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A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.
Paris den 26 Febr[uari] 1722 (N. 70).
Hertzallerliebe Louise, ich habe heütte morgen Ewer liebes
schreiben vom 14 Februari zu recht entpfangen, no 13; will, ob
gott will, ordentlich drauff andtworten, ob dießes zwar schon der
5 brieff ist, so ich wieder anfange; den ich habe schon ahn die
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königin von Preüssen, ahn die printzes von Modene, ahn den printz
Ragotzi geschrieben, umb ihm daß leydt zu klagen über sein[e]r
gemahlin todt. Darnach habe ich auch ahn monsieur Harling
geschrieben, dem etlich posten von mir gefehlt, ich weiß nicht warumb, kan
nichts anderst thun, alß wider schreiben. Mich deücht, daß unßere
schreiben langsamer gehen, alß nie; es ist in allem eine dolle zeit
nun undt gantz verdrießlich. Kome ich einmahl wider auß dem
verdrießlichen Paris, werde ich gott woll von hertzen dancken. Von
grünen safft kan ich nichts anderst sagen, alß daß er mir woll
bekommen ist, undt meine gesundtheit ist, gott seye danck, nun gar
volkommen, so viel ein weib von 70 jahren kraffte undt starcke
haben kan. Ihr werdet durch eines
[1] von meinen letzten brieffen
ersehen haben, wie ich all lengst Ewern verlust gewust, auch ahn
die gräffin von Holdernesse selber geschrieben habe; sie jamert mich
von hertzen. Ewer arme niepce, die wittib, ist krank vor
betrübtnuß geworden. Ihr habt woll gethan, ihrer fraw schwester, so ihm
kindtbet ist, die sach zu verhehlen; den nichts ist gefahrlicher in
kindtbetten, alß betrübtnuß. Es würde auch gar gewiß ihre
devotion verstört haben, den wen man rechtmäßige betrübtnuß hatt
undt inquietude, kan man ohnmöglich ahn waß rechts gedencken;
jamret mich von hertzen. Ich habe vergangen sontag ein
contr[e]fait von der printzes von Sultzbach
[2] gesehen; unter unß gerett,
ich findt es abscheülich. Eine habichs-naß, so über einen heßlichen
mundt undt gar zu kurtz kin geht, daß macht kein schön gesicht
[3].
Gott gebe, daß sie ihre[r] baß, der konigin von Portugal
[4], exempel
folgen mag undt gutte minen nach ihrer geburdt undt standt
bekommen! Stille waßer gründen tieff, so mags dießer printzessin
von Sultzbach auch gehen. Es ist nicht allemahl zu sagen, daß die
stille leütte einen sanfftmüttigen geist haben; ein hurluberlu
[5], wie
ich, schickt sich offt eher in die zeit. Es wirdt einen betrübtnuß
zu Rheinfels geben, der todt von der fürstin Ragotzi
[6]; sie
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pretendirt[e], gar woll mitt ihrem herrn bruder zu stehen. Die hochzeit
von jüngsten printz von Sultzbach ist geschehen. Nur gedult! die
reüe wirdt baldt folgen, den sie ist nicht so reich, alß man meint
[7].
Ich muß schließen, kan mein brieff nicht überleßen, nur sagen,
daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.