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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
Paris den donnerstag, 5 Mertz, umb halb 11 abendts 1722 (N. 72).
Hertzallerliebe Louise, wer sein wordt nicht helt, ist ein schelm;
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derowegen, liebe Louise, will ich nicht nach bett gehen, ich habe
Eüch den geschriben; habe es dießen nachmittag nicht thun konnen,
den gleich nach dem eßen bin ich entschlaffen, hernach seindt leütte
kommen, so mitt mir zu reden gehabt; zuletzt ist mein sohn
kommen, mitt welchem ich zu reden gehabt, biß man mich ins
nagelneü opera geruffen, wo ich mitt allen 4 printzessin[nen] hin bin,
alß meine enckeln undt mademoiselle de Clermont undt de la
Rochesurion
[1]. Daß opera hatt biß 9 gewehrt, ist gar lang; die mußiq
ist nicht schlim, aber die wortter deügen nichts, noch daß sujet auch
nicht. Ich kan Eüch heütte in großer eyll nichts mehr sagen, alß
wie daß ich heütte Ewere 2 schreiben auff einmahl entpfangen. Bin
recht erfrewet, daß meine babiollen Eüch so ahngenehm geweßen,
auch Ewere niepce gefahlen. Ich habe heütte andwort von ihrer
schwester
[2] bekommen; hatt neüe sorgen, ihre kinder seindt gar
kranck, drumb hatt sie Eüch gewiß nicht geschrieben, ist woll zu
beklagen. Alle menschen, so sie kenen, loben sie über die maßen,
solle nicht schon, aber gar ahngenehm sein. Ich schicke Eüch keine
relation vom eintzog
[3], umb Ewern beüttel zu sparen, liebe Louise!
Man kan kein artige[re]s, verstandige[re]s undt ahngenehme[re]s
kindtgen in der welt sehen, alß unßere kleine infantin ist. Adieu!
Es ist gar zu spat, ich muß schließen undt vor dießmahl nichts
mehr sage[n], alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.