dießen nachmittag habe ich Ewer liebes schreiben vom 24 Januari, no 7, zu recht endtpfangen. Wie ich aber die feder wider nahm, umb zu andtwortten, kam die fürstin Ragotzi herrein undt ist anderthalb stundt geblieben. Ich war in der gedult, wovon ich heütte morgen gesprochen, so monsieur de Grillon ahn unßern herrn vatter s. gerahten hatte. Es war dieße fürstin nicht so baldt auß meiner cammer, da kam meines sohns gemahlin herein undt ihre dochterger. Nach ihnen kam mein sohn, der ist geblieben biß jetzt, da ich dießen brieff wider ahngefangen undt es halb 8 war. Nun muß ich mich greülich eyllen, den man will mir wegen meines grünen safft nicht erlauben, spätter, alß neüne, zu eßen, solle vor 10 uhr zu bett sein, muß mich alß sehr dümeln undt, wie Lenor alß pflegt zu sagen, dumelt dich, dumelt[4] dich, mein Frentzel! Ich kan Eüch, liebe Louise, mitt warheit versichern, daß ich kein eintzige post verfehlt habe. Meine liebe spießgerdt[5] ist, gott lob, nun gar woll, aber erschrecklich gewacksen, größer, alß herr vatter undt fraw mutter. Ihr segt woll, liebe Louise, daß ich von unßerm duc de Chartre[s] spreche. Der fraw von Lüls ihr Allant-wein hatt mich perfect von meinem husten [321] courirt, bin ihr verobligirt davor. Es ist kein wordt [wahr], daß mein enckel eine moscowittische printzes heürahten wirdt. Dancke Eüch sehr vor alle gutte wünschen, so Ihr unßerm duc de Chartre[s] thut. Ihr habt groß recht gehabt, die zeittung von seinen moscowittischen heüraht nicht zu glauben. Der heüraht aber von printz von Piedmont mitt der printzes von Sultzbach gar sicher ist[6]. Die konigin von Sa[r]daignen schreibt mir, daß sie weder golt noch gutt suchen, sondern nur eine fürstin vom gutten hauß undt die woll erzogen were, undt daß man ihnen versichert, daß man dießes bey dießer printzessin findt. Es ist mir leydt, daß Ihr dieße printzes nicht habt sehen können, wie sie zu Franckforth geweßen; den ich hette woll wißen mögen, ob sie so woll erzogen ist, alß man sagt. Daß ist ein dünschiß, mitt verlaub, der Eüch woll mal apropo kommen ist. Sagt mir doch nur, waß Ihr davon hören werdet! Seyder der könig von Sardaignen gotsförchtig geworden, solle der hoff sehr geendert sein. Die königin ist die tugendt selber undt ohne façon undt bigotterie; bey dießer königin kan niemandts unglücklich sein, wer selber tugendt hatt. Daß ist kein wunder, daß man von hertzen weindt, wen man die seinigen quittirt undt in ein frembt landt muß. Wir haben hir deß printz von Piedmonts contrefait, er ist weder hübsch noch heßlich. Unßere hertzogin von Hannover kam gestern her, ich führte I. L. in die commedie von der printzes d’Ellide[7]. Aber da plagt man mich, auffzuhören. Ich schreib offt in eyll undt werde alle augenblick interompirt, also kein wunder, daß ich ein närisch wordt geschrieben. Ihr müst Eüch, liebe Louise, drauff gefast machen, offt dergleichen zu finden, müst mitt meinen brieffen rahten; Chausseray[e] habt Ihr gar woll gerahten. Gutte nacht, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Februar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 319–321
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1300.html
Änderungsstand:
Tintenfass