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A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 20 Juni 1722 (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, vergangen donnerstag, alß ich von
Versaille[s] kam, habe ich auff Ewer liebes schreiben von 9, no 43,
geantwort, welches daß frischte war, so ich von Eüch entpfangen
hatte. Nun komme auff daß vom 6 dießes monts, no 42. Es ist
eine rechte mutwill von denen von der post, wen die brieffe
unrecht gehen, den sie könten gar woll überkommen. Ich kan mich
deß woll-sein noch nicht berühmen, meine starcke will noch nicht
wieder kommen undt die grüne galle plagt mich so starck, daß mein
docktor, monsieur Teray, resolvirt, mich morgen oder übermorgen
wider zu purgiren. Ich glaube nicht, daß mir dießes die verlohrne
kräfften wider bringen wirdt, waß sie auch davon prallen
[1] mögen.
Ob ich zwar gedencken kan, daß ich krancker kan werden, daß
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plagt mich gantz undt gar nicht, liebe Louise! Ich versichere Eüch,
daß ich zu allem bereydt bin, waß gott der allmachtige mitt mir
vor haben mag, undt werde nicht muren, es seye zum leben, zum
todt oder zum kranck-werden; es mag alles gehen, wie es sein
vatterlicher wille ist, bekümer mich, noch sorge gar nicht drumb.
Ew[e]r schreibtaffelgen, wo ich schon vergangen donerstag gedanckt,
findt
[2] alle menschen artig hir wegen daß so gar leichte holtz. Ich
dancke nochmahlen davor undt versichere, daß ichs all mein leben
in meinem sack tragen werde undt gebrauchen, liebe Louise! Ich
beklage Eüch sehr, liebe Louise, mitt proces-sachen geplagt zu
sein, nichts deücht mir langweilliger in der welt sein. Hiemitt ist
Ewer liebes schreiben vom 6 vollig beantwortet. Dießen nachmittag
werde ich noch eins beantwortten, nun aber eine pausse machen.
Sambstag, den 20 Juni, umb 3/4 auff 2 nachmittags.
Da komme ich zwar von taffel, aber der schlaff übernimbt mich
so sehr, daß ich unmöglich schreiben werde konnen; den ich habe
dieße nacht gar bitter übel geschlaffen, bin noch nicht woll. Man
sagt aber, es wirdt baldt beßer werden; wie gott will. Nun muß
ich schlaffen, ich kan den kopff nicht mehr aufrecht halten.
Sambstag, den 20 Juni, umb 8 abendts.
Ich bin umb 6 von Madrit kommen, hatte gehofft, Eüch noch
ein par stündtger zu entreteniren; aber wie daß sprichwordt sagt,
l’homme propose et dieu dispose. Madame la princesse ist mitt
mademoiselle de Clermont her kommen undt es ist noch keine
vi[e]rtelstundt, daß sie wieder weg sein. Also wirdt mein brieff heütte
nicht so lang werden, alß ich gehofft; den ich muß mich eyllen,
weillen ich heütte früh nach bett muß, den morgen will man mir
den verteüffelten grünen safft schlucken machen. Biß donnerstag
will ich Eüch sagen, wie es mir bekommen. Man versichert mich,
daß es mich starcken solle, aber ich bin persuadirt, daß es mich
viel schwacher machen wirdt; wir werden sehen, waß drauß werden
wirdt. In welchem standt ich haber
[3] auch sein mag, so werde ich
Eüch von hertzen lieb behalten.