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Brief vom 26. Februar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1306.


[334]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris den 26 Febr[uari] 1722 (N. 70).
Hertzallerliebe Louise, ich habe heütte morgen Ewer liebes schreiben vom 14 Februari zu recht entpfangen, no 13; will, ob gott will, ordentlich drauff andtworten, ob dießes zwar schon der 5 brieff ist, so ich wieder anfange; den ich habe schon ahn die [335] königin von Preüssen, ahn die printzes von Modene, ahn den printz Ragotzi geschrieben, umb ihm daß leydt zu klagen über sein[e]r gemahlin todt. Darnach habe ich auch ahn monsieur Harling geschrieben, dem etlich posten von mir gefehlt, ich weiß nicht warumb, kan nichts anderst thun, alß wider schreiben. Mich deücht, daß unßere schreiben langsamer gehen, alß nie; es ist in allem eine dolle zeit nun undt gantz verdrießlich. Kome ich einmahl wider auß dem verdrießlichen Paris, werde ich gott woll von hertzen dancken. Von grünen safft kan ich nichts anderst sagen, alß daß er mir woll bekommen ist, undt meine gesundtheit ist, gott seye danck, nun gar volkommen, so viel ein weib von 70 jahren kraffte undt starcke haben kan. Ihr werdet durch eines[1] von meinen letzten brieffen ersehen haben, wie ich all lengst Ewern verlust gewust, auch ahn die gräffin von Holdernesse selber geschrieben habe; sie jamert mich von hertzen. Ewer arme niepce, die wittib, ist krank vor betrübtnuß geworden. Ihr habt woll gethan, ihrer fraw schwester, so ihm kindtbet ist, die sach zu verhehlen; den nichts ist gefahrlicher in kindtbetten, alß betrübtnuß. Es würde auch gar gewiß ihre devotion verstört haben, den wen man rechtmäßige betrübtnuß hatt undt inquietude, kan man ohnmöglich ahn waß rechts gedencken; jamret mich von hertzen. Ich habe vergangen sontag ein contr[e]fait von der printzes von Sultzbach[2] gesehen; unter unß gerett, ich findt es abscheülich. Eine habichs-naß, so über einen heßlichen mundt undt gar zu kurtz kin geht, daß macht kein schön gesicht[3]. Gott gebe, daß sie ihre[r] baß, der konigin von Portugal[4], exempel folgen mag undt gutte minen nach ihrer geburdt undt standt bekommen! Stille waßer gründen tieff, so mags dießer printzessin von Sultzbach auch gehen. Es ist nicht allemahl zu sagen, daß die stille leütte einen sanfftmüttigen geist haben; ein hurluberlu[5], wie ich, schickt sich offt eher in die zeit. Es wirdt einen betrübtnuß zu Rheinfels geben, der todt von der fürstin Ragotzi[6]; sie [336] pretendirt[e], gar woll mitt ihrem herrn bruder zu stehen. Die hochzeit von jüngsten printz von Sultzbach ist geschehen. Nur gedult! die reüe wirdt baldt folgen, den sie ist nicht so reich, alß man meint[7]. Ich muß schließen, kan mein brieff nicht überleßen, nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Februar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 334–336
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1306.html
Änderungsstand:
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