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Brief vom 25. Juni 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1338.


[420]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 25 Juni 1722 umb 5 abendts (N. 6).
Hertzallerliebe Louise, ich bin heütte morgen zu Versaille[s] geweßen undt wider he[r]komen, zu mittag zu eßen, bin aber so matt undt müdt, daß ich kein bißen fleisch habe eßen können. Gestern war ich doch noch matter, alß heütte, den es war mein bößer tag, den ich habe noch immer einen gutten undt einen bößen tag. Aber daß ist ein langweilliges geschwätz, die zeit wirdt mir selber lang dabey, den ich bin dießer sach so müde, alß wen ich es, wie die gutte fraw von Harling alß pflegte zu sagen, mitt löfflen gefreßen hette; komme auff Ewer liebes schreiben von 13, no 44. Man hatt mir vergangenen sontag noch ein groß glaß mitt grünen safft schlucken machen, so mich 7 mahl starck purgirt hatt. Aber diß hatt mir auch den garauß geben undt follendts alle kräfften benohmen. Waß endtlich auß dießem allem werden wirdt, solle die zeit lehren. Alles, waß ich eß oder waß ich drincke, wirdt alles zu bittere galle; daß kan kein gutt thun auff die lenge. Ich sehe es woll undt fühle es woll, allein es setzt mich in gar keine sorgen; ich bin zu allem resolvirt, waß unßer herrgott mitt mir machen will, bitte nur gott, mich nicht lang leyden zu laßen, damitt die gedult mir nicht entfahren mag. Ich kan eben so wenig salat eßen, alß waß andert[1]; wen ich ein viertel von einem kopffsalat geßen, damitt ist es gethan. Die rettig deügen[2] hir nichts, man kan ohnmöglich salat davon machen, sie seindt waßerig undt haben keinen rechten rettig-geschmack. Aber da kommen viel leütte herrein, ich muß wider willen eine pausse machen. Ich habe schon den nonce[3], den envoyes von Florentz, den von Parme gehabt undt noch ein par abt dazu. Nun kompt der duc de Lauzun undt seine gemahlin, die comtesse de la Motte, noch 2 andere damen, so ich vergeßen, undt ein stiffts-freüllen, schwester von cardinal de Bissi[4]. Die compagnie hatt mich gar lang auffgehalten, [421] muß mich nun dumellen, wie Lenor alß sagt: Dumelt dich, mein Fräntzel! tumelt ti! Den man will, daß ich heütte wegen meiner schwachheit so baldt nach bett solle. Aber ich muß Eüch doch noch ein wenig entreteniren, liebe Louise! Daß thue ich lieber, alß eßen undt drincken. Wen ich stiegen steygen müste, so konte ich nirgendts hin gehen, aber man tregt mich die stiegen in der chaisse a porteur nauff, also kan es mich nicht incommodiren, in Port-Royal zu steygen. Meine alte cammer, wo mich die printzes de Conti entpfangt, ist de plain-pied[5], man hatt keine staffel zu steygen. Die printzes de Conti ist hertzlich gern au Port-Royal, die zeit wirdt ihr kein augenblick lang, sie arbeydt im gartten, im backhauß, in der küchen undt amussirt sich mitt alles, waß ihr im sin kompt, helt es vor gar kein gefangnuß, sagt, sie were wie in paradies, nicht im hostel de Conti mehr zu sein. Sie hatt mir gestern einen rechten lustigen brieff geschrieben, hatt mich lachen gemacht, den sie ist recht possirlich, wen sie will undt in gutten humor ist. Da kompt junker Wendt undt bitt mich, auffzuhören, den er sagt, es wardt[6] mich ein jung fassangen[7], ich finde aber nicht, daß es meinen apetit auffweckt. Adieu, liebe Louise! Unßer liebe keyßerin[8] hatt mir durch ihre fraw mutter part geben laßen von ihrer fraw dochter heüraht; ich gönne die gutten keyßerin diß vergnügen woll von hertzen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen, undt so lang mich meine galle undt schwachheit leben lest, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juni 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 420–421
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1338.html
Änderungsstand:
Tintenfass