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Brief vom 21. März 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1313.


[352]
Paris den 21 Mertz 1722 (N. 77).
Hertzallerliebe Louise, seyder vorgestern habe ich gar nichts neües von Eüch entpfangen, werde also heütte nur andtwortten auff Ewer liebes schreiben [vom] 28 Febr[uari], no 17. Ich bin ahm 7 bladt geblieben. Ihr habt woll groß recht, liebe Louise, Ewerer niepce distraction zu verschaffen; daß ist daß groste mittel, rechte trawerigkeit, wo nicht gantz auffzuhalten, jedoch zu vermindern. Wen sich ehe[-leute] scheyden, so vor allezeit woll gelebt undt allso warhaffte betrübtnuß verursachen, jammerts mich von hertzen, aber es ist waß rares. Wo ist der fürst von Siegen hin kommen, den ich hir gesehen undt welcher so woll alß sein herr bruder abscheülich auß dem maul stunk? Er fragte mich ein mahl, ob ich nicht wüste, auß waß ursachen seine gemahlin nie bey ihm schlaffen wolte; ich dachte: Ich weiß es woll, durffte es aber nicht sagen. Aber ich fundt es gar nicht schwer zu errahten, erstlich so ist er heßlich von postur, stinckt arger, alß ein bock, undt scheindt wenig verstandt zu haben[1]. Mich deücht, daß alle die fürsten von Nassau wunderliche kopffe haben. Von der armen fürstin von Ragotzi werde ich nichts mehr sagen, ich laße sie in ihrer ewigen ruhe. Aderlaßen ist die große mode hir, man meint, daß niemandts ohn daß couriren kan; etlich mahl geht [es] ahn, aber nicht allezeit. In meinem sin hatt man meinem sohn die 41 ontzen bludt gar ohnnöhtig gelaßen, ist gewiß übeller, alß vorher, undt man hatt ihm den fluß mehr auff die brust gezogen, kan kaum schnauffen. Die rechte warheit zu sagen, so werde ich nicht zufrieden sein, biß ich ihn ein wenig beßer sehe; ist mir ängster darbey, alß ichs mir mercken laße[2]. Treüme gerahten nicht allezeit[3], aber es seindt doch etliche sehr remarquable. Es were schwer, daß die fürstin Ragotzi dem armen freüllen von Breytten-Landenberg[4] viel vermacht hette; den sie hatte selber nichts mehr, ist her kommen, umb zu sehen, ob sie etwaß wider erdappen könte von den geldern, so der abbé Brener, der sich selber ermordt hatt, unter handen gehabt[5]; also kan woll wenig vorhanden sein. Aber da rufft man mich ins opera.
[353] Da komme ich auß dem opera undt es schlegt 9 uhr; ich muß mich eyllen. Ich finde auff meiner taffel in dießem augenblick eines von Ewern lieben schreiben, so ahnkommen muß sein unterdeßen, daß wir in dem opera geweßen. Dießen abendt kan ich ohnmöglich drauff andtwortten, will nur daß außschreiben, bey welchem ich geblieben war, nehmblich bey dem freüllen von Breitten-Landenberg. Ihre fürstin hatt ihr geschrieben, die landtgraffin von Homburg, die wirdt sie hollen laßen, wie sie mir vorgestern gesagt hatt. Dieße landtgraffin ist wieder gar woll, hatt aber ein bein gebrochen gehabt. Glaubt nicht, liebe Louise, daß Frantzoßen-zeit-vertreib so glatt abgehen, ohne waß übels zu thun! Sie seindt alle, keinen außgenohmen, gar zu desbeauchirt darzu. Ich kenne den generalmayor Francheville nicht, erinere mich nicht, ihn mein leben gesehen zu haben[6]. Es seindt so viel der art leütte hir, die mich woll kenen, aber ich sie nicht. Wehren alle leütte daß renen undt dantzen so müde alß ich, würden wenig fest gehalten werden. Wie Ihr mir den Francheville beschreibt, glaube ich, daß, waß ihm jetzt ahm nohtigsten ist, ist sup[p]e undt fleischbrühe, wie die Frantzoßen immer nehmen. Ahn madame Dangeau habe ich Ewern vorigen brieff von der fürstin von Ussingen geschickt undt alleweill den, so ahnkommen. Die relation vom einzug habe ich Eüch geschickt, wie auch vom fewerwerck. Adieu, liebe Louise! In[7] ambrassire ein[8] von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
P. S.
Mein sohn kompt herein, ist ein wenig beßer, alß gestern abendts.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. März 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 352–353
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1313.html
Änderungsstand:
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