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Brief vom 30. Mai 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1332.


[404]
St Clou den 30 May 1722 (N. 99).
Hertzallerliebe Louise, weillen ich kein frisches schreiben von Eüch entpfangen, so werde ich heütte auff ein altes schreiben antwortten, so ich noch überig habe vom 28 April, no 32. Die reiße von Versaille ist auffgeschoben. Ich mögte woll gar nicht dort schlaffen, den meine salle des gardes ist gantz eingefallen, hatt keinen boden, kan also nicht dort bleiben, biß daß dieß wieder gebauet. Solte der konig den winter dort bleiben, wirdt alles fertig sein, aber, unter unß gerett, mein sohn, seine gemahlin, sein sohn undt der marechal de Villeroy lieben Paris zu sehr, umb zu hoffen können, daß man den winter zu Versaillen bleiben könte, werde also mein ellendt wieder dießen winder zu Paris außstehen müßen. Aber wie unßer schreibmeister unß alß pflegt vorzuschreiben:
[405] Waß nicht zu endern stehet,
Laß gehen, wie es gehet[1]!
Ich zweyffele nicht, liebe Louise, daß er es Eüch auch in Ewerem schreibbuch wirdt gesetzt haben. Zu deß konigs s. lebzeitten undt wie Monsieur s. noch gelebt, seindt wir alle jahr im Mayen hieher undt da geblieben, biß man nach Fontainebleau gangen, hernach folgten wir dem konig nach Versaille[s] undt Marly biß wieder in den Mayen, also ist es nichts neües, das ich den sommer hir bin. Vor fehler umb verzeyung zu bitten, ist ohnnohtig, den es seindt nie keine in Ewern schreiben, liebe Louise! Gingt Ihr zur beicht, kontet Ihr, waß Ihr hir sagt, unter Ewere unnohtige wortter rechenen. Ich habe heütte ein schreiben von landgraff Carl von Philipsthal bekommen; er wirdt nur noch eine reiße nach Hollandt thun, hernach wider nach Paris kommen. Ich kan mir leicht einbilden, wie Ihr müst erschrocken sein, den armen printzen gantz in bludt zu sehen. Gott seye danck, daß es woll abgeloffen ist! Were mir recht leydt, wen ihm waß geschehen solte, den ich habe dießen vettern lieb. Er ist ohnlengst gar kranck geweßen, davon mag sein bludt noch woll bleich sein. So baldt ich meinem sohn sein schreiben werde gegeben habe[n], werde ich ihm andtwortten. Solte er noch zu Franckfort sein, so sagt ihm dießes! bitte ich Eüch. Der[2] landtgraff von Darmstatt reiß ist nicht lang, wider nach hauß zu gehen; den wo ichs mich noch recht erinere, so ist Darmstatt gar nahe bey Franckforth. Ich bin woll Ewerer meinung, liebe Louise, daß man deß großen gethuns baldt müde wirdt. In meinem alter wirdt man alles müde, waß divertissementen heißen mag. Ich bitte Eüch, liebe Louise, sagt mir doch, wie stehet Ewerer niepce daß teütsche leben ahn, kan sie sich woll dran gewohnen? Den ich glaube, daß daß englische leben sehr different ist. Es ist spätt, man treibt mich, zu enden. Gleich nach dem eßen bin ich nach Madrit undt habe die kranke besucht, so mein freüllen geweßen. Sie ist schwach, aber doch lustig. Wie ich wider komen undt schreiben habe wollen, ist unßere hertzogin von Hannover kommen undt biß halb 8 blieben. Hernach hatt mir madame de Segure[3] ein brieff von ihrem bruder, monsieur de Laon[4], bracht, so ich [406] gleich beantwortet. Meine arme krafften ersetzen sich noch nicht wider, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß, in welchem standt ich mich auch finden mag, werde ich biß ahn mein endt Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Mai 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 404–406
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1332.html
Änderungsstand:
Tintenfass