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St Clou den 23 May 1722 umb 5 abendts (N. 97).
Hertzallerliebe Louise, es ist eine gutte stundt, daß wir auß
der kirch kommen sein. Ich habe mich amussirt, ein zimblich lang
donnerwetter zu sehen mitt schönnen wetterleüchten undt blitzen;
daß sehe ich recht gern. Die fraw von Rotzenhaussen sicht es
nicht so gern alß ich, hatt sich zwischen zwey schirm versteckt,
alß wen der donner dort nicht hin kommen könte. Die nachtigallen
hören schon auff, zu singen. Ich glaube, ich habe Eüch schon
gesagt, daß sie bey weittem nicht so starcke stimmen haben, noch so
lang schlagen, alß bey unß
[1]. Alle thier, vögel undt vierfüßige
thier, seindt kleiner undt schwächer hir, alß bey unß; daß wilpert
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hatt auch den rechten geschmack nicht, ist drucken undt zehe
[3]. Es
ist zu verwundern, welch ein großer unterschiedt es ist in salat
undt allerhandt kreüttern; doch zu Fontainebleau ist der salat
unvergleichlich beßer, alß hir, die ursach weiß ich nicht. Ich habe
mir alß eingebildt, daß, weillen Fontainebleau mehr Teütsch
außsicht, alß kein anderer ort, daß deßwegen alles dort beßer ist.
Dieß jahr haben wir noch keine große hitze gehabt. Es thut mir
recht wehe, daß ich davor schaudern mogt, wen ich verstorte schlößer
sehe
[4]. Wie kan man daß hertz haben, einen solchen artigen ort,
wie Ihr, liebe Louise, daß alte erbachische hauß beschreibt, so so
eine schönne außsicht undt schönne spatziergang hatt, so ruiniren
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[zu] laßen? Bey warmem wetter ist es artig, auffs waßer zu
fahren, wens nur nicht lang wehrt; den ich werde daß waßer-fahren
baldt müde. Ich hab A[s]chaffenburg in kupfferstück von
Merian. Ich habe 9 tome von Merians küpfferstück, recht schön,
ich habe sie hir gekaufft, aber ich wolte nicht schwehren, daß
sie nicht von Heydelberg kommen; den ich erinere mich, daß
ich eben so in unß[eres] herr vatter s., I. G. deß churfürsten,
biblioteq gesehen zu Heydelberg. Von der graffin Siebelsdorff hab
ich mein leben nicht gehört. Waß seindt daß vor graffen? Man
muß nicht glauben, liebe Louise, daß, wer jemandts schön gesehen,
14 jahr hernach in dem selben standt finden wirdt; daß kan
unmöglich sein. Ich höre gern, liebe Louise, daß Ihr ein wenig
verenderung habt, undt wünsche, daß Ewere mahlzeit lustig abgehen
mag. Wen Ihr meinen vettern von Philipsthal sagt
[5], so sagt ihm
von meinetwegen, daß seyder gestern die printzes de Conti, die
geheüraht, in dem closter du Port-Royal ist, wo sie ihren protzes
gegen ihren herrn außführt! Monsieur le Fevre ist vor 14 tag
schon nach Bourbon; daß warme waß[er] schlegt ihm woll zu. Mein
advocat, monsieur le Roy, so sein gutter freündt ist, wirdt ihm deß
graff Degenfelts brieff zu recht bestellen. Bourbon undt Vichy
seindt warme bader. Ich glaube nicht, daß Wißbaden beßer ist,
alß Vichi undt Bourbon, so so manche leütte couriren. Freylich
will mein dochter nach Rheims
[6], daß wirdt mich auch hin zotteln
machen; sonsten ging ich gewiß nicht hin, den aller vorwitz ist
mir vergangen, bin gar nicht curieux mehr, nichts in der welt zu
sehen. Unßer bischoff, duc et pair de Laon
[7] ist nun in seinem
bischtum
[8]. Ich habe ihn hertzlich lieb, aber nach seinem
legitimirten bruder
[9] frag ich kein haar, er hatt glotzaugen undt wenig
verstandt. Freylich ist deß grand prieurs mutter
[10] jalous, daß ich
den bischoff lieber hab, alß ihren sohn, aber ich kans nicht endern;
ich bin persuadirt, daß der bischoff m[i]ch lieber hatt, alß der grand
prieur, alßo ist es ja billig, daß ich ihn auch lieber habe. Den
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brieff ahn madame Dangeau habe ich woll bestell; sie ist auff dem
landt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben gantz beantwort. Ich
befinde mich noch nicht gantz woll, bin matt undt ohne hunger. Daß
schickt sich woll zu den heütige[n] fasten. Gutte nacht, liebe
Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all
mein leben recht lieb.